Patientensicherheit: Mehr Design, weniger Fehler

Wenn Mitarbeitende mit ihrer Arbeitsumgebung klarkommen, genesen auch die Patienten schneller. Die Stiftung Patientensicherheit macht in einer neuen Kampagne auf diesen Zusammenhang aufmerksam.

, 10. April 2017 um 06:43
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Spitäler sind komplexe Systeme und darum fehleranfällig. «Viele verschiedene Fachpersonen arbeiten unter Zeitdruck in anspruchsvollen Situationen auf engem Raum zusammen, dabei passieren Fehler», sagt Professor David Schwappach, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Patientensicherheit Schweiz. 
Die Folgen sind gravierend: Laut Schätzungen kommt es in Schweizer Spitälern jedes Jahr zwischen 700 und 1'700 fehlerbedingten Todesfällen. Sie haben ihren Ursprung meist im Zusammenwirken von Mensch und Umgebung.  
Eine ungenügend konzipierte Umgebung wie schlechte Lichtverhältnisse oder rutschige Böden können zu Verwechslungen, Stürzen und Infektionen führen. Umgekehrt kann eine auf Patientensicherheit ausgerichtete Umgebung dazu beitragen, dass das Verhalten der Mitarbeitenden sicherer wird und Fehler minimiert werden.   

Milliarden für neue Spitäler

Angesichts der Investitionen in neue Spitalbauten von über 15 Milliarden Franken (siehe hier) hält die Stiftung den Zeitpunkt für günstig, die Verantwortlichen auf den Zusammenhang zwischen Architektur, Design und Patientensicherheit aufmerksam zu machen.  
Sie regt an, «mehr Patientensicherheit in die Spitalumgebung zu designen». Dabei hat sie zahlreiche Studien zum Thema ausgewertet und legt die Erkenntnisse nun in einer Broschüre vor.
Besonders auf der Intensivstation ist der Einfluss des Designs auf die Genesung gut belegt. Auch ist der Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Natur und der Genesung eklatant. Patienten in Zimmern mit Blick ins Grüne hatten eine deutlich kürzere Aufenthaltsdauer im Spital etwas weniger Komplikationen und mussten weniger Schmerzmedikamente einnehmen. Ganz wichtig sind auch gutes Licht, Ruhe und möglichst wenig Unterbrechungen.  
«Mehr Patientensicherheit durch Design: Systemische Lösungen fürs Spital» - Broschüre Stiftung Patientensicherheit Schweiz, April 2017

Die wichtigsten Faktoren:

Licht

Helles Licht ist besonders dann wichtig, wenn kritische Aufgaben wie das Richten von Medikamenten ausgeführt werden. Ungenügendes Licht begünstigt Medikationsfehler. Medikamentenabgaben sind bei einer Beleuchtung von 1'500 Lux signifikant weniger fehleranfällig als bei weniger als 450 Lux. 
Grundsätzlich wirkt sich helles Licht sowohl für Patienten als auch für Fachkräfte positiv aus. Allerdings muss es möglich sein, das Licht anzupassen und auf die Tätigkeit abzustimmen. Auch sollte es nicht blenden. 

Ruhe

Alarme, Telefone, das Aufreissen von Verpackungen, das Schliessen von Türen, Gespräche: Ein Spital ist eine Ansammlung von Geräuschquellen. Die Überwachung und Alarmierung durch medizintechnische Geräte hat die Patientensicherheit nur bedingt erhöht. «Zu viele irrelevante Alarme führen zu einer Desensibilisierung und zu Stress bei Mitarbeitenden und erhöhen die Fehlerrate», schreibt die Stiftung. 
Empfohlen wird die Einrichtung von stillen Räumen oder Arbeitsplätzen sowie spezielle Räume für den Austausch unter Kollegen. Dies gilt ganz besonders für die Intensivstation. Ist der Geräuschpegel erst einmal erhöht, werden Gespräche deutlich lauter geführt. Lärm führt zu mehr Lärm.

Unterbrechungen

Wird eine Tätigkeit unterbrochen, steigt die Fehlerquote. Und mit jeder Unterbrechung nehmen die Fehler nochmals zu. Unterbrechungen während der Medikamentenadministration etwa führen zu falschen Dosierungen und mangelhafter Händehygiene.
Das Mittel dagegen: Eine prozessorientierte Gestaltung von Arbeitsräumen. Zum Beispiel Materiallager, Schubladen und Regale, die von zwei Seiten bedient werden können. Auch das sterile Cockpit hat sich bewährt, das zum Ziel hat, Konversationen, Telefonanrufe und Ablenkungen bei der Medikamentenkontrolle zu verhindern. Auch ein einfacher Sichtschutz am Medikamentenrichtplatz zeigt bereits Wirkung. 

Standardisierung

Steuerung der Betten, Aufbewahrungsorte, Platzierung der Türen, Design von Verpackungen und Geräten: Möglichst viele Abläufe und Komponenten sollten standardisiert sein. Standardisierung verringert die Anforderungen an das Kurzzeitgedächtnis und ermöglicht intuitives Handeln, was wiederum die Fehleranfälligkeit verringert. Die Stiftung ermahnt auch die Produktehersteller, sich verstärkt darum zu kümmern. 

Einhalten von Regeln

Gutes Design hilft, dass Sicherheitsregeln leichter eingehalten werden können. Etwa indem die richtigen Anreize fürs Gehirn geschaffen werden. So können zum Beispiel Bodenmarkierungen im Operationssaal helfen, den Instrumententisch korrekt zu positionieren. Wird der Desinfektionsspender auf Augenhöhe platziert, verbessert das die Handhygiene. Das gleiche gilt, wenn spezielle Türfallen im OP mit dem Ellbogen geöffnet werden können. 

  • Zum Masterstudiengang «Healthcare and Design» des Imperial College und des Royal College of Art in London.  

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