«Unsere Human-Resources-Abteilung ist ein rentables Profitcenter»

Vor zehn Jahren gründete Katharina Hadorn eine private Spitex-Organisation. Im Interview erklärt sie, wie sich ihre Private Care AG behauptet. Und wie sie mithelfen würde, den Mangel beim Pflegepersonal zu verringern.

, 28. Februar 2018 um 07:49
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Frau Hadorn, Sie erbringen Ihre Leistungen in einem stark regulierten und umkämpften Markt. Was sind Ihre grössten Herausforderungen?
Wir arbeiten in extremen Spannungsfeldern, die alle für sich alleine anspruchsvoll sind. Da ist zum Beispiel die Kombination von professioneller Pflege und individuellen Serviceleistungen wie Betreuung und Hauswirtschaft. Ein anderes Spannungsfeld sind Anforderungen der Kunden und Angehörigen an uns – und auf der anderen Seite die gesetzlichen Vorgaben. Die Erwartungen unserer Kunden sind zu Recht besonders hoch, und jede Situation ist anders. Täglich passen wir irgendwo eine Situation an und lernen dazu. Doch nicht alle Wünsche sind mit den Vorgaben vereinbar.
Die Vorgaben sind überdies nicht in allen Kantonen gleich...
Genau. Wir haben Betriebsbewilligungen in den Kantonen Aargau, Solothurn und Zürich. Jeder Kanton will andere Dokumente und Nachweise sehen, bevor er so eine Bewilligung erteilt. Das einzig gemeinsame ist: Alle Anforderungen sind hoch. Liegt die Betriebsbewilligung vor, müssen wir die unterschiedlichen Auflagen jedes Kantons erfüllen: Qualitätscontrolling, Ausbildungsverpflichtungen et cetera – das ist in jedem Kanton anders.
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    Katharina Hadorn

    Katharina Hadorn ist Geschäftsführerin der private Care AG mit Sitz in Baden. Sie gründete das Unternehmen 2008. Zu seinen Dienstleistungen gehören Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft von 1 bis 24 Stunden. — Katharina Hadorn ist Vorstandsmitglied der Association Spitex Privée Suisse. Die ausgebildete Pflege- und Personalfachfrau studierte Betriebswirtschaft und Human Capital Management. Sie begann ihre Karriere am Universitätsspital in Zürich und war als leitende Mitarbeiterin in unterschiedlichen Positionen in der Vermittlung für medizinisches Fachpersonal engagiert.

Wie finden Sie Ihre Kunden?
Kein Kunde kommt automatisch zu uns. Unser Marketing und unsere Werbung basieren auf zwei Säulen: Erstens pflegen wir systematisch ein Netzwerk von Fachpersonen, die uns und unsere Leistung weiterempfehlen. Zweitens versuchen wir, potenzielle Kunden und deren Angehörige direkt anzusprechen. Wir messen genau, wie Kunden uns gefunden haben, damit wir auch hier optimieren können.
Die private Care AG beschäftigt heute rund 140 Mitarbeitende und ist damit eine der grössten privaten Pflegedienste in den Kantonen Aargau und Zürich. Alle Mitarbeitenden verfügen über eine in der Schweiz anerkannte Ausbildung, zum Beispiel als Pflegehelferin SRK. Zugleich ist private Care in der Personalvermittlung und im Personalverleih tätig.
Wie finanzieren Sie Ihre Investitionen?
Aus der eigenen Tasche. Wir sind ein durchwegs eigenfinanziertes KMU. Jede Investition müssen wir sorgfältig prüfen und abwägen, ob es den gewünschten Wettbewerbsvorteil bringt. Das bedeutet, unglaublich agil und flexibel zu sein, Chancen früh zu erkennen und sie sofort zu nutzen. Der Wettbewerb ist knallhart: Im Bereich professionelle Pflege haben Non-Profit-Organisationen Leistungsaufträge von Gemeinden; und im Bereich Betreuung und Hauswirtschaft gibt es unzählige Mitbewerber mit unterschiedlichen Modellen.

