Wie sieht der Operationssaal der Zukunft aus? Diese Frage stellt sich angesichts steigender Kosten, Fachkräftemangel und rasanten technologischen Entwicklungen immer drängender. Mit der
Eröffnung eines hochmodernen OP-Testraums im Swiss Center for Design and Health (SCDH) in Nidau soll nun ein entscheidender Schritt in Richtung nachhaltiger Spitalplanung gelungen sein.
Hightech-Umfeld mit Mensch im Zentrum
Der Operationssaal hat sich in den letzten Jahrzehnten vom einfachen Raum zum Hightech-Umfeld entwickelt. Strengste Hygienestandards, komplexe Steuerungen und modernste Medizintechnik prägen heute das Bild. Gleichzeitig gewinnen minimalinvasive Techniken und ambulante Eingriffe an Bedeutung, was die Anforderungen an die Planung weiter erhöht.
Doch wie genau interagieren Menschen mit Robotersystemen? Und wie verändern diese riesigen Maschinen bestehende Workflows? Im neuen OP-Testraum sollen Operationssäle der Zukunft realitätsgetreu im Massstab 1:1 erlebbar werden. Spitäler, Architekturbüros, Medizintechnikfirmen und OP-Teams können hier gemeinsam Konzepte entwickeln, überprüfen und anpassen.
Rund 150 Gäste nahmen an der Eröffnung des OP-Testraums teil. Bild: PD.
Der Raum ist mit Motion-Capture und Eye-Tracking Systemen ausgestattet. Sämtliche Blicke, Handgriffe und Laufwege des OP-Teams werden damit aufgezeichnet, um später ausgewertet zu werden.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie effizient das Team arbeitet, sondern auch um ergonomische Aspekte. Das Feedback der Nutzer wird ebenfalls penibel dokumentiert. Während der Simulation äussern alle Teammitglieder ihre Gedanken laut. Mikrofone nehmen dabei die Gespräche auf.
Modulare Bauweise: flexibel bleiben
«Wir Architekten sprechen nicht die gleiche Sprache wie Chirurgen. Deshalb ist es extrem wichtig zu visualisieren», sagte Thomas Stegmaier (
Baufeld AG) bei der Podiumsdiskussion am Tag der Eröffnung.
Fabio Carrillo (
Universitätsklinik Balgrist / OR-X) lieferte hierzu ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung: «Wir nutzen vermehrt VR-Brillen in der Chirurgie. Diese funktionieren aber nicht bei reflektierenden Oberflächen.» Verglaste Wände, wie sie im OP häufig vorkommen, sind also in diesem Setting nicht zu gebrauchen. In Zukunft könnten solche Planungsfehler vermieden werden. Denn: Im Living Lab lassen sich sämtliche Materialien testen. So kann man beispielsweise die Akkustik verschiedener Bodenbeläge prüfen. «Im OP zählen alle Sinne», so Carrillo.
Bei der Podiumsdiskussion wurde über nachhaltigen Spitalbau diskutiert. Bild: PD.
Der Neubau eines Spitals dauert in der Regel 10 bis 15 Jahre. In dieser Zeit macht die Technologie enorme Fortschritte. Deshalb müsse verstärkt auf eine modulare Bauweise gesetzt werden, betonte Thomas Fritsch (
HT Group): «Wenn man gute Strukturen schafft, kann man diese jederzeit leerräumen, sanieren und in hochmoderne OP-Räume umbauen.» Sein Lösungsvorschlag etwa für das Wandproblem: «Matte Beschichtungen aufbringen».
«Der OP ist der Raum mit den höchsten Kosten im Unternehmen. Es ist somit zentral, ihn mit möglichst flexiblen Strukturen, disziplinenübergreifend und zukunftsorientiert zu planen.» Mathias Scherz, Insel Gruppe
Etwas mehr Zeit in die Planung zu stecken sei nicht zuletzt auch wirtschaftlich vertretbar, betonte Mathias Scherz (
Insel Gruppe / OP und Performance Management): «Der OP ist der Raum mit den höchsten Kosten im Unternehmen. Es ist somit zentral, ihn mit möglichst flexiblen Strukturen, disziplinenübergreifend und zukunftsorientiert zu planen».
Anwendungsmöglichkeiten im Überblick:
- Architekturbüros: Prüfung von Layouts, Abläufen und Raumszenarien in frühen Projektphasen
- Medizintechnik: Tests von Geräten und Systemen auf Ergonomie, Usability und Interaktion
- Fachdisziplinen & Bauherrschaften: Gemeinsame Entwicklung innovativer Lösungen für Spitäler und OP-Zentren
Ob sich der OP-Testraum als entscheidender Faktor im Spitalbau erweist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Klar ist jedoch schon jetzt: Die Möglichkeit, OPs realitätsnah zu simulieren, bevor sie gebaut werden, eröffnet neue Wege – und könnte die Planung von Spitälern nachhaltig verändern.