Sparpotential bei den Sachkosten

Mit einem effizienten Sachkostenmanagement könnten Spitäler Einsparungen von bis zu 30 Prozent erreichen. Andreas Heizmann erklärt im Interview, welche Voraussetzungen es dafür braucht.

, 17. Mai 2019 um 04:00
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Sieben Jahre nach Einführung der Vergütung über Fallpauschalen ist der Kostendruck nun spürbar in den Häusern angekommen. Wo sehen Sie Sparpotential? Die Reserven sind aufgebraucht. Die Spitäler müssen sich rascher bewegen, wenn sie nachhaltig wirtschaftlich arbeiten möchten. Dabei ist die EBITDAR-Marge der massgebliche Indikator dafür, ob sich die Gesundheitsversorger langfristig eigenständig bewegen können. Aus meiner Sicht gibt es nun drei Hebel, um Kosten einzusparen: Hebel eins: mehr Leistung erbringen, insbesondere durch Portfolio- und Mengenausweitungen. Hebel zwei: beim Personal sparen und Hebel drei: die Effizienz beim Sachkostenmanagement steigern.
Die Hebel eins und zwei sind weitgehend ausgereizt. Bleibt also nur noch das Sachkostenmanagement. Sind sich die Spitäler bewusst, dass hier ein erhebliches Potenzial schlummert? Da sind wir nicht sicher. Die Spitäler versuchen immer noch, das Sachkostenmanagement, also den Einkauf, über die bestehenden Systeme und Organisationen abzuwickeln. Inzwischen gibt es aber Ansätze, die viel effizienter sind. Insbesondere plattformbasierte, digitale Instrumente, die in anderen Industrien schon lange Standard sind.
In Zahlen ausgedrückt: Wie viele Prozent lassen sich mit einem effizienten Sachkostenmanagement einsparen? Die Resultate zeigen, dass Kosteneinsparungen zwischen 10 und 30 Prozent möglich sind. Die Höhe der effektiven Einsparungen hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Gesundheitsversorger, damit sie ihre Rolle im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Druck und Leistungsqualität wahrnehmen können? Wie gesagt bildet eine nachhaltig positive EBITDAR-Marge die Grundlage, um sich weiterentwickeln zu können. Um den immer höher werdenden Standards gerecht zu werden, braucht es dazu auch wertschaffende Einkaufs- und Supply-Chain-Prozesse. Die grössten Herausforderungen sehe ich für Spitäler und deren Einkaufsgemeinschaften einerseits darin, organisationsweit und -übergreifend mittels Datenanalysen Potentiale für Optimierungen zu erkennen. Und andererseits besteht vielerorts eine grosse Unsicherheit bezüglich der Frage, ob und wie Abläufe durch Digitalisierung tatsächlich effizienter gestaltet werden können.
Andreas Heizmann ist Gründer eines plattformbasierten B2B-Netzwerkes für das Gesundheitswesen. Er absolvierte ein Studium der Wirtschaftsgeschichte an der Uni Zürich, machte an der HSG einen MBA und war anschliessend 11 Jahre in der Beratungsbranche tätig. Seine Kernthemen sind u.a Healthcare und Supply-Chain-Management. 
Anders als bei den fixen Personalkosten lassen sich Einsparungen bei den variablen Sachkosten auch kurzfristig realisieren. Welche Voraussetzungen braucht es hierfür? Voraussetzung dafür sind Spitalmanager, welche die strategischen Hebel erkennen, um sich langfristig fit zu machen im Markt. Daneben braucht es auch den Mut, etwas zu verändern und in Angriff zu nehmen. Die Erfahrung zeigt, dass dies agil, also in kleinen Schritten mit rasch vorzeigbaren Resultaten, angegangen werden sollte. Zu grosse Projekte ziehen sich über mehrere Jahre hin und drohen zu versanden.
Wie weit sind die Spitäler derzeit? Generell beobachten wir, dass das Bewusstsein in den Führungsetagen langsam reift und der Dialog zwischen den verschiedenen Stakeholdern langsam in Gang kommt. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen den Spitälern.
Wie können Gesundheitsversorger ein effizientes Sachkostenmanagements umsetzen? Potential sehe ich hier unter anderem in der elektronischen Abwicklung von Einkaufsprozessen. Moderne Systeme ermöglichen einen durchgängig digitalen Workflow vom ersten Beschaffungsantrag über die Identifikation möglicher Produkte und Lieferanten bis zur Bestellabwicklung, was die Effizienz zweifellos steigert. Zudem beinhalten solche Systeme häufig auch Optimierungsfunktionalitäten hinsichtlich Produktportfolio und Kosten. Gleichzeitig können die zunehmenden Compliance und Governance –Anforderungen von Beschaffung und Materialbewirtschaftung erfüllt werden.
Welches sind die Hintergründe für die zunehmenden Anforderungen an Compliance und Governance im Sachkostenmanagement? Zunächst werden an medizinische Produkte generell immer mehr Anforderungen zur Verbesserung der Patientensicherheit gestellt. Die Umsetzung der Medical Devices Regulation in Europa spielt hier eine wichtige Rolle. Weiter sind auch regulatorische Anforderungen an die Beschaffungen selber, wie das Beschaffungsrecht oder die eben verschärften Rabattbestimmungen, zu berücksichtigen. Und schliesslich werden – gerade wenn es um Beschaffung geht – auch die internen Kontrollmechanismen immer strenger.
Der Bundesrat hat vor kurzem beschlossen, die Rabatt-Bestimmungen bei Medizinprodukten bis 2020 zu verschärfen. Welche Auswirkungen könnte dieser Entscheid auf die Spitäler haben? Grundsätzlich sind solche Verträge ja weiterhin möglich. Sofern die daraus resultierenden Rückvergütungen aufgeschlüsselt und dem Kostenträger, sprich dem Krankenversicherer weitergereicht werden. Jedoch ist dies in den meisten Fällen ein teurer Durchlauferhitzer. Der strategische Einkauf wird bei Netto-Preisen aufwändiger, weil auf effektiven Bezugsmengen verhandelt werden muss. Auch hier helfen digitale Instrumente für eine effiziente Umsetzung. Wir beobachten, dass vorausschauende Spitäler ihre Verträge bereits seit längerem am Umstellen sind.
Wie sieht der optimale Endzustand eines effizienten Sachkostenmanagements aus? Im Idealfall sehe ich eine Lieferkette, die End-to-End vom Lieferanten bis zum Patienten digitalisiert ist.
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