«Alles was wir tun, kostet. Alles, was wir nicht tun, kostet auch»

Überspitzt formuliert: Alles was wir tun, kostet. Und alles, was wir nicht tun, kostet auch – weil es dann jemand anders macht und wir Marktanteile verlieren.
Sie bieten Pflege- und Betreuungsleistungen rund um die Uhr an. Wie stellen Sie vor Auftragsannahme sicher, dass die Kunden die Leistungen tatsächlich bezahlen können?
Wir prüfen die Bonität und womöglich auch die Einzahlung der Krankenkassenprämien. Zudem verlangen wir je nach Situation eine Akonto-Zahlung, wie das auch Spitäler tun.
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Ein Beitrag aus dem Spitex-Report:

Unabhängige Übersicht für Entscheider 
Warum sind Sie auch ins Personalvermittlungsgeschäft eingestiegen?
In unserem Business dreht sich alles um Menschen. Personalvermittlung anzubieten gehört seit Beginn zu unserer Unternehmensstrategie. Das richtige Personal zu gewinnen und es zu halten, sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Heute führen wir unsere Human-Resources-Abteilung als rentables Profitcenter. Die Entwicklung auf dieses Niveau hat Jahre gedauert – sie ist noch nicht abgeschlossen.
Wie gehen Sie mit den starken Auslastungsschwankungen um, die das Business mit sich bringt?
Eine schwankende Auftragslage macht die Personalplanung zur Herausforderung. Wir haben inzwischen eine gute Unternehmensgrösse, und wir haben gelernt, damit umzugehen. Wir haben über die Jahre ein Controlling entwickelt, das sehr gute Dienste leistet. Trotzdem: mal fehlen die Kunden, mal die Mitarbeitenden. Es kommt immer wieder zu Engpässen und zu hohem Druck. So ist unser Business.
Es geht der Vorwurf, private Spitex-Organisationen bezahlten viel tiefere Löhne als öffentliche. Was entgegnen Sie?
Die Pflege ist ein Arbeitnehmermarkt mit tausenden von offenen Stellen in der Schweiz. Mit Sicherheit können private Spitex-Organisationen es sich nicht leisten, tiefere Löhne zu zahlen. Im Gegenteil, mit zusätzlichen Geschäftsfeldern, Aufgaben und Verantwortungen als andere Spitex-Organisationen bieten wir in unseren Geschäftsbereichen vergleichsweise interessante und auch gut bezahlte Stellen an.
Beschäftigen Sie Mitarbeitende, die ausserhalb der Schweiz leben?
Nein, bis heute nicht.
Wie hat sich der Markt für private Spitex-Organisationen in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Private Spitex-Organisationen haben entscheidende Marktanteile gewonnen, die meisten sind inzwischen sehr professionell aufgestellt. Heute sind wir auch bereit, Leistungsaufträge zu übernehmen und grosse Volumen abzudecken. Private und öffentliche Organisationen haben sich während der letzten zehn Jahre immer weiter angenähert: Die Unterschiede wurden kleiner. Die Anforderungen sind bei allen Spitex-Anbietern stark gestiegen, etwa bei der Qualität. Gleichzeitig erleben wir komplexere Kundensituationen und Menschen, die viel länger zu Hause bleiben.
Wie gehen Sie mit der Aus- und Weiterbildungsverpflichtung um, die es im Kanton Aargau bereits gibt und im Kanton Zürich vor der Einführung steht?
Wir haben eine eigene Bildungsbewilligung für FaGe-Lernende und bilden seit 2016 die ersten Lernenden selber aus. Auch für HF-Lernende bieten wir seit 2013 Praktika an. Es ist unsere klare Absicht, alle Vorgaben zu erfüllen, wie jedes andere Unternehmen auch.
Wo sehen Sie noch Potential in der Aus- und Weiterbildung?
Wir wollen unser eigenes Fachpersonal entwickeln und in motivierte SRK-Mitarbeitende investieren, die bei uns sehr gute Leistungen erbringen. Wir sehen hier eine grosse Lücke im Ausbildungssystem: Für Mitarbeitende, die einen SRK-Kurs absolviert haben, gibt es noch nicht ausreichend Anschluss, um sich höher zu qualifizieren. Hier sehe ich ein gewisses Potenzial, um Fachpersonen auszubilden, die der Pflege erhalten bleiben.
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