Soll etwa Bern einschreiten, wenn in Sainte-Croix ein Hausarzt fehlt?

Wie weiter nach dem Stopp des Ärztestopps? Gesundheitsminister Alain Berset erläuterte, was er von Honarar-Anpassungen, unterschiedlichen Tarmed-Tarifen und den Angriffen auf die freie Arztwahl hält.

, 8. Januar 2016 um 12:00
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Erstmals seit dem verblüffenden Nein des Parlaments zum Zulassungstopp nimmt nun der Gesundheitsminister in einem grossen Interview Stellung. In der «Tribune de Genève» stellt Alain Berset klar, dass der Entscheid in gewissen Kantonen für die Prämienzahler «sehr wichtige Konsequenzen» haben werde.
Die Erfahrung von 2012 – als der Ärztestopp vorübergehend aufgehoben wurde – habe klar gezeigt, was geschieht. «Wenn das Parlament die Erfahrung wiederholen will, nun gut, dann kann man das tun!» Die Entschädigungen in der Schweiz seien nun mal sehr attraktiv für ausländische Ärzte, und jede neue Praxis schaffe in der Grundversicherung Zusatzkosten von einer halben Million Franken.

Tarife runter – Mengen hoch

Insgesamt signalisiert das Gespräch doch erhebliche Ratlosigkeit: Alain Berset skizziert in der «Tribune de Genève» keine Lösung, die in der jetzigen Situation weiterführt.
Es sei illusorisch, sagt er beispielsweise, die Kosten der ambulanten Versorgung durch Anpassungen in der Tarmed-Struktur unter Kontrolle bringen zu wollen. Die letzten Anpassungen hätten ja gezeigt, dass die Spezialärzte die Honorarsenkungen einfach durch Mengenausweitungen korrigiert hätten. 

«Cabinets médicaux: Berset me mâche pas ses mots», in: «Tribune de Genève», 8. Januar 2016

Bemerkenswert sind ferner Bersets Überlegungen zur Idee, regional unterschiedliche Tarife einzuführen: Dann, so seine Überlegung, müsste also Bern festlegen, dass beispielsweise in Sainte-Croix ein Hausarzt fehlt. Folglich würden dort die Tarife erhöht – und zwar so, dass ein Arzt angelockt wird. Aber nicht zwei oder drei. Oder sollte man die Tarife dann wieder senken, damit ein Arzt wieder die Praxis schliesst und am Ende die Zahl stimmt?
«Das hiesse, einen immensen Verwaltungsapparat aufzubauen in der Hoffnung, dass man am Ende richtig liegt», so der SP-Politiker über die Idee regional unterschiedlicher Tarmed-Tarife.

Und woher kriegen wir die Mehrheit?

Bleibt der nächste gern genannte Vorschlag: Schluss mit der freien Arztwahl. Er sei schon bereit, dies zu prüfen, so Berset. Doch bislang habe ihm noch niemand gezeigt, wie das gehen soll – und vor allem: wie sich dafür eine Mehrheit gewinnen liesse. So oder so habe man es hier allenfalls mit einem sehr langfristigen Projekt zu tun, doch gewiss nicht mit einer Lösung für Juli 2016 (also für den Zeitpunkt, wo der Zulassungsstopp enden wird).
«Ich bin immer bereit, mit allen betroffenen Akteuren sehr konstruktiv zu arbeiten», so Bersets eigene Einschätzung, «aber es braucht auch eine gewisse Verlässlichkeit der Beteiligten.»
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