Antibiotikaresistenz: Neue Sensoren sollen Superkeime früh erkennen

Um Infektionen mit resistenten Bakterien schneller und gezielter behandeln zu können, entwickeln Empa und ETH-Forschende Sensoren, die gefährliche Keime frühzeitig identifizieren.

, 1. April 2025 um 12:58
image
In den Empa-Labors wird an Antibiotikaresistenz-Sensoren gearbeitet, deren Farbstoffe auf bestimmte Bakterien reagieren. Bild: Empa
Die weltweite Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime bringt die medizinische Versorgung zunehmend an ihre Grenzen. Schätzungen zufolge könnte die Zahl der Todesfälle durch multiresistente Bakterien im Jahr 2028 ähnlich hoch sein wie vor der Entdeckung des Penicillins – also vor rund 100 Jahren.
Die WHO warnt vor einer «stillen Pandemie» – mit Kosten in Milliardenhöhe.
Ein Hauptgrund: Antibiotika werden oft eingesetzt, bevor klar ist, welcher Erreger vorliegt. Weil klassische Diagnosen Tage dauern, wird in Notfällen auf Laborresultate verzichtet – mit dem Risiko unwirksamer Therapien und weiterer Resistenzen.
Um dem entgegenzuwirken, entwickeln Empa-Forschende gemeinsam mit klinischen Partnern neue diagnostische Verfahren. Mithilfe innovativer Sensoren sollen resistente Erreger schneller erkannt und individuelle, wirksame Therapien frühzeitig eingeleitet werden können, so die Mitteilung.


image
Illustration: Empa

Superkeim

Multiresistente Bakterien treten besonders häufig im Zusammenhang mit im Spital erworbenen Infektionen auf – etwa bei Lungenentzündungen. Einer der häufigsten Erreger solcher Pneumonien ist Klebsiella pneumoniae, ein gefürchteter Superkeim. Um ihn frühzeitig nachweisen zu können, entwickelt Empa-Forscherin Giorgia Giovannini vom Labor «Biomimetic Membranes and Textiles» gemeinsam mit dem Kantonsspital St. Gallen einen neuartigen Sensor: Liegt eine Infektion vor, beginnt dieser fluoreszierend zu leuchten.
Denn der Sensor reagiert auf das bakterielle Enzym Urease, das von Klebsiella pneumoniae produziert wird. Sobald die Urease das Polymer zersetzt, wird das Leuchten des Farbstoffs sichtbar – ein Signal für das Vorhandensein des Erregers.
Die Diagnostikmethode basiert auf einfachen Proben, etwa einem Rachenabstrich oder einer Sputumprobe. Dadurch könnte sich die Identifikation des Erregers auf wenige Stunden verkürzen – statt wie bisher mehrere Tage auf Laborkulturen warten zu müssen.

Schnelle Diagnose

Infizierte Wunden gehören ebenfalls zu den häufigsten Eintrittspforten für antibiotikaresistente Erreger. Um diese frühzeitig zu erkennen, entwickelt ein Team um die Empa-Forschenden Luciano Boesel und Giorgia Giovannini gemeinsam mit dem Kantonsspital St. Gallen einen neuartigen Multisensor-Verband. Die Technologie basiert auf Silica-Nanopartikeln, die in einem widerstandsfähigen Hydrogel aus bioverträglichen Polymeren eingebettet sind. In das Verbandmaterial integriert, soll der Sensor auf spezifische Ausscheidungen von Bakterien reagieren.
Besonders gefährlich sind hochresistente Wundkeime wie Staphylococcus aureus. Diese Bakterien produzieren das Enzym Beta-Lactamase, mit dem sie bestimmte Antibiotika unwirksam machen.
Der Sensor enthält Farbstoffe, die durch dieses Enzym gespalten werden: Ist der Keim vorhanden, leuchtet der Verband unter UV-Licht auf – ein klares Warnsignal. Zusätzlich kann der Sensor Veränderungen im Säure-Basen-Gleichgewicht in der Wunde anzeigen, was weitere Hinweise auf eine Infektion liefert. Das Ziel: eine rasche, kostengünstige Diagnose direkt am Patientenbett und eine individuell angepasste Wundbehandlung.

