Zuerst hiess es, der Kanton würde dem Spital Uster den Leistungsauftrag nur provisorisch erteilen. Dann erteilte er ihn im Herbst 2022 dennoch definitiv. Herr Greulich, was hindert Sie daran, jetzt einfach zurückzulehnen?
Der Leistungsauftrag ist mit drei Auflagen verbunden: Die Ebitda-Marge sollte sich in Richtung von 8 Prozent bewegen; bei den Fallkosten müssen wir uns in die Nähe anderer Regionalspitäler bewegen und drittens soll die Eigenkapitalquote mindestens 30 Prozent betragen.
Ist die Ebitda-Marge von 8 Prozent realistisch?
Es war schon von Anfang an klar, dass dieses Ziel sehr ambitioniert ist. Der Leistungsauftrag wird jedoch nicht automatisch gekündigt, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Wichtig ist, dass die Richtung stimmt. Im Mai 2025 wird eine Neubeurteilung vorgenommen.
Andreas Greulich ist seit Anfang 2020 Direktor des Spitals Uster. Im Februar 2020 wechselt er zur Hirslanden-Gruppe, wo er die
Leitung der Klinik Birshof übernehmen wird. Greulich, Jahrgang 1964 und diplomierter Krankenhaus-Betriebswirt, begann seine Karriere im Controlling des Universitäts-Klinikum Frankfurt. Von 1998 bis 2009 war er Departements-Manager Herz und Gefässe am Inselspital, bevor er ab 2009 die Bereiche Anästhesiologie, Intensivmedizin und OP-Management am USZ leitete. 2017 wurde er CEO der Klinik Lengg in Zürich, drei Jahre später erfolgte dann der Wechsel nach Uster.
Dieses Interview erschien erstmals im Juli 2023.
Wo stehen Sie bei den Fallkosten?
Hier sprechen wir von den anrechenbaren Kosten im akutstationären Bereich. Diese sind bei uns im Vergleich zu anderen Regionalspitälern zu hoch. Idealerweise sollten wir im regionalen Ranking nicht mehr auf dem letzten Platz stehen – mindestens auf dem vorletzten Platz.
Gibts schon eine Trendmeldung?
Die Vergleichszahlen für 2022 haben wir von der Gesundheitsdirektion noch nicht erhalten. Wir wissen aber, dass wir gegenüber dem letzten und auch gegenüber dem vorletzten Jahr Fortschritte gemacht haben.
Hatte das Spital nicht ab Januar einen ziemlichen Einbruch erlebt?
Seit Covid haben wir in den Spitälern das Phenomen, dass die Patientenströme, die man klassischerweise kennt, nicht mehr vorhersehbar sind. Vom Spätherbst bis zum Frühjahr waren die Spitäler typischerweise voll. Im Sommer nahm dann das Volumen ab. Darauf konnte man sich mit den Vorhalteleistungen einstellen. Im letzten Jahr hatten wir dann bis in den Sommer hinein einen massiven Zuwachs erlebt. So haben wir für den Sommer 23 die Vorhalteleistungen darauf eingestellt.
«Es wird schon eine Transformation geben, dass bestimmte Fachbereiche im einen oder anderen Spital nicht mehr angeboten werden.»
Im letzten Jahr hatten wir bis in den Sommer hinein einen massiven Zuwachs erlebt. So haben wir für den Sommer 23 die Vorhalteleistungen darauf eingestellt. Und jetzt sind die Zahlen nicht gemäss der Entwicklung vom vergangenen Jahr. Deshalb haben wir zu hohe Vorhalteleistungen eingeplant.
Ist es nicht so, dass es 2022 einen Nachholbedarf wegen Corona gegeben hat und sich jetzt wieder die klassischen Patientenströme einpendeln?
Das ist möglich. Aber für alle überraschend ist, dass der Rückgang bereits im Januar stattgefunden hat.
Könnte nicht auch die Ambulantisierung dazu geführt haben? Sie dürften dadurch eher zu viele Betten haben, oder?
Die Zahl der Betten wurde schon reduziert. Das ist eine der Massnahmen, die uns zur Verfügung stehen. Als ich das Haus vor drei Jahren übernommen habe, war der Betrieb auf 200 Betten ausgerichtet. Das ist wirtschaftlich nicht machbar. Jetzt sind wir in guten Zeiten bei 145 Betten.
Und in schlechten Zeiten?
Jetzt im Sommer sind wir bei 110 bis 120 Betten.
Das heisst, viele Betten liegen brach. Aus der Sicht des Ökonomen ist das höchstens suboptimal.
