In 4 Punkten: Wie Alain Berset die Gesundheitskosten in den Griff kriegen will

Der SP-Gesundheitsminister liebäugelt mit Vertragsfreiheit und Einschränkungen bei der Arztwahl. Und er erhöht den Druck auf Spezialärzte, Pharma und Apotheker.

, 2. September 2016 um 11:00
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  • politik
  • gesundheitskosten
Der Innenminister präsentierte heute vor den Medien eine Auslegeordnung zu den Gesundheitskosten – respektive zu den Möglichkeiten, diese zu dämpfen. Viele Ursachen wurden angesprochen, zahlreiche Lösungen angetönt, aber die heutigen Mitteilungen von Alain Berset und aus dem BAG zeigen doch die Schwerpunkte der nächsten Zeit.

1. Vertragsfreiheit kommt nicht – aber wird zur Drohkulisse.

An der Medienkonferenz in Bern kündigte Alain Berset an, dass er ausländische Modelle zur Dämpfung des Mengenwachstums prüfen wird. Konkret nannte er Holland und Deutschland. Ein Aspekt dabei: In den Niederlanden steht es den Kassen frei, einzelne Spitäler ganz abzulehnen (und das Gesundheitswesen ist deutlich zentralisierter). Dass neben der Vertragsfreiheit für die Versicherer auch die freie Arztwahl zur Diskussion stehen könnte, machte Berset bei seinem Auftritt ebenfalls klar.
Mehr aber vorerst auch nicht: BAG-Chef Pascal Strupler erinnerte an der Medienkonferenz daran, dass solche Ideen politisch wohl noch schwierig umzusetzen sind.

2. Druck auf die Spezialisten.

Das Dauerthema der offenen Tarmed-Revision wurde am Freitag natürlich erneut aufgegriffen. Falls der Bundesrat im Herbst die Tarife aus eigener Kompetenz festlege, werde er stark bei jenen Behandlungen ansetzen, welche Spezialärzte ohne klaren Grund immer öfter durchführen.

3. Druck auf die Lieferanten.

Ein Schwerpunktthema der Signale aus EDI und BAG blieben die Preise für Medikamente und medizinische Hilfsmittel. Man sei daran, die Höchstvergütungen für medizinische Mittel und Gegenstände anzupassen, meldet das BAG (wozu es allerdings allerhand öffentlichen Drucks bedurfte). Auch die Vergütung von Analyseleistungen komme ins Visier – und Therapien werden vermehrt darauf hin überprüft, ob sie wirksam sind.
So weit, so bekannt. Als neueren Aspekt betonte Berset nun, dass ein Referenzpreissystem bei den Generika eingeführt werden soll, und dass er «eine Anpassung der Vertriebsmarge bei allen kassenpflichtigen Medikamenten» will; so dass auch die Apotheker ihren Sparbeitrag leisten dürften.
Und schliesslich will das BAG mehr Vereinbarungen mit der Pharmaindustrie abschliessen, «welche die Zulassung neuer, teurer Arzneimittel auf der Liste der kassenpflichtigen Medikamente zu wirtschaftlich tragbaren Preisen ermöglichen». Kurz: Für Hochpreis-Medikamente soll es neue Hürden geben.

4. Gut zureden.

Alain Berset machte aber auch klar, dass die Sache an allen Beteiligten liegt – und dass ihm in vielen Bereichen letztlich die Handhabe fehlt. «Mein Ziel bleibt, dass alle Akteure, die handeln können, dies noch viel mehr tun als heute.» Die Kantone könnten das Angebot über die Spitalplanung und über die Ärztezulassung bestimmen, auch hätten sie die Möglichkeit, Globalbudgets anzuwenden. Offenbar tun sie dies für den Gesundheitsminister nicht entschlossen genug. Nur drei Kantone arbeiteten mit Globalbudgets, monierte Berset in einem Interview mit Keystone (siehe hier): Waadt, Genf und das Tessin. «Und man merkt das. Das Kostenwachstum war hier viel tiefer als in den anderen Kantonen.» 
Als weitere Akteure, von denen er mehr erwartet, nannte Berset die Versicherer, welche die Tarifverhandlungen «konsequent führen» und die Arztrechnungen genau überprüfen sollten.
Bild: PD | EDI
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