Steigt die Sterblichkeitsrate bei zu hoher Bettenauslastung im Spital?

Dieser Frage ging die Universität Basel Basel nach. Die Ergebnisse, die in einer Fachzeitschrift publiziert wurden, liefern eine neue Perspektive.

, 17. Januar 2023 um 07:03
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Einzelne leere Betten bedeuten nicht zwingend eine Entspannung für das Pflegepersonal. Das zeigt eine neue Studie der Universität Basel. | Symbolbild Unsplash
«Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind wir durch die Medien mit Zahlen zur Bettenauslastung in Schweizer Krankenhäusern vertraut. So lange noch Betten frei sind, gibt es keine Probleme, könnte man meinen», schreibt die Universität Basel in einem Communiqué.
Eine Studie unter der Leitung von Professor Michael Simon zeigt nun, dass die Sterblichkeitsrate in Spitälern ansteigt – teilweise deutlich bevor die volle Bettenkapazität erreicht ist. Publiziert wurde sie im Fachmagazin «BMC».

Daten aus 102 Spitälern

Für die Studie haben die Forschenden die Daten von über 1,1 Millionen stationären Fällen aus 102 Schweizer Spitälern ausgewertet. Dies mit dem Ziel, den kausalen Zusammenhang der Bettenauslastung auf die 14-Tage-Sterblichkeitsrate in Krankenhäusern zu untersuchen.
Konkret: Die Fälle wurden bis zu 14 Tage beobachtet wurden, sofern es nicht früher zur Entlassung kam.

Die Faktoren

Der Zusammenhang von Bettenauslastung und Sterblichkeitsrate sei vielschichtig, so die Uni Basel. Zu berücksichtigen seien neben der Auslastung der Betten auch Faktoren wie
  • die Patientenfluktuation innerhalb der einzelnen Spitäler,
  • der durchschnittliche Schweregrad der Erkrankung der Patienten, die am jeweiligen Tag im Spital aufgenommen werden sowie
  • deren individuelles Risiko zu versterben.
Zusätzliche Variablen seien Begleiterkrankungen sowie Alter und Geschlecht der Patienten. Aber auch die Unterscheidung zwischen Wochentag und Wochenende sowie der Krankenhaustyp wurden einbezogen.

Schwellenwert bei kleinen Spitälern

Die Auslastungsgrenze, ab der das Mortalitätsrisiko zunimmt, ist gemäss den Forschenden in jedem Spital unterschiedlich. Liegt die Bettenauslastung über diesem Wert, steigt das Sterberisiko um rund 2 Prozent pro Tag an.
Bei zwei beziehungsweise drei zusätzlichen Tagen mit überhöhter Kapazitätsauslastung steigt die Wahrscheinlichkeit einer 14-tägigen Sterblichkeit im Krankenhaus um 3,2 Prozent beziehungsweise 4,9 Prozent.
Der Schwellenwert der einzelnen Einrichtungen lag zwischen 42,1 Prozent und 95,9 Prozent der Bettenbelegung. «Diese grossen Differenzen sind entscheidend für den Schwellenwert: Je höher die durchschnittliche Bettenauslastung eines Spitals, desto höher liegt der Schwellenwert.»
Diese Auslastung liege bei kleinen Spitälern bei rund 60 Prozent, während sie in grossen Krankenhäusern bei 90 Prozent ausmache.
Bei einer niederen durchschnittlichen Auslastung könne es zu stärkeren Schwankungen kommen. «Diese stark schwankenden Bettenauslastungen führen dazu, dass der Schwellenwert, ab dem die Mortalität steigt, niedriger ist und damit schneller erreicht wird.»

Gründe für die zunehmende Sterblichkeit

Wie die Forschenden erklären, liegen die Gründe für die zunehmende Sterblichkeit bei hoher Auslastung unter anderem daran, dass bestimmte Behandlungen nicht mehr oder erst mit Verzögerung durchgeführt werden können.
Zudem bleibe die Anzahl der Ärztinnen und Arzte sowie des Pflegepersonals trotz starken Schwankungen relativ beständig.

Abhilfe durch Konzentration

Das Problem kann laut Michael Simon angegangen werden, indem die Auslastungsschwankungen verringert und die Spitäler angemessen mit Personal ausgestattet werden.
Die Lösungen sieht er vor allem auf politischer Ebene: «Viele kleine Einheiten sind nur schwierig effizient zu betreiben. Eine Bündelung der Kliniken oder eine engere Zusammenarbeit zwischen den Kliniken führt zu weniger Schwankungen und reduziert damit das Risiko.»
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