Auf Wunsch des Personals: Deutsches Spital testet wieder 12-Stunden-Schichten

In der Schüchtermann-Klinik wird eine alte Arbeitszeit-Variante neu getestet: lange Schichten, mehr Freitage.

, 7. Dezember 2023 um 09:31
image
Lange Tage heisst nicht mehr Stress: Pflegepersonal der Schüchtermann-Klinik  |  Bild: PD / facebook.com/schuechtermann
Die Schüchtermann Klinik in Niedersachsen ist eines der grossen Herzzentren in Deutschland. Rund 8'000 stationären Patienten werden jährlich dort behandelt. Derzeit läuft dort ein neuer Schichten-Test: In einer Station kann das Pflegepersonal wählen, ob es 12-Stunden-Tage leisten will – und dafür mehr Freitage bekommt. Oder aber jemand bleibt beim bekannten 3-Schichten-Modell. Wobei es auch die Möglichkeit gibt, zwischen den beiden Modellen zu pendeln.
Konkret lautet die Formel: zwei 12-Stunden-Schichten führen zu einem zusätzlichen freien Tag. Laut einem Bericht des Senders NDR ergaben die Fragebogen-Umfragen bislang, dass das neue Angebot geschätzt wird. Fast alle Pflegenden empfanden die langen Schichten als stressfreier als die klassischen Dienste – zum Beispiel, weil sich viele Arbeiten freier einteilen lassen.

Gute Noten

Auslöser für den Test war das bekannte Problem der Fluktuation und der Absprünge. Als die Pflegenden in diesem Zusammenhang nach ihren Idealvorstellungen gefragt wurden, kam der Wunsch nach diesem Modell aufs Tapet.
Nun prüft die Klinikleitung, das System fix einzuführen. Wobei es dazu auch noch einige Bewilligungen braucht. Für das Pilotprojekt musste der Betriebsrat zustimmen – und das Gewerbeaufsichtsamt musste eine Ausnahmeregelung bewilligen.
  • Zum Thema: Diese Leute arbeiten 100 Prozent – aber nur 4 Tage pro Woche. Das Klinikum Fürth in Deutschland testet die 4-Tage-Woche im OP-Betrieb.
Erstaunlich ist das Ergebnis, weil die 12-Stunden-Schichten in den Spitälern in den vergangenen Jahrzehnten eher zurückgedrängt wurden – aus arbeitsrechtlichen Gründen und weil die Betroffenen die langen Arbeitstage auch wenig schätzten.
Im Jahr 2015 erteilte eine grosse internationale Erhebung der 12-Stunden-Schicht zum Beispiel eher schlechte Noten. Befragt wurden damals Pflegefachleute in zwölf europäischen Staaten – darunter der Schweiz –, wobei in jedem Land die Angestellten von mindestens dreissig Spitälern befragt wurden. Am Ende flossen die Stimmen von über 31'000 Personen ein.
Die Pflegeprofis wurden befragt nach Schichtlängen und Überstunden, nach Zufriedenheit und nach Burnout-Indikatoren (mit den Masstäben des Maslach Burnout Inventory); aber auch nach der Absicht, die aktuelle Stelle innerhalb der nächsten zwölf Monate zu kündigen.
Schlecht waren die Ergebnisse eigentlich nicht. Denn zum einen zeigte sich doch eine erhebliche Zufriedenheit mit dem Job: Bloss etwas mehr als ein Viertel der Befragten äusserten sich «ein bisschen» oder «sehr unzufrieden» mit ihrer beruflichen Situation – was heisst, dass eine satte Mehrheit ihrer beruflichen Lage gute Noten gibt.
Insgesamt wendete sich jedoch das Bild zum Schlechteren, wenn die Befragten vor der Befragung in Schichten von 12 Stunden und mehr gearbeitet hatten. Hier zeigten sich 40 Prozent unzufrieden – und auch bei anderen Punkten waren die Werte düsterer:
  • Die Quote jener, die demnächst kündigen wollten, war um 31 Prozent höher als bei ihren Kolleginnen und Kollegen, die im 3-Schichten-System arbeiteten.
  • 10 Prozent zeigten in allen drei Burnout-Dimensionen an (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, Leistungsfähigkeit); und ein Viertel bei mindestens einem Punkt.
«Wir fanden heraus», so denn ein Fazit der Autoren, «dass Schichten von 12 oder mehr Stunden einhergehen mit mehr Burnout-Berichten, höherer Unzufriedenheit im Job, weniger Zufriedenheit mit der Arbeitszeit-Planung und einer stärkeren Kündigungsabsichten.»
NDR-Beitrag über das Pilotprojekt an der Schüchtermann-Klinik:


    Artikel teilen

    Loading

    Comment

    2 x pro Woche
    Abonnieren Sie unseren Newsletter.

    oder

    Mehr zum Thema

    image

    Orthopädie: Von diesen fünf Behandlungen wird abgeraten

    Die Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie hat ihre Liste der unnötigen Abklärungen und Therapien veröffentlicht.

    image

    Reha Dussnang: Neuer Ärztlicher Direktor und Chefarzt

    Seit Anfang Juli ist Harry H. Gebhard Leiter des Bereichs Muskuloskelettale Rehabilitation (MSK). Er folgt auf Stephan Schlampp.

    image

    HFR macht Herz-Eingriff ohne Röntgen

    Freiburger Kardiologen überwachen den Eingriff gegen Vorhofflimmern mit Ultraschall statt mit einem Röntgengerät.

    image

    Pharmasuisse führt mit der FMH das E-Rezept ein

    Den Apotheken ist es ernst mit dem elektronischen Rezept. Sie beteiligen sich am Digital-Netz HIN, das der FMH gehört.

    image

    Ultraformer MPT - HIFU at its Best!

    Nicht-invasives Facelifting, Hautstraffung und Körperkonturierung: Der Ultraformer MPT bekämpft Erschlaffung, Falten und Zeichen der Hautalterung. Die neue ULTRAFORMER Serie MPT ist sicherer, behandelt 10 x mehr Gewebevolumen und maximiert die Effizienz des MMFU (Micro & Macro focused Ultrasound.)

    image

    Studie: Unser Gesundheitswesen ist eine CO2-Schleuder

    Der Gesundheitssektor verursacht fast 7 Prozent der Schweizer Treibhausgas-Emissionen. Im internationalen Vergleich steht die hiesige Branche nicht allzu sauber da.

    Vom gleichen Autor

    image

    FDA bewilligt weiteres Alzheimer-Medikament

    Kisunla brachte bei Patienten im Frühstadium offenbar signifikante Verbesserungen. In den USA wird die Behandlung rund 30'000 Franken pro Jahr kosten.

    image

    Psychiatrie-Zentrum Engadin / Südbünden zieht ins Spital Samedan

    Die heutigen PDGR-Standorte in Samedan und St. Moritz werden aufgelöst.

    image

    Gesucht: 14'700 Profis für das Gesundheitswesen

    In der Schweiz waren in den letzten Monaten etwas weniger Stellen offen als zu Jahresbeginn – sogar im Gesundheitsbereich. Ausnahme: die Ärzte.