Radiologen gehen gegen Fernsehbeitrag vor

Die Gesellschaft für Radiologie will nicht akzeptieren, dass «10 vor 10» ihren Fachbereich als Musterbeispiel für missbräuchliche Abrechnungen darstellt.

, 10. April 2024 um 22:09
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«10 vor 10»-Moderator Arthur Honegger bei der Ankündigung des Beitrags  |  Screenshot SRF
«Das Tricksen bei der Abrechnung medizinischer Leistungen hat offenbar System»: Mit diesem Satz beginnt ein Beitrag, den die Sendung «10 vor 10» am Dienstag ausstrahlte. Es ging dabei um falsche respektive zu Unrecht erstellte Abrechnungen von Ärzten.
Dabei hörten das Publikum, dass in der ambulanten Medizin etwa 10 bis 15 Prozent der Leistungen fälschlicherweise fakturiert würden. «10 vor 10» zitierte Larisa Petrov mit dieser Aussage; die Juristin hatte die Daten dazu in ihrer Dissertation erarbeitet.
Auf die Branche hochgerechnet bedeute dies, dass die Ärzte den Kassen jedes Jahr über 1 Milliarde im ambulanten Bereich inkorrekt in Rechnung stellten, so Petrov.

Sachlich oder polemisch?

Als Beispiel nannte sie namentlich die Radiologie, wo etwa Knie-MRI systematisch falsch verrechnet würden – und dies teils sogar, obschon sie überhaupt nicht erbracht worden seien. Oder obwohl die Ärzte die Patienten gar nicht zu Gesicht bekommen hätten.
Das Fernsehen verbreite Unwahrheiten; es stelle polemische Vorwürfe auf: Dies hält nun die Gesellschaft für Radiologie SRF vor. «Beweisführung und Analyse sind völlig falsch», schreibt der Fachverband in einem Statement, das er am Mittwoch Abend veröffentlichte: «Studien und Berichterstattung blenden die Fakten aus.»
  • Zum Thema: Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein. Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.
Für die Radiologen heisst dies, dass die Journalisten und die Juristin ihren Fachbereich «des Missbrauchs und der unsachgemässen Praxis» bezichtigen und «in den Dunstkreis von missbräuchlich agierenden Leistungserbringern» rücken: «Radiologinnen und Radiologen würden demnach mit ihrer Verrechnungspraxis die geltenden Tarife unterlaufen und nicht erbrachte Leistungen verrechnen.»
Diese Darstellung sei tatsachenwidrig. Man behalte sich rechtliche Schritte vor.

Was sagt der Tarmed?

Offenbar werde die Radiologie verdächtigt, weil es am Verständnis für die Tarife fehlt, mutmasst die SGR. Der Tarmed schlüssle schliesslich klar auf, welche Leistungen bei einer radiologischen Untersuchung abzurechnen sind. Und er besage auch klar, dass ein persönlicher Kontakt mit den Patienten keine Bedingung für die Verrechnung diverser Ziffern ist – im Gegenteil: Der gültige Tarif lasse explizit keine Verrechnung eines persönlichen Gesprächs von Radiologen mit Patienten zu.
«Davon abzuleiten, Radiologinnen und Radiologen würden nicht erbrachte Leistungen verrechnen, ist eine unzulässige Falschinterpretation, die zu korrigieren ist.»
Im «10 vor 10»-Beitrag monierte FMH-Vertreter Urs Stoffel obendrein, dass es nicht korrekt sei, von einzelnen (technischen) Fachgebieten wie der Radiologie auf die gesamte Branche hochzurechnen. Denn grosse Felder – namentlich Psychiatrie und Allgemeinmedizin – funktionieren ohne technische Leistungen.
Standesvertreter Stoffel stellte im Nachhinein gegenüber den Fernsehmachern noch einen weiteren Vorwurf in den Raum: Sie verschwiegen, dass Studienautorin Petrov in den vergangenen Jahren für Tarifsuisse und Helsana tätig war – also genau in der Phase, als sie ihre Forschungen durchführte. Heute arbeitet sie bei der Datenanalyse-Firma Blacklight Analytics.

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