So ungesund sind Handys für Ärzte

Smartphones sind für Ärzte äussert nützlich – wenn sie sich nicht zu Sklaven der Geräte machen. Eine Analyse zeigt, wo die Gefahren lauern.

, 19. April 2021 um 05:00
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Smartphones ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten, jederzeit und von jedem Ort aus in die Versorgung ihrer Patienten einzugreifen - ein grosser Vorteil. Doch dieser ständige Zugriff kann auch schädlich sein: Er erhöht den Arbeitsdruck und verwischt die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben. Das Phänomen wird mittlerweile als Freiheits-Versklavungs-Paradox bezeichnet.

Chirurgen besonders gefährdet

Insbesondere Chirurgen und Chirurginnen sind von diesem Paradox betroffen, wie eine Analyse von kalifornischen Medizinern zeigt. Sie nutzen Handys besonders häufig, weil sie nicht in einem Büro sitzen, sondern ständig zwischen Kliniken, Operationssälen und Sitzungen unterwegs sind. Dazu kommt, dass in der Chirurgie meistens sehr engagierte Personen arbeiten, die im hektischen und anspruchsvollen Umfeld eines Spitals erhebliche Opfer bringen.
Ein mobiles Gerät ist für sie äusserst nützlich (siehe weiter unten), hat aber auch gravierende Nachteile. Etwa die Unterbrechung des Arbeitsablaufs. Besonders in der Chirurgie ist erwiesen, dass Abweichungen von normalen Arbeitsabläufen die Sicherheit und Effizienz beeinträchtigen können.

Mindestens 87 Sekunden abgelenkt

In einer Studie aus dem Jahr 2018 beobachteten Forscher Fälle, in welchen Smartphones während der Operation verwendet worden sind und stellten fest, dass jedes Nutzungsereignis durchschnittlich 87 Sekunden dauerte. Die Gesamtzeit der Ablenkung der Aufmerksamkeit dauerte meistens noch länger als die tatsächliche Nutzung.
Smartphone-Nutzer haben auch ein anderes Auftreten. Wer aufs Smartphone schaut, verhält sich anderen gegenüber invasiver, unhöflicher und störender. Solche Verhaltensweisen eines Arztes wirken sich negativ auf Patienten, Mitarbeitende und auch auf das Privatleben aus. Darüber hinaus erschweren Smartphones die Einhaltung der Grenzen zwischen Beruf und Privatleben.

Eine elektronische Leine

Die Kommunikationsgeräte fungieren als elektronische Leine für die Arbeit. Was zu zahlreichen negativen Konsequenzen führt: Die Arbeitszeiten werden länger, es wird auch erwartet, dass Ärzte übers Handy mehr verfügbar und sofort reaktionsfähig sind. Längerfristig führt das zu mehr Fehlzeiten, erhöhtem Stress, geringerer Produktivität und der Unfähigkeit, persönliche Beziehungen und Hobbys aufrechtzuerhalten.

Die sechs Gefahren des Handys

  • Zu viele unerwünschte Störungen und Ablenkungen
  • Die Aufmerksamkeit wird von wichtigeren Aufgaben abgewendet
  • Unhöfliches und störendes Auftreten
  • Schafft die Erwartung einer erhöhten Verfügbarkeit und sofortigen Reaktionsfähigkeit
  • Macht es schwierig, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben einzuhalten
  • Führt zu längeren Arbeitszeiten, erhöhtem Stress und geringerer Produktivität
Zahlreiche Studien zeigen, dass lange Arbeitszeiten, die mangelnde Kontrolle über den eigenen Zeitplan und Gewohnheiten, die für ein ausgeglichenes Leben kontraproduktiv sind, einen wesentlichen Beitrag zu einem Burnout leisten.

Dem Burnout vorbeugen

Deshalb ist es wichtig, dass Ärzte und Ärztinnen mit Hilfe von zusätzlichen technischen Einrichtungen am Smartphone ihre Belastung verringern. Beispielsweise können Apps von Vorteil sein, die es ermöglichen, eingehende Nachrichten nach ihrer beruflichen Dringlichkeit zu sortieren.
Nützlich sind auch Apps, die messen, wie häufig das Smartphone verwendet wird und die überwachen, ob das Gerät zu unangemessenen Zeiten oder in unangemessenem Umfang genutzt wird. So könnten Ärzte und Ärztinnen verhindern, dass sie durch die ständige Erreichbarkeit per Smartphone permanent überbeansprucht werden.

Genereller Handy-Verzicht ist keine Lösung

Keine Lösung dürfte es sein, einfach aufs Smartphone zu verzichten, denn die mobilen Geräte haben für Ärzte und Ärztinnen auch grossen Nutzen. Sie können sich schnell und einfach von externen Kollegen oder Spezialisten beraten lassen. Auf den Smartphones lassen sich auch rasch klinische Bilder übertragen und aus der Ferne auswerten.
Zudem lassen sich auch zahlreich medizinische Apps nutzen, beispielsweise Dosierungsanleitungen für Medikamente, klinische Richtlinien oder Leitfäden für chirurgische Geräte. Sie können sogar Zugang zu ganzen Lehrbüchern bieten. Immer öfter nutzen Chirurgen zudem soziale Medien wie Twitter und Facebook, um relevante medizinische Informationen zu verbreiten und zu diskutieren.

Die sechs Vorteile des Handys

  • Einfachere Zusammenarbeit zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtungen und Ausbildungsstufen
  • Ermöglicht es, schnell sachkundigen Rat von externen Kollegen oder Spezialisten einzuholen
  • Klinische Bilder lassen sich übertragen und aus der Ferne auszuwerten
  • Synchrone Kommunikation bei Problemen
  • Viele Apps, die als Leitfaden für die medizinische Versorgung dienen können
  • Zugriff auf Twitter oder Facebook zur Verbreitung und Diskussion medizinischer Informationen
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