Spitälern droht mitten in der Pandemie ein Kahlschlag

Bundesrat manövriert sich mit unausgereifter Vorlage in eine weitere Sackgasse

, 29. Januar 2021 um 07:16
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H Plus will neuerdings Referendumsfähigkeit erlangen. Die Verbandsorgane haben dazu 1,5 Mio. CHF beschlossen. Überblickt man die Stellungnahmen zum Kostenpaket Berset 2, ist es allerdings fraglich, ob es das Referendum brauchen wird. Die Einführung von Globalbudgets ist in der Vernehmlassung massiv durchgefallen.
Hintergrund dieser Aufrüstung ist Bedrohung der Spitäler von drei Seiten durch die Politik: Einführung von Zielvorgaben (de facto Globalbudgets) als Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der CVP, die vom Bundesrat geplante Absenkung des Effizienzmasses auf das 25. Perzentil und schliesslich die Weigerung des Bundes, sich an den von ihm im Frühjahr 2020 angeordneten maximalen Vorhalteleistungen bei den Spitälern zu beteiligen. Alle drei vom Bund geplanten oder verursachten politischen Eingriffe werden – vor allem kumulativ – die schweizerische Spitallandschaft disruptiv treffen. Im Gefolge dieser sich abzeichnenden erzwungenen massiven Verschärfung der Unterfinanzierung der Spitalversorgung sind Spitalschliessungen und Rationierungen zu erwarten. Es droht definitiv eine «Zwei-Klassen-Medizin». Besonders vulnerable Gruppen – zum Beispiel chronisch kranke Patienten – werden zu den Verlierern gehören.
Die Gefahr der Unterfinanzierung ergibt sich aus drei offenen politischen Flanken: Neben der erwähnten Kostenbremse in der Form von Globalbudgets droht die vom Bundesrat in Vernehmlassung gegebene Revision der Verordnung zum KVG (KVV), mit der der Bundesrat das Effizienzmass neu verbindlich auf das 25. Perzentil absenken will. Das bedeutet, dass aus Sicht des Bundes 75 Prozent der Spitäler ihre Dienstleistungen zu einem zu hohen Preis erbringen. Hinzu kommt schliesslich die Weigerung von Bund und Kassen, sich an den durch den Bundesrat wegen der Covid Pandemie bestellten maximalen Vorhalteleistungen bei den Spitälern zu beteiligen: Bedingt durch das daraus resultierende Behandlungsverbot entstanden den Spitälern gravierende Ertragsausfälle in Milliardenhöhe. Im Moment, wo alle diese Häuser nun ihre Jahresabschlüsse machen müssen, weiss niemand, ob und wie weit diese Fehlbeträge in den Jahresrechnungen ausgeglichen werden.

Globalbudgets entmündigt Kantone und führt zu Rationierungen

Die Vorlage Sparpaket 2 führt zu einem bürokratischen Planungs-Monster mit der Gefahr von langen Wartezeiten. Die vorgesehene “Steuerung” geht nicht nur an den Patientenbedürfnissen vorbei, sie unterläuft auch die Kompetenzen der Kantone massiv. Da der Bundesrat entscheidet, welchen Patientengruppen wieviel Ressourcen zukommen sollen, sind massive Verteilkämpfe zwischen Kantonen, Leistungserbringern und verschiedenen Patientenorganisationen zu erwarten. Insgesamt droht durch die massiven planerischen Eingriffe des Bundesrates eine Vergiftung des gesundheitspolitischen Klimas, wobei die Gesamtsteuerung des Bundesrates ohne demokratische Überprüfbarkeit erfolgen würde. Die vorgeschlagenen Massnahmen beruhen auf einer einseitigen, etatistischen Sichtweise und führen zu einer massiven Zunahme an staatlicher Planung, der kaum ein signifikanter Nutzen gegenübersteht. Demensprechend würde sich mit der Umsetzung dieser weitgehend unpraktikablen Massnahmen die Schwerfälligkeit des Systems erhöhen und es käme zu einem massiven Zuwachs an Bürokratie.

