Pflegepersonal: 19 Prozent mehr Nachwuchs - aber ...

Zwischen 2012 und 2019 ist der Bestand des Pflege- und Betreuungspersonals in den Gesundheitsinstitutionen um 29'100 Personen gestiegen. Trotzdem besteht Handlungsbedarf.

, 6. September 2021 um 14:24
image
Von 2019 bis 2029 besteht ein erheblicher Nachwuchsbedarf in der Gesundheitsbranche: 43'400 Personen beim Pflegefachpersonal auf Tertiärstufe (HF- und FH-Ausbildungen) und von 27'100 Personen beim Pflege- und Betreuungspersonal der Sekundarstufe II. Gemäss dem Referenzszenario lassen sich mit dem verfügbaren Nachwuchs 67 Prozent (Tertiärstufe) beziehungsweise 80 Prozent (Sekundarstufe II) des Bedarfs abdecken. Das ist das Ergebnis des nach 2009 und 2016 dritten Nationalen Versorgungsberichts zum Gesundheitspersonal in der Schweiz, den das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) sowie die Nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit OdASanté erarbeitet haben.

Spitex-Bereich 39 Prozent Zuwachs 

Die Prognose für 2029 basiert auf einer weiteren Steigerung der Zahl der Ausbildungsabschlüsse bei den Pflegeberufen, nachdem die Ausbildungstätigkeit in den vergangenen Jahren bereits intensiviert werden konnte. So stieg die Zahl der jährlichen Abschlüsse auf Tertiärstufe Pflege zwischen 2012 und 2019 von rund 1800 auf knapp 3000, und auf der Sekundarstufe II von 4000 auf fast 6200.
Auch bei den medizinisch-technischen und medizinisch-therapeutischen Berufen haben die Abschlüsse in den letzten Jahren zugenommen. «Die intensiven Anstrengungen der vergangenen Jahre zeigen Wirkung», lässt sich Anne-Geneviève Bütikofer, Präsidentin von OdASanté und Direktorin von H+ Die Spitäler Schweiz, im Communiqué der GDK zitieren. Auch im laufenden Jahr sei eine positive Tendenz bei den Eintrittszahlen in eine Ausbildung im Pflegebereich festzustellen. 
Zwischen 2012 und 2019 ist der Bestand des Pflege- und Betreuungspersonals in den Gesundheitsinstitutionen um 29'100 Personen angestiegen. Das ist ein Zuwachs von 19 Prozent. Am stärksten war der Personalzuwachs mit 39 Prozent im Spitex-Bereich, gefolgt von den Alters- und Pflegeheimen (plus 17%) sowie den Spitälern und Kliniken (plus 13%).

Die grosse Lücke bleibt 

«Wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen», betont Bütikofer. Denn trotz der erfreulichen Entwicklungen und Prognosen bei den Ausbildungsabschlüssen im Pflegebereich bestehe bis 2029 mit dem prognostizierten Deckungsgrad von 67 Prozent beziehungsweise 80 Prozent noch immer eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Bedarf.
Diese Lücke wird heute zu einem grossen Teil von Personen mit ausländischem Diplom aufgefangen: Beim diplomierten Pflegefachpersonal beträgt ihr Anteil am Personalbestand im Durchschnitt 30 Prozent, wobei grosse (sprach-)regionale Unterschiede bestehen. 
«Theoretisch würden die prognostizierten Ausbildungsabschlüsse bis 2029 ausreichen, um den Bedarf zu decken, der aufgrund der erwarteten Inanspruchnahme von Leistungen sowie durch Pensionierungen entsteht», schreibt die GDK. Die prognostizierte Lücke sei im Wesentlichen das Resultat von vorzeitigen Berufsaustritten und von Verlusten beim Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt. 

Erneuter Apell an die Politik

Neben einer weiteren Steigerung der Ausbildungsabschlüsse brauche es deshalb Massnahmen zum Erhalt des Gesundheitspersonals wie die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gute Einarbeitung (z.B. mit Mentoring-Modellen). Auch im Bereich Laufbahnplanung, berufliche Entwicklung und Talentförderung liege noch Potenzial brach.
Verantwortlich für solche förderlichen Arbeitsbedingungen seien primär die Betriebe. «Doch auch Politik und Behörden müssen die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen und genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Auch im Bereich der Ausbildung sind die Kantone gefordert, indem sie mittels Ausbildungsverpflichtungen dafür sorgen, dass sich die Betriebe im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Nachwuchssicherung beteiligen», macht die GDK erneut aufmerksam. 
Bereits beschlossen hat das Eidgenössische Parlament eine Ausbildungsoffensive, in deren Rahmen Bund und Kantone für Ausbildungsbeiträge je maximal 469 Millionen Franken zur Verfügung stellen. Diese Ausbildungsoffensive tritt zusammen mit zusätzlichen Kompetenzen für das Pflegefachpersonal in Kraft, wenn die Volksinitiative für eine starke Pflege am 28. November vom Stimmvolk abgelehnt wird.
Hier geht es zum Nationalen Versorgungsbericht 2021.

SBK zum Nationalen Versorgungsbericht

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK begrüsst den neuen Versorgungsbericht: Er bestätige, dass eine Ausbildungsoffensive bei den diplomierten Pflegefachpersonen dringend sei und es Massnahmen brauche, um die die Ausgebildeten im Beruf zu halten. Nur so könne die pflegerische Versorgung gesichert und die Auslandsabhängigkeit reduziert werden. Genau das werde mit der Pflegeinitiative umgesetzt, über die am 28. November abgestimmt werde, heisst es in der Medienmitteilung.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Krankenkassen – gute Regulierung gegen steigende Kosten und Prämien

Verena Nold, Fridolin Marty und Reto Wyss haben sich hier im April zu den steigenden Kosten und Krankenkassenprämien geäussert. Für Felix Schneuwly hat Fridolin Marty die besten Argumente.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.

image

Deutsche Apotheker empört wegen Karl Lauterbachs Gender-Vorschlag

In Deutschland soll der Warnhinweis bei der Medikamentenwerbung geschlechtergerecht formuliert werden. Der Vorschlag des Bundesgesundheitsministers stösst aber auf harsche Kritik.

image

Studie: Schweizer Spitex benötigt dringend Handlungsbedarf

Die Spitex-Landschaft braucht mehr Ressourcen, eine bessere Vernetzung – und politische Entscheidungen. Dies geht aus einer neuen Studie der Universität Basel hervor.

image

Tertianum wehrt sich gegen «Bussen-Vorwurf»

Die Tertianum-Heime würden Bewohner unrechtmässig büssen, kritisiert ein Konsumentenmagazin. Tertianum kontert: Es sei eine Gebühr.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Blasenkrebs: Dank künstlichen Mini-Tumoren soll die Therapie verbessert werden

Berner Forschenden ist es gelungen, künstliche Mini-Blasentumore zu züchten, an denen sich Medikamente besser testen lassen. Damit sollen die personalisierten Therapien verbessert werden.

image

Am 1. Mai vor 150 Jahren öffnete das Kantonsspital St.Gallen erstmals seine Türen

Das Kantonsspital St.Gallen nahm am 1. Mai 1873 seinen Betrieb auf. Wurden dort im ersten Jahr 895 Patientinnen und Patienten behandelt, sind es heute jährlich über 34'000.