Der traurige coronabedingte Rekord

Die Kinderschützer des Kinderspitals Zürich verzeichneten 2020 so viele Verdachtsfälle von Kindsmisshandlung wie noch nie.

, 28. Januar 2021 um 10:30
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Im vergangenen Jahr bearbeitete die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich 592 Fälle von gemeldeten Verdachtsfällen von Kindsmisshandlungen. 48 Fälle mehr als noch im Vorjahr, wie das Kinderspital am Donnerstag mitteilt.
Aus den hohen Zahlen zeigt sich ein trauriger Rekord: Es ist die höchste Fallzahl, die das Kinderspital je erfasst hat. Und es ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs; der grosse Teil der Misshandlungen bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen bleibt laut Experten verborgen.

Nur wenige Fälle medizinisch erklärbar

Von den 592 Fällen konnten bei 397 Kindern eine Misshandlung leider bestätigt werden, bei 168 Kindern blieb der Verdacht bestehen, konnte aber nicht nachgewiesen werden. Die meisten misshandelten Kinder  sind Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt, heisst es. 
Immerhin: Bei 27 Kindern stellte sich im Verlauf der Untersuchung heraus, dass die Symptome medizinisch erklärbar waren und keine Misshandlung vorlag.

Coronavirus als Auslöser

Experten führen diese traurige Entwicklung auf die Pandemie zurück: Lockdown, Homeoffice und vorübergehende Schulschliessungen sorgten für mehr Stress und vermehrte Konflikte in einigen Familien. Die Belastung stieg: Grosseltern etwa konnten bei der Kinderbetreuung wegen des Ansteckungsrisikos kaum aushelfen, Eltern waren häufiger auf sich alleine gestellt.
Zudem kam es wegen der Pandemie in einigen Familien zu einem finanziellen Engpass, was existentielle Ängste auslöste.

Dank Homeoffice häufiger hingeschaut

Das vermehrte «zu Hause Sein» hat aber auch einen Vorteil: Viele Menschen haben dadurch intensiveren Kontakt zu ihrer Nachbarschaft, wie die Kinderschutzgruppe schreibt. Sie bekommen eher mit, was in anderen Familien passiert. 
Ein Erklärungsversuch für die Zunahme der Fälle ist laut Kinderspital: Es gibt nicht mehr Misshandlungen, sondern unbeteiligte Menschen schauen häufiger hin, zeigen Zivilcourage und fragen aktiv bei der Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Kinderspitals oder bei einer anderen Beratungsstelle um Rat.

  • Lesen Sie auch: «Corona schlägt immer mehr Menschen aufs Gemüt»

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