Einem Team von Forschern in den USA – sowie Katharina Röltgen vom Tropeninstitut Basel – ist es gelungen, ein Künstliche-Intelligenz-Tool entwickeln, das diverse Infektionen und Erkrankungen auf einmal diagnostizieren kann; dies indem es die Gensequenzen von Immunzellen in Blutproben analysiert.
Das neue Tool zeigte eine bemerkenswerte Genauigkeit bei der Bestimmung, ob die Teilnehmer gesund waren oder an Infektionen wie Covid-19, Diabetes Typ 1, HIV oder einer Autoimmunkrankheit wie Lupus litten. Das System konnte sogar erkennen, ob jemand kürzlich gegen Grippe geimpft worden war – und dies mit nur einer einzigen Analyse.
«Es handelt sich um einen einzigartigen Sequenzierungsansatz, der alles erfasst, dem das Immunsystem ausgesetzt war», kommentiert Sarah Teichmann, Molekularbiologin an der Universität Cambridge, die Ergebnisse
in «Nature».
Die Studie, die an fast 600 Patienten durchgeführt, lieferte offenbar vielversprechende Ergebnisse auf. «Das Ziel ist es, ein Referenzmodell des Immunsystems zu schaffen, mit dem sich alles, was eine Person erlebt hat, zurückverfolgen lässt, um dies mit ihrer Gesundheitsversorgung zu verknüpfen», erklärt Sarah Teichmann. «Bis dahin braucht es noch viele Schritte – aber es ist ein erster Schritt.»
Die Forscher verfolgten einen neuen Ansatz, indem sie die Sequenzen von B- und T-Zellen kombinierten, während sich die meisten früheren Studien auf getrennte Analysen konzentriert hatten. Diese Methode ermöglichte ein vollständigeres Bild der Immun-Aktivität.
Bemerkenswerte Genauigkeit
Das KI-Tool basiert auf sechs Machine-Learning-Modellen. Als es auf die 542 Teilnehmer angewendet wurde, für die vollständige B- und T-Zelldaten verfügbar waren, erzielte es eine Punktzahl von 0,986 – ein Ergebnis, das nahe an der Perfektion liegt (1 entspricht einer perfekten Leistung).
Die Forscher stellten insbesondere fest, dass die Kombination von Daten aus B- und T-Zellen die genauesten Ergebnisse erbrachte. Typ-1-Diabetes und Lupus wiesen ausgeprägtere Signaturen in den T-Zell-Rezeptoren auf, während COVID-19, HIV und Grippe eher über die B-Zell-Rezeptoren nachgewiesen werden konnten.
Der Ansatz beruht auf einer grundlegenden Idee: Das menschliche Immunsystem hilft an sich schon bei der Diagnose. «Das Immunsystem ist ein natürliches Diagnoseinstrument, und wenn wir lernen, wie es diagnostiziert, können wir auch so diagnostizieren», erklärt Victor Greiff, Computerimmunologe an der Universität Oslo.
Wo es noch keine Tests gibt
In Zukunft liesse sich vielleicht untersuchen, ob das Tool nicht nur Krankheiten identifizieren, sondern auch deren Entwicklungsstadium bestimmen kann. Das Forscherteam hofft ausserdem, dass die Sequenzierung des Immunrepertoires zu einem besseren Verständnis der Ursachen für bestimmte Krankheiten führen wird.
Ein vielversprechendes Ergebnis also – aber noch nicht reif für die klinische Anwendung. Maxim Zaslavsky, Co-Autor der Studie und Informatiker an der Stanford University, ist jedoch der Meinung, dass es Klinikern eines Tages helfen könnte, «Krankheiten zu diagnostizieren, für die es heute keine definitiven Tests gibt».