«Eine bodenlose Frechheit, was sich diese Versicherung leistet»: So lauten heute die Schlagzeilen über der Leserbriefseite des «Blick». In den Kommentaren ergiesst sich ein Schwall von Schmähungen und Kritik über die Krankenkasse Assura – obwohl diese nur die Versicherungsbedingungen eingehalten hat.
Einen alten Fall aufgerollt
Doch von vorne: Es begann mit diesen Schlagzeilen «Vater muss fast 2000 Franken Rettungskosten zahlen». Trotz Zusatzversicherung habe Dieter M. vor drei Jahren eine notfallmässige Ambulanzfahrt für seine suizidgefährdete Tochter selber zahlen müssen.
Dieter M. habe angenommen, dass die Fahrt von der Zusatzversicherung gedeckt sei. Doch die Krankenkasse Assura schrieb ihm: «Gemäss den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist unter Artikel 4, Absatz 4.1.10, Folgendes festgehalten: Deckungsbegrenzungen von: psychischen, psychosomatischen oder neurologischen Krankheiten.» Die Versicherung habe die Transportkosten abgelehnt.
Assura sei «unbeeindruckt»
Weiter schrieb der «Blick», dass sich die Krankenkasse Assura unbeeindruckt gebe. Mediensprecherin Karin Devalte schreibe, dass die Versicherungsbedingungen den Kunden vorab dargelegt würden. Ausserdem seien die Ausschlüsse darin fett hervorgehoben.
Und der Schlusssatz lautete: «Für Dieter M. steht jedoch fest, dass die Assura psychisch kranke Menschen diskriminiert.»
Gefühle gingen hoch
Auch für viele Leserinnen und Leser war der Fall klar. So schreibt eine Bernerin über ihre eigenen Erfahrungen: «Die Assura war meine Albtraumversicherung. Einmal und nie wieder.»
Oder ein Leser fragt entrüstet: «Wissen die nicht, dass die junge Frau an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet?»
Emotionale Versicherung
Die Kommentare zeigen, dass die Krankenversicherung höchst emotional betrachtet wird und nicht als rechtliche Vereinbarung. «Vertraglich mag es korrekt sein», schreibt zum Beispiel ein Leser, «moralisch aber nicht.»
Oder: «Krankenkassen erfinden immer neue Ausreden.» Oder auch: «Ich war auch mal bei dieser Versicherung. Ich habe viel bezahlt, aber nichts erhalten.»
Wenig Wissen
Ausserdem zeigt sich, dass viele Kommentatoren den Unterschied zwischen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und den freiwilligen Zusatzversicherungen nicht kennen. «Die günstigste Krankenkasse liefert halt nicht die gleichen Leistungen wie eine teure. Das sollte eigentlich jedem klar sein», schreibt eine Leserin.
Sie täuscht sich. In der Grundversicherung – und hier ist die Assura tatsächlich oft die günstigste – müssen alle Kassen die gleichen Leistungen liefern.
Frei wählbar
Nur bei den Zusatzversicherungen – und darum geht es im vorliegenden Fall – sind die Kassen völlig frei, was sie für Leistungen anbieten und welche sie ausschliessen. In diesem Bereich können auch die Kunden frei wählen, welche Leistungen sie gedeckt haben möchten und welche nicht.
Geht es um mehr Aufträge?
Einige prangern jedoch auch die Leistungserbringer an: «Ein Transport mit dem Auto wäre kein Problem gewesen. Man hat manchmal das Gefühl, Kliniken, Notfallärzte und Ambulanz-Betriebe schieben sich gegenseitig Aufträge zu.»
Erstaunlicherweise stützen nur drei Kommentare die korrekte Haltung der Versicherung: Ein Leser schreibt: «Man sollte auch das Kleingedruckte im Vertrag lesen.» Eine Leserin fragt sich: «Was soll das Gejammer? Wenn ich einen Vertrag unterschreibe, lese ich alles.»
«Wo ist das Problem?»
Und eine weitere Leserin findet: «Ich sehe das Problem nicht. Die Versicherung hat so gehandelt, wie es in den AGB steht.»