Rehakliniken leiden unter veraltetem Physiotarif

Rehakliniken haben spezielle Herausforderungen zu meistern. Zu schaffen macht ihnen insbesondere die unterfinanzierte Physiotherapie. Ein Besuch in der Reha Rheinfelden.

, 20. Juli 2017 um 06:23
image
  • reha
  • physiotherapie
  • tarmed
  • spital
  • reha rheinfelden
Ob Tarmed-Revision, «ambulant vor stationär» oder Qualitätsmessungen im Gesundheitsweisen – stets ist nur von Akutspitälern die Rede. Die Rehakliniken gehen weitgehend vergessen. Sie sind aber von diesen Entwicklungen ebenfalls betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.
Matthias Mühlheim kennt die Herausforderungen von Rehakliniken. Seit 1996 wirkt er bei der Reha Rheinfelden; seit 1999 als deren administrativen Direktor. Sein Hauptproblem ist nicht der eigenwillige Tarmed-Tarifeingriff von Gesundheitsminister Alain Berset. Zu schaffen macht ihm vielmehr der unterfinanzierte Tarif in der Physiotherapie. Das Problem ist längst erkannt. Doch Matthias Mühlheim bedauert, dass es nicht vorwärts geht.

Andere Probleme

Mitte letzten Jahres haben der Krankenkassenverband Curafutura und der Spitalverband H+ dem Bundesrat eine neue Physiotherapie-Tarifstruktur zur Genehmigung eingereicht. Zumindest im Phyisiobereich scheinen sich also die Tarifpartner einigen zu können. Doch mit Santésuisse und insbesondere Physioswiss fehlten zwei wichtige Player am Verhandlungstisch.
Der Bundesrat befand deshalb, die Tarifpartner seien nicht genügend repräsentativ und entschied, die Gültigkeit der bestehenden, veralteten Tarifstruktur bis Ende 2017 zu verlängern 
image
Die Therapie am Lokomat wird mit dem Physiotherapietarif nicht vergütet.
«Physioswiss vertritt vor allem die Interessen der selbstständigen Physiotherapeuten. Sie haben andere Probleme als wir», stellt Mühlheim fest. Er zeigt in der Physio in Rheinfelden einen Lokomat der Firma Hocoma. Ein Hightech-Gerät, mit dem Patienten mit schweren neurologischen Beeinträchtigungen wieder laufen lernen.
«Die Therapie an diesem Gerät wird mit dem Physiotherapietarif nicht vergütet», bemängelt Mühlheim. Vergütet wird nur die Arbeit des Therapeuten; doch für die Amortisation des Geräts gibt es nichts. «Selbstständige Physiotherapeuten haben keine solchen Geräte; also sind sie von der Unterfinanzierung in diesem Bereich nicht tangiert». Das gleiche gelte für Behandlungen mit zwei Therapeuten.
Die Reha Rheinfelden ist ein Rehabilitationszentrum für Neurologie, Orthopädie, Rheumatologie und Sport. Letztes Jahr behandelte sie 2'100 Patienten stationär und beschäftigte 560 Personen.
Auch die Physiotherapie bei Kindern ist stark defizitär. «Der Zuschlag, den man für die Physiotherapie mit Kindern in Rechnung stellen kann, vermag den zusätzlichen Aufwand niemals zu decken», erklärt Mühlheim. Mit dem von Curafutura und H+ eingereichten und vom Bundesrat abgelehnten Tarifverträg wären diese Versäumnisse korrigiert worden.

Falsche Anreize

Die Unterfinanzierung des ambulanten Bereichs ist für die Reha Rheinfelden insofern verkraftbar, da knapp 90 Prozent des Umsatzes im stationären Bereich erzielt werden. Abgerechnet wird hier nicht mit DRG, sondern mit Tagespauschalen nach Schweregrad.
Besteht da nicht ein gewisser Anreiz, die Leute eher zu lange stationär zu behalten, da die ambulante Therapie defizitär ist? Der Reha-Direktor winkt ab. «Wir haben im stationären Bereich eine volle Auslastung und Wartezeiten und daher keinerlei Interesse, Patientinnen und Patienten länger als nötig zu behalten.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Das Potenzial der vernetzten Radiologie

Das traditionelle Spitalkonzept muss sich ändern, um den Anforderungen des sich wandelnden Gesundheitswesens gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür ist das "Hub and Spoke"-Modell. Am Beispiel des Kantonsspitals Baden (KSB) zeigen wir, wie dieser Ansatz Synergien in der Vernetzung verbessern kann.

image

Spital Samedan prüft Zusammenschluss mit Kantonsspital Graubünden

Die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin untersucht zwei strategische Wege in eine nachhaltige Zukunft.

image

Julia Hillebrandt übernimmt Leitung der Rehaklinik Wald

Zugleich bleibt die Ökonomin weiterhin CEO der Klinik Lengg.

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.