Warum sich Piloten vielleicht bald nicht mehr zum Arzt getrauen

Der Meldeprozess bei medizinischen Zweifeln beim Flugpersonal wird vereinfacht. Ärztinnen und Ärzte sollen die Arbeitstauglichkeit künftig direkt an die zuständige Stelle beim Bundesamt für Zivilluftfahrt melden.

, 9. Dezember 2021 um 09:30
image
  • ärzte
  • praxis
Immer wieder kommt es vor, dass Ärztinnen, Ärzte oder andere medizinische Fachpersonen bei einem Besatzungsmitglied oder einem Fluglotsen an der Berufstauglichkeit zweifeln. Heute müssen sie sich mittels Gesuch an eine kantonale Stelle von der Schweigepflicht entbinden lassen, um Meldung an Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zu erstatten.
Dies soll sich nun mit einer Änderung des Melderechts im Luftfahrtgesetz ändern, wie der Nationalrat am Donnerstag in der Wintersession entschieden hat. Arztpersonen erhalten nun bei medizinischen Zweifeln an der Arbeitstauglichkeit von Flugpersonal das Recht, eine Meldung ans Bazl zu machen.

Melderecht könnte Ärzteschaft in einen Konflikt bringen

Dieses Melderecht soll helfen, psychische oder körperliche Erkrankungen bei Besatzungsmitgliedern frühzeitig zu erkennen – und die notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Im Strassenverkehr gilt ein solches Melderecht beispielsweise bei Car- und Lastwagenchauffeure bereits seit einiger Zeit. 
Der Nationalrat argumentierte lange, dass sich Ärztinnen und Ärzte bereits heute vom Berufsgeheimnis entbinden lassen können, um eine entsprechende Meldung zu machen. Die Gegner der Gesetzesänderung sind weiterhin überzeugt, dass das Melderecht Ärztinnen und Ärzte in einen Konflikt bringen könnte. Das Problem könnte zudem verschlimmert werden, weil sich Piloten nicht mehr trauen, zum Arzt zu gehen.

Erinnerungen an Germanwings-Absturz

Das neue Melderecht soll die Sicherheit der Passagiere erhöhen. Angestossen wurden die Gesetzesänderung im Nachgang des Germanwings-Absturzes im Jahr 2015 in Frankreich. In diesem Fall hatte sich der psychische Zustand des Piloten zwischen den ordentlichen Kontrollen verschlechtert. Der damals 27-jährige Mann steuerte das Flugzeug bewusst und geplant in die französischen Alpen. Alle 150 Insassen des Flugs 9525 kamen dabei ums Leben. 

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Warum Chirurgen mehr AC/DC- Musik hören sollten

Ein neuer Radiosender mit künstlicher Intelligenz-Funktion soll angeblich helfen, die chirurgische Genauigkeit und Effizienz zu verbessern.

image

Hausarztpraxiskette in Verruf – eine rechtliche Einordnung von Vergütungen an Arztpraxen

Ein Ziel der Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) war, klare Regeln festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Vergütungen an Arztpraxen zulässig sind. Ein aktueller Fall bietet Anschauungsunterricht und zeigt, dass bei Zahlungen an Arztpraxen nach wie vor viele Unklarheiten bestehen.

image

«Die Arbeit wird als immer belastender empfunden»

Die hohen Arbeitszeiten bei Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten führen dazu, dass sie sich deswegen immer häufiger müde, ausgelaugt und erschöpft führen. Dies zeigt die neueste Befragung des Berufsverbands VSAO.

image

So bekämpft der Kanton Thurgau den Hausarztmangel

Mit finanziellen Anreizen will der Regierungsrat die Versorgungslücke im Bereich der Hausarztmedizin schliessen.

image

Schularzt weist Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück

Im Kanton Neuenburg wird derzeit ein Fall eines Kinderarztes verhandelt. Für die mutmasslichen Opfer soll es sich um unangemessene Berührungen handeln, für den Mediziner war es Teil der Untersuchung.

image

Viele Ärzte litten seelisch mit ihren Covid-Patienten

Eine Studie zeigt Überraschendes: Unter Covid-19 litten indirekt auch viele Ärztinnen und Ärzte – weil sie sich so hilflos fühlten.

Vom gleichen Autor

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.