Neue Teams in der Medizin: Was bedeutet das für die Haftung?

Ein Rechtsgutachten geht einer sehr aktuellen Frage nach: Die Medizin wird in den nächsten Jahren neu organisiert – dies hat auch Folgen für die Verantwortlichkeiten. Welche?

, 27. Oktober 2015 um 13:24
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Es ist eine bemerkenswerte Frage, welche die Schweizerische Akademie der Wissenschaften SAMW hier in den Raum stellt: Die Zusammenarbeit verschiedenster Berufe wird immer wichtiger im Gesundheitswesen – aber was bedeutet das denn für die Verantwortung? Und was für die Haftung des Arztes?
Schon seit einigen Jahren hatte die SAMW all Aufgabenverlagerungen zum Thema gemacht – neue Berufsbilder, neue Zusammenarbeits-Situationen, neue Finanzierungsmodelle, neue Prozesse und Verantwortlichkeiten. Eine «Charta zur Zusammenarbeit der Gesundheitsfachleute» legte im Dezember letzten Jahres neun Prinzipien fest, die hier hilfreich werden könnten. Zum Beispiel: «Die Aus- und Weiterbildungsstätten der verschiedenen Gesundheitsberufe sind vernetzt»
In den Diskussionen danach zeigte sich offenbar, dass damit auch die Frage nach der ärztlichen Verantwortung neu gestellt werden muss. Die SAMW gab daher beim Institut für Gesundheitsrecht der Universität Neuenburg ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dabei ging es einerseits um die Grenzen der Entscheidungskompetenz – aber andererseits auch um die Haftung für medizinische Handlungen. 
Sabrina Burgat, Olivier Guillod: «La responsabilité médicale au regard de la collaboration entre les professionnels de la santé. Mandat confié à l’Institut de droit de la santé par l’Académie suisse des sciences médicales», August 2015.
Das Gutachten kommt zum Schluss, dass grundsätzlich jede Gesundheitsfachperson im Rahmen ihres Tätigkeitsbereichs eine Haftung übernimmt.
Die Haftung für die Handlungen von Dritten – und dies betrifft Ärzte oft besonders – wiederum ist abhängig vom Status dieser Drittperson: Ist sie Hilfsperson, Stellvertreter oder unabhängiger Beauftragter? Je unabhängiger die Drittperson ist, desto umfassender ist die Haftung, die sie selber übernimmt (beziehungsweise welche der Arzt abgibt). 

Handlungen von Hilfspersonen

Der Arzt, die Pflegefachperson oder die private Einrichtung unterliegen einer vertraglichen Haftung, wenn sie mit dem Patienten einen Pflegevertrag abgeschlossen haben. Jede dieser Personen übernimmt auch die Verantwortung für die Handlungen ihrer Hilfspersonen.
Interessant die Frage, ob die geplante Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes hier etwas ändern wird: Immerhin will sie dem Pflegepersonal mehr Autonomie verleihen. Wird damit die Haftung der Ärzte gesenkt? 
Antwort der Juristen aus Neuenburg: Nein. Auswirkungen auf das System der medizinischen Haftung seien nicht zu erwarten. 
Das Gutachten ist hier publiziert. Es ist französisch verfasst, eine Zusammenfassung in deutscher Sprache steht online zur Verfügung, die vollständige deutsche Übersetzung ist in Arbeit.
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