image
Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist gegen viele Antibiotika unempfindlich und kann zu schweren Lungenentzündungen, Harnwegsinfekten oder einer Sepsis führen. Liegt eine bakterielle Infektion vor, ist die Geschwindigkeit und Präzision, mit der der Keim identifiziert wird, entscheidend für das Überleben der Infizierten. Bild: Empa

Harnwegsinfektionen

Auch Harnwegsinfektionen, etwa durch Katheter im Spital, sind ein häufiges Einfallstor für resistente Keime – darunter das Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa. Ein Forschungsteam der Empa und der ETH Zürich hat ein Verfahren entwickelt, das diesen Erreger schnell und präzise identifiziert. Dabei kommen magnetische Nanopartikel zum Einsatz, die mit Eiweissbausteinen versehen sind, welche gezielt an Pseudomonas aeruginosa binden. Die Bakterien lassen sich so aus einer Urinprobe über ein Magnetfeld isolieren.
Im Anschluss testen die Forschenden die Antibiotika-Empfindlichkeit mit einem Chemilumineszenz-Verfahren: Leuchtet die Probe, sind die Bakterien resistent; bleibt sie dunkel, wirkt das Antibiotikum. «Der gesamte Resistenztest dauert rund 30 Minuten – im Vergleich zu mehreren Tagen bei herkömmlichen Bakterienkulturen», sagt Qun Ren, Gruppenleiterin am Empa-Labor «Biointerfaces» in St. Gallen. So lässt sich innert kurzer Zeit die geeignete Therapie bestimmen – und die Gefahr weiterer Resistenzen verringern.

Pflaster warnt vor Wundkeimen

    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    KSA: Verstärkung für die Frauenklinik

    Mir Fuad Hasanov wir neuer Leitender Arzt Gynäkologie und stv. Chefarzt Frauenklinik am Kantonsspital Aarau.

    image

    So erging es den Schweizer Psychiatrien 2024

    Stabile Nachfrage und bessere Ergebnisse – ein Überblick zur wirtschaftlichen Lage psychiatrischer Kliniken in der Schweiz.

    image

    Kinder-Medikamente: Bund erlaubt Import

    Die Schweiz erlaubt vorübergehend die Einfuhr bestimmter Kinderarzneimittel – falls es einen Mangel geben sollte.

    image

    Berner Spitäler stellen sich neu auf

    Mit der Gründung des Berner Spitalverbands schliessen sich die bisherigen Verbände diespitäler.be und VPSB offiziell zusammen.

    image

    Stéphan Studer verlässt Hirslanden und geht zur Groupe Mutuel

    Der COO der Hirslanden-Gruppe geht. Das Unternehmen verliert den Chef an die Krankenkasse Groupe Mutuel.

    image

    KSA und Barmelweid erhalten höchsten Weiterbildungsstatus

    Mit der gemeinsamen Weiterbildungsoffensive reagieren das KSA und die Klinik Barmelweid auf den wachsenden Fachkräftemangel in der Pneumologie.

    Vom gleichen Autor

    image

    SoH: Mehr Patienten, mehr Ertrag – aber erneut Verluste

    Rekorderträge und steigende Fallzahlen haben 2024 nicht ausgereicht, um die Solothurner Spitäler aus den roten Zahlen zu holen: Sie verzeichnen einen Verlust von 29,4 Millionen Franken.

    image

    Vom Spital Wetzikon nach Lugano

    Thomas Greuter verlässt das GZO Spital Wetzikon und wird Professor an der Università della Svizzera italiana. Zugleich wird er Chefarzt Gastroenterologie am Ente Ospedaliero Cantonale in Lugano.

    image

    Pallas Kliniken und Labor Team spannen zusammen

    Die Pallas Kliniken haben eine strategische Zusammenarbeit mit dem «Labor Team» für die Bereiche Aesthetics und Dermatologie beschlossen.