Ein Medizin-Imperium aus dem Supermarkt: Kommt das gut?

Die Migros fügt unermüdlich weitere Bausteine zu ihrem Gesundheitsreich hinzu. Ist die Migros-Medizin ein gutes Rezept für die Schweiz?

, 8. Februar 2023 um 08:04
image
Mittlerweile bietet die Migros sowohl Zeckenimpfungen als auch Nagellack an und bewirbt beides nebeneinander im Migros-Magazin. | em
Psychotherapie? Gibt es von der Migros. Eine Arzt-Konsultation wegen eines verknacksten Fusses? Macht die Migros. Eine Zahnspange? Natürlich bei der Migros. Und eine Augenlid-Straffung oder eine ambulante Leistenbruch-Operation? Von der Migros, woher denn sonst?

Grösste Praxiskette der Schweiz

Besonders mit dem Unternehmen Medbase – mittlerweile eine der 500 grössten Schweizer Firmen – ist die Migros im Gesundheitsmarkt vertreten. Medbase betreibt rund 70 Praxen, über 40 Zahnarztzentren und 50 Apotheken. Zu diesen wird vermutlich nun auch noch die Zur-Rose-Versandapotheke mit ihren acht Filialen hinzukommen, wie Medinside meldete. Diesen 360-Millionen-Franken-Kauf muss allerdings noch die Wettbewerbskommission Weko absegnen.
Was ist vom wachsenden Migros-Gesundheits-Imperium zu halten? Darüber sind die Meinungen geteilt.

Zeit zum Feilschen?

Felix Schneuwly, Gesundheitsexperte beim Vergleichsdienst Comparis, findet es sehr gut, dass sich die Migros im Gesundheitsmarkt immer breiter mache. Im «St. Galler Tagblatt» begründet er das damit, dass mit dem Grossverteiler auf dem Markt nun ein Branchenfremder mitspiele, der es sich aus dem Detailhandel gewohnt sei, um Margen zu feilschen.

Besser bei «Ärbsli und Rüebli» bleiben?

Eine andere Meinung hat ein Migros-Insider, der nicht mit Namen genannt werden will: Er glaubt, dass die Kernkompetenz des Unternehmens «überspitzt gesagt immer noch bei Ärbsli und Rüebli» liege. Er argumentiert nicht nur als Nostalgiker, sondern erklärt: «Im Gesundheitswesen ist die Migros auf Gedeih und Verderb auf aussenstehende Fachleute angewiesen.» Er prophezeit dem Unternehmen ein hartes Geschäft. «Im Gesundheitswesen sind nicht alles Trottel am Werk, die nur noch auf die Heilbringerin Migros warten.»

Zumindest ungewöhnlich

Dass ein Grossverteiler wie Migros in so grossem Stil Unternehmen im Gesundheitswesen aufkauft, ist ungewöhnlich. Das zeigt sich schon nur mit Blick auf die Migros-Konkurrenz Coop. Coop betreibt zwar rund 90 Vitality-Apotheken. Damit hat es sich aber bereits. Offenbar ist sich aber auch Coop bewusst, dass der Gesundheitsmarkt einträglich ist. Neu können Coop-Kunden Superpunkte bei Amplifon sammeln. Derzeit gehört der Mailänder Hörgeräte-Hersteller allerdings nicht zu Coop.

Was auch noch der Migros gehört:

  • Psychotherapie Wepractice: Bisher gibt es acht dieser Psychotherapie-Praxen, geplant sind bis in zwei Jahren 40 Filialen.
  • Seit knapp einem Jahr gehören auch 36 Standorte der Zahnspangen-Anbieters Bestsmile der Migros. Aus dem gleichen Gründerhaus kommen das Augenlaser-Unternehmen Betterview und die Haartransplantations-Praxen Hair & Skin. Sie dürften weitere Übernahme-Kandidaten für die Migros sein.
  • Misenso: Das Brillen- und Hörgeräte-Unternehmen ist in 16 Migros-Filialen vertreten.
er
  • praxis
  • medbase
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Fünf goldene Regeln, wie Ärzte den Patienten Zahlen verständlich machen

Laborwerte, Risiken, Therapieeffekte – viele Aufklärungsgespräche scheitern an medizinischen Zahlen. Doch wie erläutert man, was eine Behandlung bringt? Ein Vorschlag.

image
Gastbeitrag von Esther Wiesendanger

Da sind steigende Gesundheitskosten ja nur logisch

Getrennte Apotheken in Gruppenpraxen, Impfverbote in der Pflege, teure Zusatzkontrollen: Groteske Behörden- und Kassenentscheide lähmen die Versorgung. Sind wir Ärzte eigentlich Komiker?

image

Arzt sein mit Sinn – das ist Medbase.

Der ärztliche Beruf verändert sich – und mit ihm die Erwartungen. Viele Ärztinnen und Ärzte suchen heute mehr als nur eine Anstellung: Sie suchen Wirksamkeit, Gestaltungsspielraum und ein Umfeld, das ihre Werte teilt.

image

Für die Zweitmeinung zu Dr. KI? Kein Problem.

Die meisten Menschen können sich vorstellen, medizinischen Rat bei einem Chatbot zu holen. Und eine klare Mehrheit findet, dass die Ärzte KI-Unterstützung haben sollten. Dies besagt eine Erhebung in Deutschland.

image

Hoher Blutdruck? Setzt auf die Apotheker!

Eine Metastudie ging der Frage nach, welche medizinischen Fachleute die nachhaltigste Verbesserung bei Hypertonie-Patienten erreichen.

image

Verurteilt, Zulassung gestrichen – aber immer noch Arzt in Freiburg

Der Fall eines verurteilten Arztes zeigt die Lücken im System auf: Informationen zwischen den Kantonen gehen verloren – und sie gelangen nicht über die Landesgrenzen.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.