KI erkennt HIV, Covid und Diabetes aus einer einzigen Blutprobe

Durch die Auswertung von Immunzellendaten gelang es einem KI-Tool, mehrere Krankheiten mit bemerkenswerter Genauigkeit zu identifizieren.

, 23. Februar 2025 um 23:00
image
Bild: Testalize.me / Unsplash.
Einem Team von Forschern in den USA – sowie Katharina Röltgen vom Tropeninstitut Basel – ist es gelungen, ein Künstliche-Intelligenz-Tool entwickeln, das diverse Infektionen und Erkrankungen auf einmal diagnostizieren kann; dies indem es die Gensequenzen von Immunzellen in Blutproben analysiert.
Das neue Tool zeigte eine bemerkenswerte Genauigkeit bei der Bestimmung, ob die Teilnehmer gesund waren oder an Infektionen wie Covid-19, Diabetes Typ 1, HIV oder einer Autoimmunkrankheit wie Lupus litten. Das System konnte sogar erkennen, ob jemand kürzlich gegen Grippe geimpft worden war – und dies mit nur einer einzigen Analyse.
«Es handelt sich um einen einzigartigen Sequenzierungsansatz, der alles erfasst, dem das Immunsystem ausgesetzt war», kommentiert Sarah Teichmann, Molekularbiologin an der Universität Cambridge, die Ergebnisse in «Nature».
Die Studie, die an fast 600 Patienten durchgeführt, lieferte offenbar vielversprechende Ergebnisse auf. «Das Ziel ist es, ein Referenzmodell des Immunsystems zu schaffen, mit dem sich alles, was eine Person erlebt hat, zurückverfolgen lässt, um dies mit ihrer Gesundheitsversorgung zu verknüpfen», erklärt Sarah Teichmann. «Bis dahin braucht es noch viele Schritte – aber es ist ein erster Schritt.»
  • Maxim E. Zaslavsky et al.: «Disease diagnostics using machine learning of B cell and T cell receptor sequences», in: «Science» 387, eadp2407, Februar 2025.
  • DOI:10.1126/science.adp2407
Die Forscher verfolgten einen neuen Ansatz, indem sie die Sequenzen von B- und T-Zellen kombinierten, während sich die meisten früheren Studien auf getrennte Analysen konzentriert hatten. Diese Methode ermöglichte ein vollständigeres Bild der Immun-Aktivität.

Bemerkenswerte Genauigkeit

Das KI-Tool basiert auf sechs Machine-Learning-Modellen. Als es auf die 542 Teilnehmer angewendet wurde, für die vollständige B- und T-Zelldaten verfügbar waren, erzielte es eine Punktzahl von 0,986 – ein Ergebnis, das nahe an der Perfektion liegt (1 entspricht einer perfekten Leistung).
Die Forscher stellten insbesondere fest, dass die Kombination von Daten aus B- und T-Zellen die genauesten Ergebnisse erbrachte. Typ-1-Diabetes und Lupus wiesen ausgeprägtere Signaturen in den T-Zell-Rezeptoren auf, während COVID-19, HIV und Grippe eher über die B-Zell-Rezeptoren nachgewiesen werden konnten.
Der Ansatz beruht auf einer grundlegenden Idee: Das menschliche Immunsystem hilft an sich schon bei der Diagnose. «Das Immunsystem ist ein natürliches Diagnoseinstrument, und wenn wir lernen, wie es diagnostiziert, können wir auch so diagnostizieren», erklärt Victor Greiff, Computerimmunologe an der Universität Oslo.

Wo es noch keine Tests gibt

In Zukunft liesse sich vielleicht untersuchen, ob das Tool nicht nur Krankheiten identifizieren, sondern auch deren Entwicklungsstadium bestimmen kann. Das Forscherteam hofft ausserdem, dass die Sequenzierung des Immunrepertoires zu einem besseren Verständnis der Ursachen für bestimmte Krankheiten führen wird.
Ein vielversprechendes Ergebnis also – aber noch nicht reif für die klinische Anwendung. Maxim Zaslavsky, Co-Autor der Studie und Informatiker an der Stanford University, ist jedoch der Meinung, dass es Klinikern eines Tages helfen könnte, «Krankheiten zu diagnostizieren, für die es heute keine definitiven Tests gibt».
  • Diagnostik
  • digital & ki
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

KI in der Medizin? Klar, kein Problem.

Dr. KI auf dem Vormarsch: Künstliche Intelligenz wird in der Bevölkerung zunehmend akzeptiert – für Diagnosen, Zweitmeinungen und zur Früherkennung. Dies besagt eine repräsentative Erhebung in Deutschland.

image

KSW plant Einsatz von Secondhand-Lizenzen

Um Kosten zu sparen will das Kantonsspital Winterthur gebrauchte Microsoft-Lizenzen beschaffen.

image

Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie

Eine aktuelle Studie am Universitätsspital Zürich zeigt: Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie (ssRAB) mit dem Ion Endoluminalsystem erzielt dreifach höhere Diagnoserate bei kleinsten Lungentumoren als herkömmliche Bronchoskopie-Methoden.

image

KI in der Augenheilkunde: Der neue Kollege, den niemand einarbeitet

Künstliche Intelligenz kann Netzhautbilder zuverlässig analysieren. Trotzdem kommt sie im Praxisalltag selten zum Einsatz, wie eine Befragung im DACH-Raum zeigt.

image

Weniger Notfall, mehr Sicherheit: Telemedizin unterstützt Spitex-Teams im Aargau

In einem Pilotprojekt testen Medgate und zwei Spitex-Organisationen den Einsatz von telemedizinischer Expertise in den Wohnungen der Klienten. Sensorikgeräte liefern dabei entscheidende Daten in Echtzeit.

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

Vom gleichen Autor

image

Jetzt definitiv: Sparhammer im Waadtländer Gesundheitswesen

Nach einer mehrstündigen Debatte beschloss das Kantonsparlament in Lausanne, dass Regionalspitäler, Gesundheitszentren, Pflegeheimen und Angehörigenpflege zu sparen.

image

«Historische Abstimmung»: Weg frei für neues Kantonsspital im Jura

Das Hôpital du Jura beantragte eine Garantie über 95 Millionen Franken für ein neues Spital in Délémont. Nach der Regierung gab nun auch das Parlament grünes Licht.

image

Reorganisation bei Swiss Medical Network

Genf und das Waadtland werden in der Region «Arc Lémanique» zusammengefasst, geleitet von Stanley Hautdidier. In der Geschäftsleitung kommt es zu mehreren Veränderungen.