Das lässt sich nicht vermeiden. Wir haben derzeit eine Bettenstation, die nicht betrieben wird. Damit sparen wir an Personal- und weiteren Fixkosten. In einem Spital sind 65 bis 70 Prozent Personalkosten.
Und jetzt wird Ihnen auch noch von den Krankenversicherern das Leben schwer gemacht, indem sie die Tarifverträge für das Zusatzversicherungsgeschäft kündigten?
Das betrifft einzig Concordia. Mit den anderen Versicherern haben wir die Verträge unterzeichnet oder befinden uns auf der Zielgeraden. Concordia hat hier leider einen eigenen Weg gewählt. Davon sind vor allem die Patientinnen und Patienten betroffen. Ich hoffe, dass wir im Laufe der Zeit dennoch eine Lösung finden werden.
Wo liegt das Problem? An der Höhe des Tarifs?
Concordia verlangt von uns massive Tarifsenkungen. Das ist für uns nicht nachvollziehbar, zumal wir uns mit den anderen Versicherern zu einigen vermochten.
Die Zürcher Spitäler haben die Concordia für ihr Vorgehen heftig kritisiert und ihr vorgeworfen, sie würde die finanzielle Situation der Spitäler verschärfen und die Umsetzung der Pflegeinitiative verhindern. Das befremdet: Concordia ist ihren Kunden verpflichtet, nicht den Spitälern.
Die Frage ist, wie sie Kundenverpflichtung definieren. Besteht sie darin, möglichst tiefe Tarife zu haben, um damit möglichst hohe Gewinne zu generieren? Oder besteht sie darin, den Versicherten die freie Spitalwahl zu gewähren, für das sie ja die Prämien zahlen?
Sprächen wir vom Kantonsspital Uri, würde ich Ihr Argument verstehen. Aber in Zürich mit seiner Spitaldichte ist es doch für einen Versicherer nicht massgebend, ob er auch das Spital Uster im Programm hat.
Es ist nicht nur das Spital Uster betroffen. Insgesamt sind acht Regionalspitäler des Kantons davon betroffen. Privatversicherte der Concordia haben im Kanton nur eine sehr beschränkte Auswahlmöglichkeit.
Ende 2020 wurde das Fusionsvorhaben der Spitäler Uster und Wetzikon abgesagt. Bedauern Sie das?
Grundsätzlich schon. Die Rahmenbedingungen waren damals nicht gegeben, um die beiden Spitäler zu fusionieren, auch aus finanziellen Gründen. Beide Spitäler hatten Bauprojekte kurz vor der Umsetzung. Aber in Zeiten, in denen es den Spitälern finanziell immer schlechter geht, ist es schon hilfreich, entweder mit engen Kooperationen oder Fusionen Synergien zu schaffen.
Kann man das wirklich? Zwei Spitäler, acht Kilometer voneinander entfernt, unter einem Dach? Das gibt doch extreme Reibungsverluste.
Ja, das klingt immer relativ leicht. Die Umsetzung ist aber schwierig. Die Frage, die damit verbunden ist, lautet: Wo finden Patientinnen und Patienten welche Behandlung vor? Sollen die Kosten wirklich gesenkt werden, dann dürfte man in einem Haus beispielsweise keinen Notfall mehr anbieten. Mit dem Betreiben eines Notfalls sind Patientinnen und Patienten verbunden, die anschliessend stationär zu behandeln sind. Das wiederum bedingt grosse Vorhalteleistungen.
Eben. Sie nennen die Schwierigkeiten. Warum erachten Sie denn eine Fusion als erstrebenswert?
Es muss nicht unbedingt eine Fusion sein. Bei den Leistungsaufträgen des Kantons sind ja nicht nur die drei erwähnten Auflagen enthalten. Es gibt auch das Statement, dass das Spital Uster sich vom GZO Wetzikon differenzieren und nicht die gleichen Leistungen anbieten soll. Deshalb verändert sich unser Profil. Die Altersmedizin, die Geriatrie und die Palliative Care werden im GZO nicht angeboten. Gleichzeitig haben wir die Vorgabe erhalten, das ambulante Angebot auszubauen. Es wird in den nächsten Jahren schon eine Transformation geben, dass bestimmte Fachbereiche im einen oder anderen Spital nicht mehr angeboten werden.
Und doch gibt es immer noch Doppelspurigkeiten: Orthopädie, Urologie, Pneumologie, Gastroenterologie gibts immer noch in beiden Häusern.
Ja, das stimmt. Wir hatten mit dem GZO zwischenzeitlich eine Kooperation in der Urologie, für die unser Chefarzt zuständig war. Das wurde später wieder aufgehoben.
Warum?
