Tarmed: Radiologen zweifeln an der Rechtmässigkeit

Der geplante Tarifeingriff des Bundesrates gehe von einem falschen Berufsbild der Radiologen aus, mutmasst die SGR-SSR.

, 26. Mai 2017 um 07:41
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Es gibt Fachbereiche, die in der Tarmed-Debatte speziell im Visier sind – die Radiologie ist definitiv einer davon. Als Gesundheitsminister Alain Berset im März seinen Tarifeingriff vorstellte, widmete er sich explizit diesem Bereich. Als Beispiel führte er an, dass hier deutlich tiefere Minutagen für die ärztliche Leistung angesetzt werden müssten.
Naheliegend also, dass die Schweizerische Gesellschaft für Radiologie SGR-SSR die Regierungs-Pläne kritisch beurteilt. In ihrer Stellungnahme zum Entwurf lehnt die Vereinigung von rund 950 Spezialärzten das geplante Paket weitgehend ab – unter anderem mit dem Argument, der Tarifeingriff orientiere sich «an einer nicht mehr zeitgemässen Vorstellung von radiologischen Instituten und Fachärzten».
Ganz grundsätzlich bezweifelt das von SGR-Präsident Dominik Weishaupt und SGR-Tarifspezialist Tarzis Jung unterzeichnete Papier, dass die Landesregierung ihre Sparziele so überhaupt erreichen kann.

Es geht nicht nur um Befundung

Alain Berset kündigte im März an, dass bei CT- und MRI-Untersuchungen keine ärztlichen Leistungen mehr vergütet werden sollen: Die Radiologen seien ja nicht anwesend. «Diese Annahme trifft nicht zu», kontert nun die SGR-SSR: «Die Arbeit und die Verantwortung des Radiologen gehen weit über die reine Befundung von Bilddaten hinaus.»
Im Bundesrats-Modell würden zwingende ärztliche Arbeiten nicht abgegolten, «wobei insbesondere jene Leistungen nicht gedeckt wären, die auf eine korrekte, kostenbewusste und schonende Durchführung der Untersuchung fokussieren».
Ein Verzicht auf diese Leistungen sei aus medizinischen, aber auch aus juristischen Gründen nicht vertretbar.

Und was ist mit dem Ultraschall?

Konsiliant geben sich die Fachärzte bei der technischen Leistung: Die hier geplanten Kürzungen würden zwar radiologische Institute und Praxen hart treffen, sie seien aber dank Effizienzsteigerungen vertretbar. Im Bereich CT und MRI wäre eine weitere Kürzung der technischen Leistung um 10 Prozent wohl zu rechtfertigen. Die Fachärzte-Gesellschaft rechnet aber auch vor, dass dann zusammen mit dem Tarifeingriff von 2014 insgesamt 17,65 Prozent herausgepresst worden wären.
Vor allem aber: Die Fokussierung auf CT und MRI lasse ausser Acht, dass hier bloss 43 Prozent der in der Bildgebung anfallen, während der grösste Kostenblock beim Tarifeingriff ausgenommen ist – der Ultraschall.

Verdacht: Verstoss gegen das Krankenversicherungsgesetz

Speziell heikel ist aber eben die übermässigen Senkung der ärztlichen Leistung im Vergleich zu den technischen Vergütungen. Diese Verlagerung sei «prinzipiell falsch», denn bei all der besseren Technik habe sich der ärztliche Aufwand pro Untersuchung erhöht.
Ergo kommt die SGR sogar zum Schluss, dass die Verschiebung rechtlich gar nicht haltbar sei: Sie verstosse gegen Prinzipien des KGV. Ein beiliegendes Rechtsgutachten – erstellt vom privaten Institut ICHI — legt dar, das die Streichungen bei den ärztlichen Leistungen gegen die Tarifgestaltungs-Grundsätze und das WZW-Prinzip verstossen würden.
Zugleich würde damit der Leistungsanspruch der Versicherten gefährdet, da die Gefahr besteht, dass die ärztliche Leistung nicht mehr erbracht wird – oder zumindest nicht mehr in gleichem Umfang.
Grundsätzlich anerkennt auch der SGR-SSR, dass beim bestehenden ambulanten Tarif etwas geschehen muss. Sein Hauptvorschlag zur Lösung: Pauschaltarife für CT- und MRI-Untersuchungen – wie dies ja schon mit der fmCH-Tarifunion und Santésuisse ausgearbeitet wurde.
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