So viel Pharma-Gelder fliessen an Ärzte-Gesellschaften

Neue Zahlen zeigen, wie stark die Ärzte-Verbände von der Pharma finanziell unterstützt werden. Das sei problematisch, sagt HSG-Gesundheitsökonom Tilman Slembeck.

, 18. Oktober 2016 um 08:19
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Seit ein paar Monaten veröffentlichen in der Schweiz die wichtigsten Pharma-Firmen ihre Zahlungen an Ärzte und Gesundheitsinstitutionen. Rund 60 Unternehmen, die sich in der Schweiz auf den Transparenzkodex verpflichten, bezahlten im Jahr 2015 gut 134 Millionen Franken.
Eine Auswertung von SRF Data hat nun die Zahlungen an Ärztegesellschaften zusammengetragen und gebündelt. Rund 8 Millionen Franken bekamen Dutzende von Ärztegesellschaften im Jahr 2015 von der Pharma. Als Spenden, für Sponsoring von Events oder als Honorar für Dienstleistungen.
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Die Daten hat SRF aus dem Pharma-Kooperations-Kodex zusammengetragen (SRF)

Unabhängigkeit gewährleistet?

Für Tilman Slembeck, Gesundheitsökonom an der Universität St. Gallen (HSG), stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit dieser Verbände und Fachgesellschaften: «Es ist logisch, dass man ein Produkt, das man empfohlen bekommen hat, eher verwendet als ein anderes», erklärt er im Bericht auf SRF.
Und weiter: «Pharmafirmen sind sehr professionelle und profitorientierte Firmen. Wenn die solche Zahlungen machen, muss man davon ausgehen, dass die das nicht als Geschenk machen, sondern dass sie sich letztlich auch eine Wirkung für ihr Geschäft versprechen.»

Was die Forschung dazu sagt

Am meisten Geld bekam die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK). Geldgeber hätten keinen Einfluss darauf, welche Forschung man durchführe, schreibt die Non-Profit-Organisation in einer Antwort an SRF
Die erwähnten Zahlungen würden für Weiterbildung und Nachwuchsförderung verwendet. Dies sei nötig, weil die Unterstützung durch den Bund beschränkt sei, heisst es weiter. 

FMH: Regeln existieren

Laut Jürg Schlup, Präsident der Ärzteverbindung FMH, bestehen Regeln für Transparenz bei den Zahlungen. «Als privater Verein können wir aber nicht gesetzlich eingreifen», sagt er am Montag in der Sendung «10vor10». Der Verzicht aller Zahlungen der Pharmaindustrie sei nicht möglich: Weiterbildungen in der heutigen Form wären nicht mehr möglich, da ein Grossteil der Gelder dorthin fliesse.
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