Parteien, Kantone und Spitäler und Patientenorganisationen sind alarmiert: Plant der Bundesrat ausgerechnet in der Corona-Krise einen Kahlschlag in der Spitalversorgungslandschaft?

Ein Überblick zeigt, wieso sich Parteien und Gesundheitsorganisationen skeptisch äussern. Alle Bundesratsparteien können mit dem Paket wenig anfangen. Die SVP kritisiert: «Statt die vernetzte Versorgungsplanung zu fördern, würden die Akteure im Gesundheitswesen durch planwirtschaftliches Silo-Denken in Sippenhaft genommen. Die SVP lehnt es strikt ab, dass durch sozialistische Staatsvorgaben die Rationierung in der Gesundheitsversorgung Einzug hält. In der Waadt haben solche Zielvorgaben mitnichten zu Kosteneinsparungen geführt, sondern lediglich die Kosten zu grösseren Teilen den Steuerzahlenden aufgebürdet».
Auch die SP weist auf die Gefahr von Rationalisierungen hin, die von der bundesrätlichen Vorlage ausgeht: «De même, il est impératif, de veiller à ce que l’instrument proposé, lors de sa mise en oeuvre, n’aboutisse pas, de facto, à und rationalisation de soins. «Sa mise en œuvre (…) relève sans équivoque d’une économie planifiée pour notre politique de santé», ergänzt die FDP, «Ce modèle étatique générerait une bureaucratie démesurée et conduirait à terme à de mauvaises allocations des ressources ainsi qu’à un rationnement des prestations».
Die CVP bemängelt, dass der bundesrätliche Vorschlag mit seinem Kaskadenmodell und einzelnen Kostenblöcken in der Umsetzung kompliziert und seine Praxistauglichkeit in Frage gestellt sei. Kritisch beurteilt sie die Aufteilung auf die verschiedenen Kostenblöcke, insbesondere, da dies der koordinierten und integrierten Behandlung zuwiderlaufe. Die alleinige Sicht auf einzelne Kostenblöcke berge die Gefahr, dass das im Gesundheitswesen weit verbreitete Vertreten partikularer Interessen weiter verfestigt würde. Zu einer effektiven Kostendämpfung führe aber nur die integrierte Sicht auf die Versorgungsketten und nicht die individuelle Sicht auf die jeweils betroffene Finanzierungssituation einzelner Berufsgruppen oder Institutionen. «Der Bundesrat wird gebeten, die in der Initiative vorgeschlagenen verschiedenen objektiven Ziel- und Vergleichswerte für das Kostenwachstum nochmals zu prüfen, da diese unseres Erachtens klarer, einfacher und darum auch besser nachvollziehbar wären».

Fazit: Die Globalbudget Vorlage ist nicht mehrheitsfähig

Ablehnend auch die GDK: «Die Einführung einer Zielvorgabe ist in der Praxis wohl nur schwer machbar, zumal der administrative Aufwand für die Kantone massiv steigen würde. Zudem besteht die Gefahr, dass das heutige regulierte Wettbewerbssystem durch zusätzliche Regulierungen untergraben werden würde. Das geltende System mit Zulassungsbeschränkung und Spitallisten bietet bereits heute Möglichkeiten, die Mengenausweitung zu beeinflussen», bringt die GDK ihre Bedenken auf den Punkt. Städte und Gemeindeverband sehen es ähnlich.
Insgesamt fällt der Vorschlag Berset 2 bei allen Gesundheitsversorgern, insbesondere bei den Spitälern, komplett durch. Und neben den Kantonen und Parteien üben auch die Gemeinden, die Wirtschaft und Verbände des Gesundheitswesens heftige Kritik.
Mitten in der Corona-Krise, wo alle händeringend nach Spitalkapazitäten rufen, will der Bund mit Globalbudgets und verschärfter Unterfinanzierung die Spitäler schwächen, statt sie zu stärken und versucht, ihre Leistungen deckeln. Im absehbaren Hickhack um eine Rationierung manövriert sich der Bundesrat mit dieser unausgereiften Vorlage in eine weitere gesundheitspolitische Sackgasse.
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