Brustkrebs: Schweiz diskutiert Screenings – KI verändert die Spielregeln

Mehr Treffer, mehr Rückrufe: Eine weitere Studie zur Debatte, wie Künstliche Intelligenz künftig Radiologen ergänzen und ersetzen wird.

, 18. August 2025 um 00:16
letzte Aktualisierung: 9. Oktober 2025 um 07:41
image
So stellt sich eine KI die Befundung durch eine Radiologin vor  |  KI-Bild: Medinside mit Midjourney

Version française
Lässt sich die Brustkrebs-Früherkennung effizienter gestalten, indem man die menschliche Befundung teils durch KI ersetzt? Lässt sie sich verbessern, wenn Radiologen durch KI unterstützt werden? In der Schweiz wurden solche Fragen jüngst eifrig diskutiert – nicht zuletzt, weil die Screening-Programme im Zuge des Tarifsystem-Wechsels neu beurteilt werden.
Eine in «The Lancet» veröffentlichte Studie liefert dazu einen deutlichen Kommentar: Ja, mit KI lassen sich bessere Resultate erzielen. Die Technologie kann die klassische Doppelbefundung durch zwei Radiologen nicht nur ergänzen, sondern sogar übertreffen.
Die retrospektive Kohortenstudie wurde erarbeitet von einem Team aus Spitälern und Universitäten in Nijmegen, Rotterdam, Utrecht und Amsterdam. Die Forscher nahmen die Mammogramme von 42'100 Frauen, die zwischen 2016 und 2018 am niederländischen Brustkrebs-Screening teilgenommen hatten. Die Bilder wurden mit einem KI-System (Transpara Breast Care 1.7.0) neu beurteilt – und die Ergebnisse wurden dann auch verglichen mit der Entwicklung der Patientinnen in den Jahren nach dem Screening. Das Ergebnis:
  • Wenn eine Radiologin oder Radiologe gemeinsam mit der KI die Aufnahmen auswertete, stieg die Sensitivität im Vergleich zur Doppelbefundung um rund 8 Prozent; es wurden also signifikant mehr Tumore erkannt.
  • Die von der KI zusätzlich erkannten Fälle waren auch häufig klinisch bedeutsam, sie erwiesen sich öfter invasiv oder grösser als 20 Millimeter. Die Technologie entdeckt also auch weitere Stellen, die für die Prognose entscheidend sind.
  • Auch bei Frauen mit dichter Brust, deren Röntgenbilder schwerer zu beurteilen sind, zeigte die KI Vorteile.
  • Allerdings kam es auch häufiger zu Wiedereinladungen – mehr Frauen mussten wegen auffälliger Befunde erneut einbestellt werden.
Die Forscher betonen, dass die höheren Rückrufraten – und die damit verbundenen Belastungen für die Betroffenen – bei der Beurteilung berücksichtigt werden müssen.

Der Mix macht's

In ihrem Kommentar sind sie aber für wissenschaftliche Studien dieser Art recht deutlich: «Das Ergebnis impliziert, dass KI die menschliche Screening-Leistung ergänzen kann. KI markiert Läsionen, die für menschliche Radiologen zum Zeitpunkt des Screenings keinen signifikanten klinischen Wert zu haben schienen, in allen Dichtekategorien.»
Und weiter: «Optimale, sichere und praktikable Screening-Szenarien, die menschliche und KI-Befunde kombinieren und dabei ihre unterschiedlichen Aspekte berücksichtigen, könnten am vorteilhaftesten sein, um die Früherkennung von Brustkrebs zu optimieren und günstigere Prognosen zu erzielen.»
Ein teilweise identisches Forscherteam in den Niederlanden veröffentlichte soeben eine Studie, laut der obendrein der Blick der Radiologen dank KI präziser wird: Die Ärztinnen und Ärzte werden damit gezelter auf verdächtige Areale gelenkt.

In Kürze:

  • KI kann Brustkrebs zuverlässiger aufspüren als die herkömmliche Doppelbefundung.
  • Die zusätzlich entdeckten Tumoren sind oft grösser oder aggressiver und damit klinisch relevant.
  • Es kommt häufiger zu Rückrufen – das bedeutet zusätzliche Kontrollen, die auch belastend sein können.
Das Team um Jessie J. J. Gommers vom Radboud University Medical Center in Nijmegen beobachtete dazu mit einem Eye-Tracking-System, wie sich das Blickverhalten beim Lesen von Mammografien mit und ohne KI-Unterstützung unterscheidet. Insgesamt wurden 150 Mammogramme von 12 Fachpersonen analysiert, jeweils zur Hälfte mit und ohne Brustkrebsbefund.
Mit KI-Unterstützung stieg die Treffergenauigkeit der Radiologen. Diese verbrachten mehr Zeit mit tatsächlich betroffenen Bereichen, wenn die KI sie als verdächtig markiert hatte. Die durchschnittliche Sensitivität, Spezifität und Befundungszeit blieben dabei unverändert.

Zum Thema: KI erkennt Herzrhythmusstörungen – bis zu 14 Tage im Voraus. Forschende der Université Paris Cité haben eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen schon Tage vor ihrem Auftreten erkennt. In Tests lag die Trefferquote bei zwei Dritteln – ein möglicher Durchbruch in der Prävention des plötzlichen Herztods.

  • Mammographie
  • Brustkrebs
  • digital & ki
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

KI in der Medizin? Klar, kein Problem.

Dr. KI auf dem Vormarsch: Künstliche Intelligenz wird in der Bevölkerung zunehmend akzeptiert – für Diagnosen, Zweitmeinungen und zur Früherkennung. Dies besagt eine repräsentative Erhebung in Deutschland.

image

KSW plant Einsatz von Secondhand-Lizenzen

Um Kosten zu sparen will das Kantonsspital Winterthur gebrauchte Microsoft-Lizenzen beschaffen.

image

Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie

Eine aktuelle Studie am Universitätsspital Zürich zeigt: Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie (ssRAB) mit dem Ion Endoluminalsystem erzielt dreifach höhere Diagnoserate bei kleinsten Lungentumoren als herkömmliche Bronchoskopie-Methoden.

image

KI in der Augenheilkunde: Der neue Kollege, den niemand einarbeitet

Künstliche Intelligenz kann Netzhautbilder zuverlässig analysieren. Trotzdem kommt sie im Praxisalltag selten zum Einsatz, wie eine Befragung im DACH-Raum zeigt.

image

Weniger Notfall, mehr Sicherheit: Telemedizin unterstützt Spitex-Teams im Aargau

In einem Pilotprojekt testen Medgate und zwei Spitex-Organisationen den Einsatz von telemedizinischer Expertise in den Wohnungen der Klienten. Sensorikgeräte liefern dabei entscheidende Daten in Echtzeit.

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

Vom gleichen Autor

image

Stadtspital Zürich: Neuer Chef für die Innere Medizin

Andreas Schoenenberger wechselt von der Thurmed-Gruppe ans Stadtspital. Er wird damit auch Mitglied der Spitalleitung.

image

Knie- und Hüftimplantate: Immer weniger Folgeeingriffe nötig

Die 2-Jahres-Revisionsraten bei Hüft- und Knieprothesen sinken weiter leicht oder bleiben stabil. Die Daten deuten eine zunehmend einheitliche Versorgungsqualität in der Schweiz an.

image

Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.