Konkurrenzverbot: Niederlage für das Zürcher Unispital – Arzt durfte wechseln

Das Verwaltungsgericht wies den Versuch ab, einen Leitenden Arzt mit einem Konkurrenzverbot und fast 100'000 Franken Konventionalstrafe zu belegen. Ein Kernargument dabei: Arzt ist ein freier Beruf.

, 25. August 2016 um 09:41
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Im Zentrum des Streits stand ein Leitender Arzt des Universitätsspitals Zürich. Nachdem er seit 2006 am USZ tätig gewesen war, wurde seinen Anstellungsbedingungen 2011 eine Geheimhaltungs- sowie Konkurrenzklausel hinzugefügt.
Sie verbot dem Mediziner die Verwendung von Kundenstammdaten der USZ-Klinik, aber auch die Durchführung bestimmter hochspezialisierter Eingriffe im Kanton Zürich – und dies während dreier Jahre nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Laut der «Weltwoche» (Paywall), die in einer Notiz jetzt erstmals darüber berichtet, spielt der Fall an der Klinik für Viszeral- und Transplantations-Chirurgie.
Im Februar 2015 jedenfalls kündigte der Arzt beim USZ – und seit Anfang September arbeitet er nun für ein anderes Spital im Kanton Zürich.

«Rechtswidrig»

In der Folge forderte ihn das USZ auf, jegliche Verwertung von Kundenstammdaten sofort zu unterlassen, das Konkurrenzverbot einzuhalten sowie eine Konventionalstrafe von knapp 92'000 Franken zu bezahlen.
Der Arzt wandte sich ans zuständige Verwaltungsgericht des Kantons Zürich – und dieses gab ihm Ende Juni recht. Das Konkurrenzverbot unter Strafandrohung und die Konventionalstrafe seien rechtswidrig. Das Urteil ist, da vom USZ nicht angefochten, seit wenigen Tagen rechtskräftig.

Zum Urteil: Verwaltungsgericht des Kantons Zürich | VB.2016.00044 | Urteil der 4. Kammer vom 29. Juni 2016.

Zum einen stützte das Gericht die Ansicht, dass ein Konkurrenzverbot bei einem freien Beruf wie dem Ärztemetier ohnehin zumeist unzulässig sei (allerdings nicht ganz ausgeschlossen werden kann). Die persönliche Seite der Beziehung zur Kundschaft sei hier jedenfalls von ganz besonderer Bedeutung. Will sagen: Die gesammelten Kontakte begründen noch keinen Anspruch des Arbeitgebers.
Der betroffene Arzt war von Anbeginn an in leitender Stellung. Insbesondere wurde ihm damals der Aufbau und die Leitung eines Kompetenzzentrums übertragen. Interessant ist nun, dass das USZ selber als Hauptargument anführte, dass es im Fachbereich des Arztes ein Zentrum für Hochspezialisierte Medizin aufbauen wollte, also in diesem Feld eine Konkurrenzierung zwangsläufig vermeiden sollte.

Hochspezialisierte Medizin: Das planen die Behörden

Das Verwaltungsgericht weist dieses Interesse mit einer bemerkenswerten Volte ab: Der Entscheid zur Hochspezialisierten Medizin obliege gar nicht dem Beschwerdegegner (also dem USZ), sondern dem Gesetzgeber beziehungsweise den zuständigen Behörden.
«Selbst wenn ein öffentliches Interesse daran besteht, gewisse medizinische Leistungen nur noch an wenigen hochspezialisierten Zentren anzubieten, ist solches nicht mittels Konkurrenzverboten für angestellte Ärzte, sondern durch entsprechende gesetzgeberische bzw. planerische Massnahmen durchzusetzen», schreiben die Richter.
Damit war ein Hauptargument der USZ-Seite ausgehebelt. Neben Gerichtsgebühren von gut 30'000 Franken muss das USZ dem Arzt nun Entschädigung von 7'500 Franken bezahlen.

Dies ist kein Einzelfall

Das abschliessende Urteil dürfte auch an anderen Spitälern Beachtung finden. Wie im Oktober bekannt wurde, hat die Zürcher Universitätsklinik Balgrist mehreren Kaderärzten ein Konkurrenzverbot in der Vertrag geschrieben.
Betroffen sei «ein halbes Dutzend» Ärzte, und zwar «sehr weit fortgeschrittene Kaderärzte», bestätigte damals Serge Altmann gegenüber der «Weltwoche». Und der Spitaldirektor erklärte dazu: «Gewisse Institutionen werben diese hervorragend ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeiter leider häufig mit sehr lukrativen Angeboten ab, nachdem diesen die gesamte Weiter- und Fortbildung bis hin zu akademischen Titeln vom Mutterhaus vermittelt worden ist.»
Die Wochenzeitschrift beschrieb konkret den Fall eines Balgrist-Facharztes, der eine neue Stelle in einer Privatklinik womöglich nicht antreten könne, weil er laut Vertrag während eines Jahres nach Ende des Arbeitsverhältnisses «jegliche Konkurrenzierung der Arbeitgeberin» zu unterlassen habe. Das Verbot erstreckte sich auf die Stadt Zürich, die Konventionalstrafe wurde mit 100'000 Franken bestimmt – also im gleichen Bereich wie im USZ-Fall.

Was unterscheidet einen Kaderarzt von Lionel Messi?

Angesichts des neuen Urteils – und der Betonung der Wirtschaftsfreiheit des Arztes – dürfte die Balgrist-Argumentation erheblich unter Druck kommen. Denn damals erklärte die Klinik auch, dass man mit der Konventionalstrafe beabsichtige, «einen Teil unserer Investitionen zurückzuerhalten».
Im Hintergrund steht eine durchaus akute Problematik: Man denke etwa an die zahlreichen Abgänge von den Berner Stadt- und Ausbildungsspitälern zu Privatorganisationen wie der Lindenhofgruppe.
Andererseits wirkt der Dreh über ein Konkurrenzverbot sonderbar: Indirekt taucht hier wohl die Idee auf, dass der neue Arbeitgeber jeweils die Konventionalstrafe übernimmt. Womit der Jobwechsel für hochrangige Spitalärzte etwa so verlaufen würde wie bei Fussballspielern – mit Ablösesummen durch die Hintertür.

Balgrist: Verträge werden nicht angepasst

Neue Verträge mit Konkurrenzklausen wurden in der Balgrist-Klinik seither nicht mehr abgeschlossen, teilt Spitaldirektor Altmann auf Anfrage mit. Auf der anderen Seite würden die bestehenden Verträge nun, nach dem neuen Verwaltungsgerichts-Urteil, nicht angepasst. Juristische Konflikte wie im USZ-Fall habe es in der Universitätsklinik Balgrist deswegen nicht gegeben.
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