Datenanalyse: Antibiotikaresistenz wird zum Altersproblem

Der Anteil der Todesfälle wegen Resistenzen sank in den letzten Jahren. Aber die gesellschaftliche Alterung dürfte das Problem nun verschärfen.

, 17. September 2024 um 07:00
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Durch einen erleichterten Zugang zu Antibiotika liessen sich über 90 Millionen Todesfälle bis 2050 vermeiden. Symbolbild: Testalize.me on Unsplash
In den kommenden 25 Jahren könnten weltweit mehr als 39 Millionen Menschen an Infektionen sterben, gegen die Antibiotika wirkungslos geworden sind. Bei weiteren 169 Millionen Todesfällen könnten solche Erreger zumindest eine Rolle spielen. Das zeigt eine neue Studie, die im Fachjournal «The Lancet» veröffentlicht wurde.
Hauptursache für die Zunahme von Resistenzen sei der übermässige und unsachgemässe Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin.
«Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Bedrohung durch Resistenzen gegen antimikrobielle Medikamente zunimmt», sagt der leitende Autor Mohsen Naghavi von der University of Washington. Es sei entscheidend, die bisherigen Trends bei Todesfällen zu verstehen, um zukünftige Leben zu schützen.
Betroffen sind vorallem ältere Menschen: Bei Kindern unter fünf Jahren wurden die resistenzbedingten Todesfälle um 50 Prozent reduziert, bei Menschen ab 70 Jahren stieg die Zahl um 80 Prozent.
Laut den Forschern sei dieser Anstieg auf die geringere Wirksamkeit von Impfstoffen und Medikamenten bei älteren Menschen sowie auf häufige Vorerkrankungen zurückzuführen. Die positive Entwicklung bei Kleinkindern führen sie auf Impfkampagnen und bessere Hygienestandards zurück, die insbesondere resistente Streptococcus pneumoniae und andere Erreger eindämmen konnten.
  • Mohsen Naghavi, Stein Emil Vollset, Kevin S. Ikuta, … Christopher Murray, et al.: «Global burden of bacterial antimicrobial resistance 1990–2021: a systematic analysis with forecasts to 2050», in: «The Lancet», September 2024.
  • DOI: 10.1016/S0140-6736(24)01867-1
Das Forschungsteam um Christopher Murray von der University of Washington in Seattle analysierte 520 Millionen Datensätze, um die Entwicklung der Antibiotikaresistenzen von 1990 bis 2021 in einem Computermodell nachzuvollziehen. Auf dieser Basis wurde eine Prognose für die kommenden Jahre erstellt.
Positiv ist: Durch bessere Behandlungsmethoden und einen erleichterten Zugang zu Antibiotika könnten bis zu 92 Millionen Todesfälle zwischen 2025 und 2050 vermieden werden.

Datenerfassung

Das tatsächliche Ausmass des Problems mit Resistenzen sei jedoch schwer festzustellen, heisst es in der Studie. Treten bei einer Krebserkrankung beispielsweise Komplikationen durch resistente Keime auf, werde die Todesursache meist dem Krebs zugeschrieben.
Um das Problem umfassend zu erfassen, nutzten die Forscher Entlassungsdaten aus Spitälern, Informationen zu Todesursachen, Resistenzprofile von Medikamenten, Umfragen zur Nutzung von Antibiotika und viele weitere Quellen.
Ihre Analyse ergab, dass seit 1990 jährlich weltweit mehr als eine Million Menschen wegen antimikrobieller Resistenzen starben. Die Zahl der Todesfälle stieg dabei von 1,06 Millionen im Jahr 1990 auf 1,14 Millionen im Jahr 2021.
Allerdings: Berücksichtigt man das Bevölkerungswachstum, sank die Todesrate pro 100'000 Menschen von 19,8 (1990) auf 14,5 (2021).

Prognosen

Die alternde Bevölkerung könnte die Situation verschärfen. Da die Gruppe der über 64-Jährigen in den kommenden Jahren am schnellsten wachsen wird, könnte die Zahl der resistenzbedingten Todesfälle bis 2050 auf 1,91 Millionen pro Jahr steigen. Insgesamt könnte die Zahl der Todesfälle, bei denen resistente Keime eine Rolle spielen, von 4,71 Millionen (2021) auf 8,22 Millionen (2050) anwachsen.
Die Forschenden fordern daher neue Strategien: Impfstoffe, neue Medikamente, verbesserte Gesundheitsversorgung und ein besserer Zugang zu vorhandenen Antibiotika sowie deren effektive Anwendung könnten das Risiko schwerer Infektionen deutlich reduzieren, so Stein Emil Vollset vom Norwegian Institute of Public Health.
Die Antibiotika-Krise betrifft nicht nur Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Auch in wohlhabenden Regionen wie den USA und Kanada sind die resistenzbedingten Todesfälle zwischen 1990 und 2021 stark angestiegen. Bis 2050 werden die höchsten Zuwachsraten in Südasien, Lateinamerika und der Karibik erwartet.

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