«Jagd nach italienischen Krankenschwestern»

Italiens Pflegepersonal arbeitet lieber in der Schweiz – wegen der höheren Löhne. Neue Einkommenssteuern könnten den Exodus eindämmen.

, 30. November 2022 um 07:00
image
Antonio de Palma ist der Präsident der italienischen Krankenpflege-Gewerkschaft Nursing-Up. | Youtube
Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat bei seinem derzeitigen Besuch in Bern ein dringendesThema zu besprechen: die neue Besteuerung der Grenzgänger, der so genannten «Frontalieri». Sie sollen künftig sowohl eine Quellensteuer in der Schweiz als auch eine reguläre Einkommenssteuer in Italien entrichten. Bisher mussten sie in Italien gar keine Steuern zahlen.

Einkommen: Hoch und steuerfrei

Das machte es bisher für italienisches Pflege- und Ärztepersonal besonders attraktiv, in der Schweiz zu arbeiten. Und umgekehrt war es für Schweizer Spitäler und Heime bisher einfacher, neues Personal in Italien zu gewinnen.
Kürzlich wurde sogar bekannt, dass das Kantonsspital Aarau (KSA) extra nach Italien reist, um vor Ort zehn Pflegefachpersonen zu rekrutieren.

Journalist frohlockte über «Jagd»

Auch das italienische Gesundheitsmagazin «Nurse24» machte diese Woche Werbung für Anstellungen in Schweizer Spitälern und privaten Pflegeheimen. Die Schweiz habe so grossen Mangel an Pflegepersonal, dass es regelrecht eine «Jagd nach italienischen Krankenschwestern» gebe, frohlockte der Journalist.
Die Löhne im Italienischen Gesundheitswesen sind so tief, dass die italienische Krankenpflege-Gewerkschaft Nursing Up offiziell dazu aufruft, sich eine Stelle in der Schweiz zu suchen. Italienisches Pflegepersonal dürfe «grossartige Perspektiven und Einstiegsgehälter bis 2300 Euro pro Monat» erwarten, erklärt der der Präsident Antonio De Palma.

Anleitung zur Arbeitssuche in der Schweiz

Italien habe den «wenig beneidenswerten Rekord eines der absolut niedrigsten Gehälter» in diesem Bereich. Und weiter: Die Arbeitssuche im Ausland sei kein schwieriges Unterfangen. Eine medizinische Fachkraft, die sich bei einer Schweizer Einrichtung bewerben möchte, müsse lediglich für rund 500 Euro die Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation beim Schweizerischen Roten Kreuz beantragen.
Wie abhängig die Schweiz von ausländischem Gesundheitspersonal ist, zeigt diese Statistik, die Medinside während der Corona-Pandemie veröffentlicht hat. Sie zeigt, dass rund die Hälfte des Pflegepersonals im Tessin aus dem Ausland kommt. Beim ärztlichen Personal sind es 44 Prozent.

Mit neuen Steuern weniger verlockend

Das neue Grenzgängerabkommen mit Italien könnte nun aber doch einigen italienischen Pflegefachpersonen die Arbeit in Schweizer Spitälern und Heimen etwas weniger verlockend erscheinen lassen. Denn sie müssen dann einiges mehr Steuern entrichten für den höheren Lohn, den sie in der Schweiz erhalten.
Das Schweizer Parlament hiess das Abkommen im vergangenen März gut. Gestern hat Bundesrat Ignazio Cassis den italienischen Präsidenten daran erinnert, dass nun auch das italienische Parlament dem Abkommen zustimmen sollte.

Schweiz will kein Steuerparadies mehr sein

Dass die Schweiz noch immer auf der schwarzen Liste Italiens zu den Steuerparadiesen steht, bezeichnete Cassis als «unnötiges Ärgernis». Es sei insbesondere auf symbolischer Ebene wichtig, dass die Schweiz von der Liste verschwinde, erklärte der Bundespräsident.
  • pflege
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Tertianum wehrt sich gegen «Bussen-Vorwurf»

Die Tertianum-Heime würden Bewohner unrechtmässig büssen, kritisiert ein Konsumentenmagazin. Tertianum kontert: Es sei eine Gebühr.

image

Bekommen HF-Pflegefachleute einen attraktiven Titel?

Diplomierte Pflegefachleute von einer Höheren Fachschule (HF) dürfen keinen Bachelor- oder Master-Titel tragen. Doch bald könnte das ändern.

image

Pflegehelfer erschleicht sich Jobs mit gefälschtem Diplom

Ein Pflegehelfer aus der Zentralschweiz hat sich selbst ein gefälschtes Diplom ausgestellt und sich damit bei Spitälern beworben. Nun wurde er dafür verurteilt.

image

So viele Pflegefachkräfte werden in der Schweiz gesucht

Die Schweiz zählt immer noch viele offenen Stellen. An der Spitze der gesuchtesten Personen befinden sich nach wie vor Pflegefachkräfte. Danach folgen Elektromonteure.

image

Bald treffen beim Regionalen Pflegezentrum Baden die Bagger ein

Mit diversen Neu- und Umbauten entstehen beim RPB rund 300 Pflegebetten sowie 86 Alterswohnungen. Kostenpunkt des Projekts: 160 Millionen Franken.

image

Pflege braucht Pflege – der «Pflexit» findet statt

SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen erklärt, wie der «Pflexit» zu stoppen ist.

Vom gleichen Autor

image

Saanen plant Luxusklinik mit Hausärzten

Neben dem Nobelkurort Gstaad könnte eine Privatklinik mit Spitzenmedizin für Gutbetuchte entstehen. Samt einer Hausarztpraxis für Einheimische.

image

Ein Arzt wirbt für sein Restaurant - das ist erlaubt

Ein Hautarzt betreibt ein Restaurant und macht Werbung dafür. In der Schweiz darf er das – solange sich niemand darüber beschwert.

image

Medizinstudium in der Schweiz: Für Deutsche ein Traum

In der Schweiz Medizin studieren: das würden viele Deutsche gerne. Doch die Hürden sind für die meisten zu hoch.