Nach der Gemeindefusion steigt plötzlich die Krankenkassenprämie um 330 Franken

Bei Gemeindefusionen zeigt sich, wie willkürlich die Grenzen der Prämienregionen sind: In Wädenswil wurde die Krankenkasse für einige massiv teurer.

, 26. Februar 2020 um 06:21
image
  • versicherer
  • prämien
  • curafutura
Wenn sich Gemeinden zusammentun, wird oft über jeden Franken gestritten. Ein Kostenfaktor wird aber häufig nicht beachtet: Die Krankenkassenprämien. Jüngste Beispiel ist die Gemeinde Wädenswil. Sie hat 2019 mit Hütten und Schönenberg fusioniert. Bislang zahlten die Einwohner dieser beiden kleinen Gemeinden pro Jahr 330 Franken weniger Krankenkassenprämien als ihre Nachbarn.

Familien müssen 850 Franken pro Jahr mehr zahlen

Doch nun, da sie Wädenswiler sind, erhalten sie auch die gleiche Prämienrechnung. Für eine vierköpfige Familie macht der Aufschlag 850 Franken pro Jahr aus. Wie viel Geld die «richtige Prämienregion» ausmachen kann, zeigt sich gleich in der Nachbarschaft von Wädenswil: In der Nachbargemeinde Menzingen, die bereits zum Kanton Zug gehört, zahlen die Versicherten fast 800 Franken weniger Prämien pro Jahr. Hätten sich die Hüttener und Schönenberger mit Menzingen zusammengeschlossen, wären sie vielleicht ebenfalls in eine so tiefe Prämienregion gerutscht. Oder auch nicht.
Die Zuteilung erledigt der Kanton aufgrund der Gesundheitskosten. Im Fall von Wädenswil war klar: Durch den Anschluss zweier kleiner Gemeinden sinken die Gesundheitskosten im erweiterten Wädenswil kaum stark. Die Aufstufung in die höhere Region dürfte deshalb rein rechnerisch gerechtfertigt sein.

Bundesrat will Regionen abschaffen, Krankenkassen nicht

Doch warum gibt es die Prämienregionen überhaupt noch? Eigentlich wollte sie der Bundesrat vor zehn Jahren abschaffen, scheiterte jedoch knapp. Aus Sicht des Bundesrats schwächen die Prämienregionen die Solidarität, auf der die Grundversicherung aufbaut.
Anderer Meinung sind die Krankenkassen. Sie wollen die Prämienregionen unbedingt beibehalten: «Prämienregionen versuchen regionale Kostenunterschiede abzubilden», erklärt Ralph Kreuzer vom Krankenkassenverband Curafutura. «Regional günstigere Prämien sind auch die Folge regional günstigerer Gesundheitskosten.» Auch Matthias Müller von Santésuisse verteidigt die regionalen Unterschiede vehement: «Es ist eine von wenigen Möglichkeiten, um den haushälterischen Umgang mit den Mitteln zu belohnen», sagt er. Es brauche deshalb eher mehr Instrumente, die die Eigenverantwortung stärken, und nicht weniger.

Auch Landbewohner nutzen Stadtspitäler

Es ist in der Tat kein Zufall, dass Basel-Stadt oder Genf die höchsten Gesundheitskosten und damit auch die höchsten Prämien haben. Doch warum sollen ausgerechnet Städter höhere Prämien zahlen, obwohl auch Bewohner ländlicher Regionen das volle medizinische Angebot in den Städten nutzen können – und das auch immer öfter tun?
«Würden die Prämien nivelliert, könnte das dazu führen, dass Versicherte ihre Prämien nicht mehr bezahlen könnten, weil das verfügbare Einkommen nicht in jeder Region gleich hoch ist», befürchtet Ralph Kreuzer. Und für Matthias Müller  ist klar: «Es wäre das falsche Signal, wenn die Bevölkerung in Regionen, in denen systematisch weniger medizinische Leistungen konsumiert werden, Regionen mit Überversorgung subventionieren müssten.»

Je grösser die Stadt, desto höher die Zahlungsbereitschaft

Kritiker der Prämienregionen glauben allerdings nicht an die höherer Eigenverantwortung der Landbewohner. Sie gehen von einer höheren Zahlungsbereitschaft der Städter aus: In Bern etwa sind die Versicherten bereit, durchschnittlich 420 Franken pro Monat für die Krankenkasse zu zahlen. Dafür wollen sie dann auch eher einen Nutzen aus ihren hohen Versicherungskosten schlagen und gehen schneller zum Arzt.
Knapp 30 Kilometer weg von der Hauptstadt, in Thun, müssen die Versicherten nur noch 373 Franken im Monat zahlen. Liegt das wirklich an der gesunden Oberländer Luft und an der grossen Eigenverantwortung? Oder profitieren die Thuner eher wie Trittbrettfahrer davon, dass ihnen trotz tiefer Prämie im Notfall in Bern die teure Infrastruktur des Inselspitals zur Verfügung steht?
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der neue Krankenkassenverband heisst Prio.swiss

Felix Gutzwiller wird Übergangs-Präsident des neuen Verbands der Schweizer Krankenversicher. Konrad Graber geht.

image

Spitaldirektor Kübler soll Swica-Präsident werden

Die Krankenversicherung Swica will Werner Kübler zum Verwaltungsratspräsidenten machen. Er ist noch bis nächsten April Direktor des Unispitals Basel.

image

Auch Nationalrats-Kommission will Lohndeckel bei Krankenkassen

Die zuständige Gesundheitskommission stimmt für die Idee, dass der Bundesrat eine Obergrenze für Kassen-Manager festlegt.

image

Groupe Mutuel: Preisstreit mit Genfer Klinik beigelegt

Das Hôpital de La Tour und die Groupe Mutuel haben einen Dreijahresvertrag unterzeichnet. Die Helsana und die Genfer Privatklinik stehen in Verhandlungen.

image

Die Effizienz-Liste: So unterscheidet sich der Verwaltungs-Aufwand der Krankenkassen

Die Kosten für die Kassen-Administration stiegen innert fünf Jahren um 20 Prozent – und innert zwei Jahrzehnten haben sie sich fast verdoppelt.

image

Weiterer Zusammenschluss bei den Krankenkassen

Auch alle RVK-Mitglieder verbinden sich mit dem neuen Verband der Krankenversicherer. Dessen Sitz kommt nach Bern.

Vom gleichen Autor

image

Medikamente: Diese fünf Irrtümer müssen alle kennen

Epinephrin statt Ephedrin? Solche Verwechslungen können tödliche Folgen haben. Gut zu wissen, wo die grössten Gefahren lauern.

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.