Medtech: «Monsieur Prix» will ein Register der bezahlten Preise

Preisüberwacher Stefan Meierhans nimmt die Herz- und Orthopädie-Implantate ins Visier. Seine Erhebung bei 67 Schweizer Spitälern bringt drastische Unterschiede ans Licht.

, 31. Januar 2025 um 09:08
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Herzschrittmacher | Bild: © Peter Dazeley via Getty Images
Der Preisüberwacher hat in seinem Newsletter neue Daten veröffentlicht, welche die Preise für orthopädische und kardiale Implantate bei 67 Krankenhäusern erfassen und vergleichen. Der «Monsieur Prix» wollte damit die Einkaufspraktiken vergleichen und Preisunterschiede für identische Modelle zu identifizieren.
Da die Zahl der Implantationen stetig steigt, sind die Ausgaben der Krankenhäuser erheblich geklettert, was grösstenteils von den Kantonen und den Krankenkassen getragen wird. So stieg zwischen 2013 und 2023 die Zahl der implantierten Hüftprothesen um 44 Prozent, während die Zahl der Knieprothesen um 59 Prozent zulegte.
Die Implantationen von Herzschrittmachern stiegen im selben Zeitraum um 31 Prozent und die von Defibrillatoren um 19 Prozent.
Im Jahr 2023 beliefen sich die Gesamtkosten für diese Behandlungen auf fast eine Milliarde Franken. Die Ausgaben konzentrieren sich bei Herzimplantaten hauptsächlich auf die grossen Universitätskliniken und bei orthopädischen Implantaten auf Spezialkliniken.
«Darüber hinaus sind in der Schweiz, wie in vielen anderen Ländern, die Beziehungen zwischen den Anbietern medizinischer Implantate sowie den Chirurginnen und Chirurgen sehr eng.» — Stefan Meierhans.
Die Leistungserbringer scheinen stark abhängig von der Medizinprodukteindustrie zu sein, einem Markt, der von einigen wenigen grossen Anbietern dominiert wird. Die Preisverhandlungen werden direkt zwischen Spitälern und Lieferanten geführt. Die meisten Einrichtungen arbeiten mit durchschnittlich nur drei Lieferanten pro Implantattyp zusammen, und öffentliche Ausschreibungen werden nur in 7 Prozent der Fälle genutzt.
Eine der grössten Herausforderungen des Sektors ist die Informationsasymmetrie. «Vor allem die mangelnde Preistransparenz hindert die Spitäler daran, ihre Einkäufe zu optimieren, wettbewerbsfähige Preise auszuhandeln und eine effiziente Nutzung der Ressourcen sicherzustellen», schreibt Stefan Meierhans: «Darüber hinaus sind in der Schweiz, wie in vielen anderen Ländern, die Beziehungen zwischen den Anbietern medizinischer Implantate sowie den Chirurginnen und Chirurgen sehr eng.»
Angesichts dieser Problematik haben sich die Krankenhäuser nach und nach organisiert: 2017 gehörten nur 25 bis 30 Prozent der Akutspitäler Einkaufsgemeinschaften an, heute sind es rund 72 Prozent.

Erhebliche Preisunterschiede

Die Daten des «Monsieur Prix» zeigen erhebliche Preisunterschiede für identische Implantate auf. Für ein- und dieselbe Komponente einer Hüftprothese variiert der Unterschied zwischen dem Mindest- und dem Höchstpreis um den Faktor 1,8 bis 2,9 bei einem Oberschenkelschaft – und um den Faktor 1,9 bei einer Hüftpfanne.
Bei Knieprothesen erreicht der Preisunterschied einen Faktor von 3,8 bei einem Modell und 6,1 bei einem anderen.
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Einkaufspreis für eine Knietotalprothese (zwei verschiedene Anbieter)
Auch bei Herzimplantaten sind die Unterschiede deutlich:
  • Ein Herzschrittmacher kann von einem Spital zum anderen bis zu 4,5-mal teurer sein.
  • Ein Herzdefibrillator desselben Anbieters kann einen Preisunterschied um den Faktor 2 aufweisen.
Während diese Schwankungen auf Faktoren wie das Kaufvolumen oder technische Spezifikationen zurückgeführt werden können, wurde kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bestellvolumen und Preisen festgestellt, betont die Studie.
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Preisspanne für einen Herzschrittmacher vom gleichen Anbieter |  Grafik: Preisüberwacher
Eine wahrscheinliche Erklärung liegt in den von den Herstellern eingeführten Marktsegmentierungspraktiken, die dazu beitragen, die Unterschiede in der Verhandlungsmacht sowie die Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Spitäler auszunutzen.

