Es ist ein exemplarischer Streit, der seit Sommer 2014 im Tessin läuft. Damals hatte ein Belegarzt der SMN-Klinik Sant’Anna in Soregno einer Patientin fälschlicherweise beide Brüste amputiert. Dabei hatte der Chirurg offenbar zwei Patientinnen verwechselt.
Der Fall flog erst ein knappes Jahr später auf, was den Verdacht weckte – und von der Patientin auch so dargestellt wurde –, dass hier ein Kunstfehler vertuscht werden sollte. Nach diversen Medienberichten über den Fall entzog das Tessiner Gesundheitsdepartement jedenfalls dem Arzt, Piercarlo Rey,
im September 2015 die Bewilligung.
…ob frei oder im Anstellungsverhältnis
Wie das Dipartimento della sanità e della socialità damals mitteilte, gelte der Entzug unbefristet und für alle ärztlichen Tätigkeiten, ob frei oder im Anstellungsverhältnis; der Gynäkologe könne aber nach zwei Jahren ein Wiedererwägungs-Gesuch stellen.
Konkret monierte die Aufsichtsbehörde, dass der Arzt ungenügende Vorkehrungen zur präzisen Identifikation der Patientin getroffen habe – und, sopratutto, dass er «seine Pflicht, die Patientin und die involvierten Personen richtig zu informieren, in schwerer Weise verletzt» habe.
«Zu rasch und ungerechtfertigt»
Dr. Rey wollte dies aber nicht auf sich sitzen lassen und zog vors Gericht – mit Erfolg. Im September erlaubte ihm bereits das Bundesgericht, grundsätzlich wieder als Arzt zu arbeiten; allerdings müsse das Tessiner Verwaltungsgericht darüber befinden, ob er auch als Chirurg tätig sein dürfe. Wie die
Anwälte des Mediziners nun bekanntgaben, erteilte ihm das Tessiner Verwaltungsgericht am Mittwoch nun auch hier grünes Licht: Der Bewilligungsentzug sei nicht statthaft.
Laut der Mitteilung ist Rey damit ab sofort wieder als Chirurg aktiv. Der neue Entscheid bestätige weiter, dass die vermutete Verantwortung von Dr. Rey deutlich geringer ist und dass der Chirurg zu rasch und ungerechtfertigt durch das Gesundheitsdepartement sanktioniert wurde, so die Einschätzung seiner Verteidiger.
Es geht weiter
Immer noch offen ist damit aber der
strafrechtliche Fall. Die Staatsanwaltschaft wollte Rey im Frühjahr mit einer Strafe von 120 Tagessätzen sowie einer Busszahlung von 3'000 Franken bestrafen. Dieses Strafmandat akzeptierte der Arzt nicht, da er sich grundsätzlich als unschuldig betrachte –
«pur rallegrato dal fatto che la sua eventuale concolpa sia stata irreversibilmente ridimensionata, è convinto della sua innocenza».Es gibt also nicht, wie von der Staatsanwalt ursprünglich geplant, ein abgekürztes Verfahren, sondern der Fall kommt jetzt vor das zuständige Bezirksgericht. Dort ist noch kein Termin festgelegt.