Cancer Survivors: «Es gibt eklatante Versorgungslücken»

Bis 2030 wird es in der Schweiz rund eine halbe Million Krebs-Langzeitüberlebende geben. Auf die Herausforderungen sei man nicht vorbereitet, sagt Jörg Beyer, Chefarzt Onkologie am Inselspital.

, 13. Mai 2024 um 14:37
letzte Aktualisierung: 25. November 2024 um 08:06
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«Früh erfasst und behandelt, lassen sich die Herausforderungen besser managen»: Onkologe Jörg Beyer  |  Bild: Inselspital / Tumorzentrum Bern
Der Kanton Aargau beschloss unlängst, die Cancer-Survivorship-Sprechstunde am Kantonsspital Baden AG (KSB) mit 660'000 Franken zu unterstützen. Das Pilotprojekt hat den Aufbau einer langfristigen medizinischen Nachsorge für (ehemalige) Krebspatienten zum Ziel, so die Mitteilung. Solche Angebote existieren bereits in den Kantonen Bern, Luzern und St. Gallen.
Denn: Über 50 Prozent der Krebspatienten können heute langfristig geheilt werden. Rund zwei Drittel von ihnen führen nach der Krebsbehandlung wieder ein normales Leben: Sie sind sozial integriert, gehen einer Arbeit nach und haben eine normale Lebenserwartung.
«Bei den Krebstherapien tut sich unglaublich viel, was zu einem höheren Langzeitüberleben führt. Was dieses Überleben langfristig bedeutet, darauf sind wir nicht vorbereitet.» — Jörg Beyer Chefarzt Onkologie am Insel-Spital Bern
Bei rund einem Drittel, so die Schätzungen der Krebsliga, ist der Leidensdruck allerdings hoch bis sehr hoch. Sie kämpfen mit Funktionseinschränkungen einzelner Organe, verminderter Leistungsfähigkeit, psychischen Beschwerden. An Angeboten für diese Menschen mangelt es.
Zwar sei der Hausarzt für viele «Cancer Survivors» die geeignete Anlaufstelle nach einer Krebstherapie. Wenn allerdings jemand mit schweren Symptomen kämpft, findet er kaum Angebote – «auch weil solche Leistungen nicht im Tarmed abgebildet sind», erklärt Jörg Beyer, Onkologe am Inselspital Bern gegenüber Medinside.
Und gerade bei hochkomplexen Fällen kämen die Hausärzte fachlich häufig an ihre Grenzen.

Langfristiges Überleben

«Bei den Krebstherapien tut sich unglaublich viel, was zu einem höheren Langzeitüberleben führt. Was dieses Überleben langfristig bedeutet, das geht allerdings vergessen», sagt Jörg Beyer: «Darauf sind wir nicht vorbereitet.» Seit Jahren schon setzt er sich für die Belange Krebsüberlebender ein und sieht sich vor allem mit strukturellen Problemen konfrontiert. «Es gibt kaum Forschung zum Thema, Cancer Survivor Sprechstunden müssen querfinanziert werden, entsprechende Medizin wird nicht bezahlt», so Beyer.
Er spricht denn auch von «dramatischen, eklatanten Versorgungslücken in der Schweiz».
Gemäss Krebsliga wird bis 2030 die Zahl Langzeitüberlebender von heute 370'000 auf 500'000 ansteigen.
Die Krankenversicherung finanziert die Angebote nicht, auch wenn die Folgen oft ein Vielfaches kosten. «Früh erfasst und behandelt, lassen sich die Herausforderungen besser managen, als wenn die Gesundheitsprobleme chronifiziert sind», betont der Insel-Onkologe. Nicht nur könne dadurch die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden, positive Auswirkungen zeigen sich auch auf sozioökonomischer Ebene.
  • Das Hauptproblem der Cancer Survivors ist der Umgang mit Langzeitnebenwirkungen und Spätfolgen von Krankheit und Therapie.
  • Denn viele Krebsbetroffene leiden noch Jahre nach der Erkrankung an psychischen oder physischen Folgen von Krebs.
  • Körperliche Beschwerden umfassen z.B. chronische krebsbedingte Müdigkeit oder Herz-Kreislauf-Probleme.
  • Ebenso hat eine überstandene Krebserkrankung häufig psychische Auswirkungen zur Folge, wie z.B. die Angst vor einem Rückfall.
  • Beides beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen und ihres Umfelds erheblich und hat auch sozioökonomische Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

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