Weil das GZO in der Urologie eine enge Zusammenarbeit mit dem Unispital eingegangen ist. Deshalb sind die entsprechenden Verträge nicht mehr verlängert worden. Wir haben hier so etwas wie einen Röstigraben, das Aatal. Durch dieses Aatal führt eine stark befahrene Strasse. Würde ein Spital den Notfall aufgeben, müsste sich der Rettungswagen durch den Stau durchdrängen. Das ist alles andere als hilfreich für einen regen Austausch zwischen den beiden Spitälern. Wenn das eine Spital gewisse Leistungen nicht mehr anbietet, so ist davon auszugehen, dass Patienten eher nach Zürich ausweichen. Wir kennen die Patientenströme. Sie gehen nicht zwischen den beiden Spitälern hin und her.
Das zeigt doch, dass eine Kooperation oder gar Fusion der beiden Spitäler nicht funktioniert.
Grundsätzlich gibt es zwei Wege: Der erste wurde vor vielen Jahren verpasst. Statt beide Häuser auszubauen hätte man zwischendrin ein grosses Zentrumsspital bauen sollen. So wären die Synergien zum Tragen gekommen. Doch jetzt haben wir zwei Standorte. So geht der Trend dahin, dass wir für die hochspezialisierte Medizin Kooperationen mit dem Unispital oder mit Hirslanden eingehen. Wir machen hier die Grundversorgung, und die komplexen Fälle geben wir an die Zentren ab. In dieser Richtung sind wir unterwegs.
Davon sind wir aber noch weit entfernt, wenn ich sehe, dass viele Spitäler in ihren Spitallisten für viele Fachgebiete einen Leistungsauftrag bekommen haben.
Wenn ein Spital einen Bereich ausbaut, so können sie nicht erwarten, dass dann das andere Spital in der Nähe seinem Chefarzt des selben Bereichs die Kündigung unterbreitet. So funktioniert die Welt nicht. Viele Häuser haben in ihren Spitallisten für viele Fachgebiete ihren Leistungsauftrag bekommen. Sie überlegen sich, machen sie das selbst oder machen sie es in Kooperation. Sie fragen nicht die Spitäler in der Nachbarschaft, ob sie damit einverstanden sind.
Also müsste man doch von der Gesundheitsdirektion erwarten, dass sie die Leistungsaufträge nicht flächendeckend allen Spitälern gewährt.
Ansatzweise ist das für die Region gemacht worden. Die Akutgeriatrie ist beispielsweise bei uns. Für die Neonatologie, die auch sehr teuer ist, hat das GZO den Zuschlag bekommen. Auch für Schlaganfälle ist der Zuschlag nach Wetzikon gegangen. Das Spital Uster hat beides nicht bekommen. Aber es ist nicht so, dass wir nur noch die Grundversorgung anbieten. Es sind eher die teuren, sehr aufwendigen Bereiche, die man zu kanalisieren versucht. Aber selbstverständlich bewerben wir uns nur für Bereiche, die finanziell tragbar sind.
Warum haben Sie denn eine Geburtenabteilung? Die wird ja mit ihren 800 Geburten kaum rentieren. Wetzikon hat noch weniger.
Unsere Geburtenabteilung ist gross genug, dass sie für uns in der Region eine wichtige Rolle spielt. Die Aufgabe der Geburtenabteilung ist eine hochpolitische und hochemotionale Angelegenheit. Die Stakeholder würden die Schliessung nicht akzeptieren. Es gibt in der Region viele Menschen, die hier geboren wurden. Für sie ist das Spital mit seiner Geburtenabteilung ein wichtiger Ort. Wir haben hier auch eine Familienabteilung, wo Mutter, Kind und Vater die Zeit nach der Geburt gemeinsam verbringen können. Sie existiert seit über 40 Jahren. Die Schliessung der Geburtenabteilung würde sehr viel Aufregung verursachen.
Sie sagten es selber: Eine Geburtenabteilung ist erst ab 1000 bis 1200 Geburten kostendeckend.
Man macht eine Geburtenabteilung nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Man macht sie, weil sie für die Region wichtig ist.
Zu den 25 Kündigungen
Betroffen von diesen Massnahmen ist vor allem der administrative Bereich. Von den Mitarbeitenden mit Patientenkontakt waren nur ganz wenig betroffen. Zudem heisst Kündigung nicht immer Kündigung der Stelle, wie Greulich präzisiert. Es heisst manchmal auch, dass das Arbeitspensum beispielsweise von 100 auf 80 Prozent reduziert wird. Gerade im medizinischen Bereich ging es mehrheitlich um eine Reduzierung des Pensums.