Unnötige OPs: Welche Rolle der Patient spielt

In der Debatte um unnötige Operationen bei Zusatzversicherten meldet sich der Leiter der Klinik Lengg zu Wort: Für Thomas Straubhaar ist oft der Patient die treibende Kraft.

, 11. August 2016 um 07:45
image
  • klinik lengg
  • spital
  • überversorgung
  • versicherer
Es gibt Situationen, in denen rein medizinisch eine am­bulante oder eine stationäre Behandlung möglich ­wäre. Hier sei klar: «In solchen Fällen wird jedes ­Spital schauen, dass es Zusatzversicherte mindestens eine Nacht im Haus behalten kann»: Dies sagt Klinik-Lengg-Direktor Thomas Straubhaar in einem Interview mit der «Berner Zeitung»Da müssten wir uns nichts vor­machen.

Anreize richtig setzen

Der finanzielle Anreiz sei so stark, dass Spitäler gezwungen seien, sich so zu verhalten. «Wir müssten die Tarifsysteme so umbauen, dass es sich lohnt, auch Zusatzversicherte wenn immer möglich ambulant zu behandeln», so seine Lösung. 
Natürlich können sich laut Straubhaar die starken finanziellen Anreize der Zusatzversicherung auch auf unnötige Operationen auswirken. «Aber bei vielen Patienten und Beschwerden lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob ein Eingriff nötig ist oder nicht».

Patienten in die Pflicht nehmen

In solch unsicheren Fällen müssten Arzt und Patient gemeinsam den ­richtigen Weg finden. «Es kann sein, dass eine Minderheit geldgesteuerter Ärzte eher zu einer Operation rät, wenn der Patient zusatzver­sichert ist.» 
Aber oft sei sowieso der Patient die treibende Kraft, sagt der Spitaldirektor. 
«Patienten sind heute vielfach nicht mehr bereit, selber aktiv etwas für ihren Körper zu machen oder auch eine gewisse Zeit zu leiden.» 
Bei Rückenschmerzen zum Beispiel offeriere der Arzt vermutlich zwei Möglichkeiten: eine Operation oder eine mehrmonatige Therapie. «Ich behaupte, dass Patienten heute immer öfter die erste, weniger anstrengende Variante wählen.»

Kein Spitalarzt sagt Nein

Wer Schmerzen habe, wolle heute sofortige Linderung. «Wenn ein solcher Patient unbedingt eine Operation will, sagt heute wohl kein Spitalarzt mehr Nein, auch wenn der Eingriff vielleicht nicht unbedingt nötig oder zumindest verfrüht ist». 
  • image

    Thomas Straubhaar

    Spitaldirektor Klinik Lengg

    Thomas Straubhaar leitet die Zürcher Klinik Lengg, eine Spezialklinik für Epilepsie und Neuro­rehabilitation. Zudem amtet er als Präsident des Spitalrates des Kantonsspitals Obwalden sowie des Schweizer Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ). Früher leitete Straubhaar unter anderem die Klinik Sonnenhof in Bern und ­interimistisch das Spital Bülach. Der Berner war zudem stellvertretender Leiter des Spitalamts des Kantons Bern.

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

image

Kispi wegen «Riesenfete» kritisiert – doch die Köche arbeiten gratis

Das überschuldete Kinderspital Zürich feiere seinen Neubau mit einem Michelin-Sternkoch, schreibt ein Online-Medium provokativ.

image

Weitere Umstrukturierung bei Hirslanden – Thomas Bührer in die Konzernleitung

Die Spitalgruppe schafft intern eine neue «Region Mittelland». Damit sollen die Versorgerregionen auch näher an der Konzernleitung sein.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.