Hohe Preise in der Schweiz

Dass die Schweiz besonders hohe Preise für medizinische Implantate bezahlt, ist bekannt. Der Preisüberwacher hatte sich bereits 2007 mit dieser Frage befasst. Eine vom damaligen Team durchgeführte Studie ergab, dass Gesundheitsdienstleister in Deutschland für denselben Herzschrittmacher nur 54 Prozent des Schweizer Preises bezahlten, während das gleiche Gerät in Frankreich 47 Prozent des Schweizer Tarifs kostete. Auch in Italien und Österreich waren die Preise deutlich niedriger.
Heute sind laut der Umfrage des Preisüberwachers 93 Prozent der befragten Schweizer Krankenhäuser der Meinung, dass die Preise für medizinische Implantate im Vergleich zum europäischen Standard zu hoch sind.

Undurchsichtigkeit der Preise

Recherchen der Zeitungen der Tamedia-Gruppe hatten diese Abweichungen jüngst angeprangert. Die Journalisten von «Tages-Anzeiger» und «Berner Zeitung» untersuchten den Fall des Herzschrittmachers Edora 8 DR-T von Biotronik.
Die kontaktierten Gesundheitsdienste und Krankenhäuser weigerten sich dabei, den bezahlten Preis offenzulegen: Sie beriefen sich auf vertragliche Geheimhaltungsklauseln. Interne Quellen lieferten jedoch Schätzungen für den Zeitraum 2018 bis2020, die erhebliche Schwankungen offenbarten. Die pro Gerät gezahlten Preise schwankten zwischen 2'900 und 12'900 Franken.

Komplexe Handelsklauseln

Preisunterschiede lassen sich auch durch komplexe Handelsklauseln erklären, beispielsweise Produktbündelung, Mengenrabatte oder Bedingungen, die an den Kauf anderer Medizinprodukte vom gleichen Hersteller geknüpft sind.
Diese Mechanismen machen es für einzelne Käufer schwierig, Preise zu vergleichen.

Verbesserungsvorschläge

Angesichts dieser Feststellungen schlägt die Preisüberwachung sieben Massnahmen vor, um die Transparenz zu erhöhen und die Kosten zu optimieren:
1. Einrichtung eines anonymisierten nationalen Registers der tatsächlich gezahlten Kaufpreise, auf das nur Behörden, Krankenhäuser und Krankenversicherer Zugriff haben.
2. Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung für Anbieter, die Zusammensetzung der Preise sowohl bei Verhandlungen als auch in Verträgen detailliert darzulegen.
3. Weniger Einfluss der Chirurgen bei der Auswahl von Implantaten: Es sollen Kriterien gefördert werden, die auf den Bedürfnissen der Patienten gründen.
4. Förderung von Parallelimporten durch Vereinfachung der Vorschriften und Sanktionen gegen wettbewerbswidrige Praktiken.
5. Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit im Bereich der Einkaufsgemeinschaften.
6. Festlegung einer Mindestanzahl von Fällen für die wichtigsten Implantatkategorien, um ausreichende Erfahrung zu gewährleisten und möglicherweise die Kosten zu senken.
7. Stärkere Kontrolle der Kantone über öffentliche Krankenhäuser, insbesondere in Bezug auf die Ausschreibungsverfahren.
«Preisüberwacher nimmt Implantat-Preise ins Visier»: SRF-Sendung «10 vor 10» vom 30. Januar 2025.

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