Frutigen verliert Geburtenstation – Aufschrei im Berner Oberland

Schon am 1. April soll die Geburtenstation des Spitals Frutigen schliessen – und der Widerstand wächst. Bevölkerung, Politik und ehemalige Mitarbeitende stemmen sich gegen das rasche Aus.

, 24. März 2025 um 10:50
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Symbolbild/Unsplash
Im Spital Frutigen sollen ab Anfang April keine Kinder mehr zur Welt kommen. Die Spitalgruppe FMI will die Geburtshilfe im Niedersimmental schliessen und nach Interlaken verlegen – offiziell wegen Personalmangels .
Die Nachricht hat in der Region eingeschlagen wie eine Bombe: Innerhalb weniger Tage unterzeichneten über 27'360 Personen eine Petition zur Rettung der Geburtenabteilung. Die Initiantin Nadine Wyssen warnt vor einer «massiven Gefährdung der Patientensicherheit».

«Gschtürm verhindern»

Die Kritik richtet sich gegen die neue Ausrichtung des Spitals Frutigen. Während die FMI Spitäler die Psychiatrie, den Notfall und das stationäre Grundversorgungs-Angebot ausbauen wollen, fällt die Geburtshilfe weg. Für viele in der Region ist das nicht nachvollziehbar – und eine gefährliche Entwicklung. «Geburten bringen kein Geld, deshalb werden sie gestrichen», lautet der Vorwurf in der Petition.
Laut Marco Negri - er war bis 2022 während 20 Jahren Chefarzt am Spital Frutigen -liegt das Grundproblem darin, dass die Geburtshilfe vor rund 15 Jahren aus der Grundversorgung gestrichen wurde. «Sie ist das teuerste Fach und erfordert höchste Notfallbereitschaft», sagte er zur «Berner Zeitung». Das mache sie zur Zielscheibe von Sparmassnahmen. Für ihn ist klar: Die Schliessung sei ein strategischer Entscheid des FMI-Verwaltungsrats gewesen, der unter dem Vorwand von Sicherheitsbedenken als Notfall verkauft worden sei – «um ein Gschtürm zu verhindern».
Der Wegfall der Geburtenabteilung sei nicht nur ein Rückschritt für die Region, sondern eine potenzielle Bedrohung für werdende Mütter, heisst es in der Petition weiter. «Eine Anfahrt von bis zu 40 Minuten nach Interlaken oder Thun kann unter Wehen lebensgefährlich werden», sagt Wyssen. Vor allem für Frauen aus entlegenen Orten wie Adelboden sei die Situation schwierig (Fahrzeit Frutigen ➡️ Interlaken ca. 30 Minuten, Adelboden ➡️ Interlaken ca. 50 Minuten).
Mit der geplanten Schliessung gäbe es im gesamten Berner Oberland nur noch zwei Geburtsstationen: in Thun und Interlaken. Bereits 2015 wurde die Geburtshilfe in Zweisimmen eingestellt.

Politik schaltet sich ein

Der Widerstand gegen die Schliessung der Geburtenabteilung im Spital Frutigen gewinnt an politischer Dynamik: Am Montag lancierten die SP-Frauen des Kantons Bern eine Petition, die den Erhalt der Geburtshilfe fordert. Bereits in der laufenden Frühlingssession hatte Grossrätin Beatrix Hurni eine Motion eingereicht, mit der sie sich für den Fortbestand des Spitals Frutigen und seines bisherigen Leistungsangebots einsetzt – explizit auch für die Geburtenstation.
Zur nun kommunizierten Schliessung äussert sich Hurni in einer Mitteilung der SP Bern mit Bedauern, zeigt sich aber gleichzeitig konstruktiv: «Die Schliessung der Geburtenabteilung bedaure ich sehr, bin jedoch zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der FMI AG, dem Kanton und den betroffenen Gemeinden eine starke integrierte Gesundheitsversorgung aufbauen können. Ein erster wichtiger Schritt ist bereits mit dem Ausbau der psychiatrischen Versorgung und des Notfalls vorgesehen.»
Auch die SVP-Frauen Bern melden sich mit einem offenen Brief zu Wort. Sie sehen in der Entscheidung einen weiteren Rückschritt in der medizinischen Grundversorgung im Berner Oberland. Nach der Schliessung der Geburtenabteilungen in Zweisimmen und Riggisberg sowie der Aufgabe des Spitals Münsingen sei der aktuelle Entscheid ein wiederholter Abbau für die Bevölkerung südlich von Bern. Die kommunizierten Gründe der Spitalleitung, die vom Regierungsrat mitgetragen werden, seien aus Sicht der SVP nicht akzeptabel. Gemeinsam mit Nationalrat Thomas Knutti prüfen die SVP-Vertreterinnen und -Vertreter politische Schritte: «Ein Vorstoss im Kantonsparlament wird von unseren Politikern aktuell geprüft», sagte Bruno Stucki, Präsident der Oberländer SVP, gegenüber der «Berner Zeitung».
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