Was der Angelina-Jolie-Effekt bewirken kann

Wenn ein Hollywood-Star ein Gesundheitsproblem verrät, dann hat dies tatsächlich Folgen: Dies besagen neue Daten aus dem Nachbarland Österreich.

, 29. September 2015 um 14:22
image
  • prävention
  • patienten
  • forschung
Es geht um den «Angelina-Jolie-Effekt». Zuvor schon gab es Hinweise, dass es diesen Effekt gibt – beispielsweise meldete das Berner Inselspital im Mai, dass man in der Brustkrebs-Beratung seit Mai 2013 zu «weit mehr» Anfragen nach Gen-Tests und vorbeugenden Massnahmen ab. 
Die Starschauspielerin hatte im Frühjahr 2013 in einem Beitrag in der «New York Times» bekanntgegeben, dass sie aus genetischen Gründen sehr gefährdet ist, Brust- und Eierstockkrebs zu bekommen. Deshalb habe sie sich entschlossen, ihre Brüste amputieren zu lassen – mit anschliessenden plastischen Massnahmen.

Mehr Wissen um Rekonstruktionen

Öffentlich machte sie dann – ein Jahr später – auch, dass sie sich Eierstöcke und Eileiter entfernen hatte lassen, auch dies, um das Risiko einer Tumorerkrankung zu minimieren.
Beide «Outings» fanden bekanntlich einen sehr breiten Niederschlag in allen Medien und sozialen Foren, auch im deutschen Sprachraum.
Zu den Folgen gehört nun offenbar, dass sich signifikant mehr Frauen mit Brustkrebs, seinen genetischen Ursachen und der Idee einer Mastektomie auseinandersetzen. Und mehr Frauen als vor Jolies Bekanntgabe wussten auch, welche Möglichkeiten einer nachfolgenden Brust-Rekonstruktionen bestehen.

Mehr Wissen um Operationsabläufe

Die besagen Daten aus Graz. Die vier Autoren von der medizinischen Fakultät hatten schon vor Jolies Publikation im Frühjahr 2013 rund 1'000 Frauen zwischen 18 und 65 über ihr Wissen um Brustkrebs und die Rekonstruktions-Möglichkeiten befragt.

Patricia Beatrice Lebo, Franz Quehenberger, Lars-Peter Kamolz, David Benjamin Lumenta: « The Angelina effect revisited: Exploring a media-related impact on public awareness», in: «Cancer», September 2015

Nach der ersten «New York Times»-Publikation folgte – im Juni 2013 – eine zweite Befragung eines ähnlich grossen Samples zum Thema. Dabei ergab sich, dass ein um 4 Prozentpunkte höherer Anteil wusste, welche schönheitschirurgischen Möglichkeiten bestehen.
Interessanterweise gewann die Tatsache, dass dabei körpereigenes Gewebe verwendet werden kann, dank Jolies «Outing» weitaus stärker an Bekanntheit (plus 11 Prozent); und um 19 Prozentpunkte mehr der befragten Frauen wussten danach, dass Mastektomie und Rekonstruktion in derselben Operation bewältigt werden können.

Mehr Wissen gleich besser informiert?

Bereits im Februar hatte eine Untersuchung in den USA ergeben, dass die Bereitschaft, sich auf BRCA-Mutationen testen zu lassen, nach Angelina Jolies Ankündigung spürbar gestiegen war: Die Quote kletterte von 2,5 auf 10'000 Frauen im Monat davor auf bis zu 3,5 in den Monaten danach. Wobei der Zuwachs bei weissen Frauen der Altersgruppe von Jolie (35-49) besonders klar schien.
Und dann? Ob die Betroffenen nun besser informiert sind, ist immerhin ein anderer Punkt.
Eine grosse Befragung, ebenfalls durchgeführt in den USA, fand beispielsweise heraus, dass das Wissen um Angelina Jolies Eingriff und ihre Problematik weit verbreitet war – doch dass weniger als 10 Prozent der Frauen in der Lage war, die Risikosituationen im Zusammenhang mit der BRCA-Mutationen einzuschätzen.
«Das Wissen um die Angelina-Jolie-Story ging nicht einher mit einem verbesserten Verständnis», schrieben die Autoren aus der University of Maryland.

Dina L.G. Borzekowski, Yue Guan, Katherine C. Smith et al.: «The Angelina effect: immediate reach, grasp, and impact of going public», in: «Genetics in Medicine», Dezember 2013

Und sie folgerten: «Prominente können wohl ein grösseres Bewusstsein für Gesundheitsthemen wecken, dennoch besteht eine Notwendigkeit, dass ihre Botschaften durch zweckmässigere Massnahmen begleitet werden, welche dem Publikum dabei helfen, die komplexe diagnostische und therapeutische Information zu verstehen, welche solche Stories enthalten.»
Oder kürzer gesagt: Dank den Gesundheitsproblemen sind zwar mehr Menschen über eine Krankheit informiert – aber viel Genaueres wissen sie dennoch nicht darüber.
Die neuen Daten aus der Universität Graz widersprechen dem jetzt aber, zumindest teilweise: Sie weisen doch auf ein erhöhtes Detailwissen hin.
Jede fünfte der in Österreich befragten Frauen gab denn auch an, dass die Medienberichte über Angelina Jolies freiwillige Eingriffe sie dazu gebracht hätten, «sich intensiver mit dem Thema des Brustkrebses auseinanderzusetzen».
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Einseitige Impfung wirksamer? Studie wirft neues Licht auf Impfstrategien

Eine neue Studie kommt zu überraschenden Ergebnissen: Mehrfachimpfungen im selben Arm bieten einen besseren Schutz.

image

Epilepsie: Neue Folsäure-Empfehlung für Schwangere soll Krebsrisiko senken

Die Schweizerische Epilepsie-Liga empfiehlt, die tägliche Folsäure-Dosis von bisher vier bis fünf auf ein bis drei Milligramm zu reduzieren.

image

Brustkrebs-Screening im Alter birgt Risiko von Überdiagnosen

Eine Studie der Yale Medical School zeigt: Bei Frauen ab 70 Jahren, die eine Mammographien erhielten, wurden häufiger gesundheitlich unbedenkliche Tumore diagnostiziert als bei Frauen, die nicht an der Früherkennung teilnahmen.

image

Aargau will Med- und Health-Tech auf neues Niveau heben

Mit einem Projekt setzen das Kantonsspital Baden, die Stadt Baden und der Kanton Aargau neue Impulse für Innovationen in Medizin und Gesundheitstechnologie.

image

Seltene Krankheiten: «Oft spürt die Mutter, dass etwas nicht in Ordnung ist»

Werden wir dereinst das gesamte Genom des Neugeborenen routinemässig auf Krankheiten untersuchen? In manchen Ländern werde dies bereits getestet, sagt Stoffwechselspezialist Matthias Baumgartner.

image

ETH bekämpft Blasenentzündungen mit Hilfe von Viren

Forschende der ETH Zürich entwickeln neuartige Phagentherapie gegen Antibiotika-Resistenzen bei Blasenentzündungen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.