Koordinierte Netzwerke stärken statt verstaatlichen

Es braucht keinen neuen Leistungserbringer «koordinierte Versorgung». Zuerst sollten wir die bereits beschlossenen Kostendämpfungs-Massnahmen wirken lassen.

Gastbeitrag von Andri Silberschmidt, 29. November 2024 um 23:00
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«Bereits heute gibt es etliche Netzwerke, die sich – ganz ohne staatliche Steuerung – koordinieren»: Autor Silberschmidt  |  Bild: Linda Pollari
Patienten mit mehreren Krankheiten sowie ältere Personen sind vielfach auf die Beratung und Leistung verschiedener Gesundheitsdienstleister angewiesen. Klassischerweise ist der Hausarzt für die Grundversorgung zuständig. Bei operativen Eingriffen spielen die Spitäler eine wichtige Rolle. Und die Pflege ist nicht nur im Spital, sondern zwischenzeitlich auch zuhause nicht mehr wegzudenken.
Andri Silberschmidt ist Unternehmer, Mitglied des Nationalrates sowie Vizepräsident der FDP.
Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden (Stichwort: unnötige Mengenausweitung), ist es wichtig, dass die involvierten Leistungserbringer eng zusammenarbeiten und ihre Arbeit koordinieren. Um diese Koordination zu stärken, gibt es zwei Ansätze:

1. Mehr Staat, mehr Bürokratie, höhere Kosten.

Der Bundesrat und der Ständerat wollen einen neuen Leistungserbringer schaffen, der zu Lasten der Grundversicherung abrechnen kann. Die bestehenden Leistungserbringer sollen sich – wenn sie dies wollen – in einem neuen Leistungserbringer «koordinierte Versorgung» organisieren. Koordiniert und überwacht werden soll dieser neue Leistungserbringer von den Kantonen.
Das heisst: Ein zusätzlicher staatlicher Kostentreiber im Gesundheitswesen.

2. Bessere Koordination dank einfacherer Zusammenarbeit und Anreizen.

Anstelle zusätzlicher staatlicher Lenkung und mehr Bürokratie braucht es vielmehr Anreize, welche die Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer noch einfacher macht. Ein solcher Anreiz besteht beispielsweise im Abschluss von alternativen Versicherungsmodellen wie dem Hausarzt- oder dem HMO-Modell.
Dass dieser Ansatz erfolgsversprechend ist, zeigt der Blick ins aktuelle Gesundheitswesen: Bereits heute gibt es etliche sehr erfolgreiche Netzwerke, die sich – ganz ohne staatliche Steuerung – koordinieren und die Versorgung gemeinsam stärken.
Darüber hinaus haben der Bundesrat respektive das Parlament bereits drei weitere Massnahmen beschlossen, welche der Koordination förderlich sind und demnächst in Kraft treten werden:
  • Der neue Ärztetarif Tardoc. Dieser berücksichtigt und stärkt die Koordination besser als der überholte Ärztetarif Tarmed.
  • Abschluss von Mehrjahresverträgen in der Grundversicherung. Diese Möglichkeit schafft den Anreiz für Versicherungen, sich an einer langjährigen, koordinierten Gesundheitsplanung zu beteiligen und in die langfristige Gesundheit der Versicherten zu investieren.
  • Aktivierung des Datenschatzes im Interesse der Versicherten. Künftig sollen Versicherungen ihren grossen Datenschatz nutzen können, um Versicherte über kostengünstigere Leistungen, geeignete Versicherungsformen oder präventive Massnahmen zu informieren.
Bevor wir also einen neuen, staatlich gesteuerten Kostentreiber schaffen und die Regulierungsdichte im Gesundheitswesen noch weiter erhöhen, sollten wir die bereits von Bundesrat und Parlament beschlossenen Massnahmen in Kraft treten und ihre Wirkung entfalten lassen.
Zum Thema: Koordinierte Versorgung braucht Anreize – keine neue Regulierung. Hausarztmodelle sind oft ein Rettungsanker für chronisch Kranke. Wenn wir nicht aufpassen, würgt das Spar-Massnahmenpaket des Bundes hier viele Chancen ab. Ein Kommentar von Felix Huber und Guido Klaus.

Das Massnahmenpaket 2

Im September 2022 lancierte der Bundesrat ein Paket mit Anpassungen des Krankenversicherungs-Gesetzes KVG. Ziel: «Die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auf das medizinisch begründbare Mass einzudämmen». Insgesamt sieht das Paket sieben Schritte vor.
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Grafik: BAK

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