Zürich führte bekanntlich 2012 als erster Kanton Mindestfallzahlen ein. Eine Untergrenze gilt seither für knapp dreissig stationäre Eingriffe – etwa für Prostataentfernungen, Lungenkrebsbehandlungen oder in der spezialisierten Wirbelsäulenchirurgie.
Es geht rasch voran
Und so plant die Zürcher Regierung nun erstens, bei gewissen Behandlungen die Mindestfallzahlen zu erhöhen; zweitens will sie bei diversen Behandlungen neu Mindestfallzahlen einführen. Und drittens prüft sie, ob bei gewissen spezialisierten Eingriffen auch eine Mindestfallzahl pro Operateur festgelegt werden soll.
Im letzten Gesundheitsbericht erwähnte die Gesundheitsdirektion dabei die operative Behandlung von Brustkrebs, und insgesamt stehen derzeit Mindestfallzahlen in der gynäkologischen Onkologie im Vordergrund.
Ein simpler Hebel gegen die Mengenausweitung?
In den letzten Wochen fanden dazu Hearings statt, wobei die Vertreter des Kantons klarmachten, dass sie die neuen Guillotinen-Zahlen recht rasch durchsetzen wollen – womöglich noch in diesem Jahr. Dabei ist die Frage nach Sinn und Zweck durchaus umstritten, insbesondere bei den (recht häufigen) Brustkrebsoperationen. Unter den Ärzten kursiert die Vermutung, dass hinter dem einen Argument – der Qualität – ein anderer Vorteil die treibende Kraft hinter der Idee ist: Einsparmöglichkeiten.
Einzelne Politiker begrüssten die Mindestfallzahlen denn explizit als Hebel gegen die Mengenausweitung. So hat der neue Berner
Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg angekündigt, via Mindestfallzahlen die Spitäler an die kürzere Leine nehmen zu wollen. Auf der anderen Seite äusserten im Kanton Zürich Direktoren von Regionalspitälern die Befürchtung, dass die grossen Zentren ungebührlich bevorzugt würden. Und sie erinnerten daran, dass auch andere medizinische Aspekte zu beachten wären, etwa die Erfahrung des Operateurs statt des Spitals.
Die Liste der Bedrohten
Der
«Tages-Anzeiger» hat errechnet, dass acht Spitäler im Kanton Zürich weniger als 50 Brustkrebsoperationen durchführen; nach Andeutungen aus der Gesundheitsdirektion dürfte hier die Mindest-Grenze zu liegen kommen. Den Leistungsauftrag verlieren könnten damit das Spital Limmattal, das Spital Zollikerberg, das Paracelsus-Spital Richterswil, das See-Spital Kilchberg, das Spital Männedorf, das Spital Uster, das See-Spital Horgen und das Spital Affoltern.
Bereits vor den Anhörungen durch die Gesundheitsdirektion hatte
Ossi R. Köchli eine Stellungnahme zu den Plänen verfasst – eine Beurteilung aus medizinischer Sicht. Und es war eine sehr kritische Einschätzung.
Das Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO) befand eingangs, dass die Qualität bei solchen Eingriffen von drei Aspekten abhänge: der Erfahrung des Operateurs (Lebensfallzahlen), der Qualität der Infrastruktur mit etabliertem Netzwerk und der Fallzahl pro Jahr.
Auf die Fallzahl pro Jahr verzichtet
Die jährliche Fallzahl sei dabei von geringerer Bedeutung. Interessanterweise wurde bei der Einführung des FMH-Schwerpunkttitels im Bereich Gynäkologische Onkologie auf die Fallzahl pro Jahr verzichtet. Wichtiger, so Köchli, sei die Infrastruktur pro Institution und dabei das interdisziplinäre Tumorboard, die Technik sowie die Zusammenarbeit mit anderen Fächern wie Viszeralchirurgie oder Plastischer Chirurgie.
Köchli, der selber als Belegarzt im Bethanien und bei Hirslanden arbeitet, erinnerte ferner daran, dass die Fallzahlen im Belegarzt-System ohnehin problematisch sind: Der Belegarzt sieht in der Praxis sehr viele onkologische Patientinnen, die allerdings nicht zusatzversichert sind. Sie werden dann für die Operation in ein öffentliches Spital überwiesen.
Drohen Lücken in der Versorgung?
Kurz: Die Fallzahl besagt in den Belegarzt-Spitälern relativ wenig über die Erfahrung, die tatsächlich vorhanden ist.
«Schliesslich möchte ich vor einem Protektionismus aus wirtschaftlichen Gründen unter dem Deckmantel der Qualitätssicherung warnen», so Gynäkologe Köchli in der Mitte März verfassten Einschätzung. Gewisse Einschränkungen könnten für ausgewiesene Experten mit langer Berufserfahrung zu einem faktischen Berufsverbot führen – mit Lücken in der Versorgung insbesondere bei zusatzversicherten Patientinnen mit freier Arztwahl.