Was wünschen die Spitalärzte? Mehr Zeit für Privatleben und Familie, Abbau von Bürokratie, mehr Personal im ärztlichen Dienst, mehr Personal in der Pflege – so lauten mehrheitliche Antworten der Mediziner in Deutschland. Zwei Drittel der Krankenhausärzte erklären auch, dass ihnen für die Behandlung der Patienten zuwenig Zeit zur Verfügung steht.
Dies ein Ergebnis einer Grossumfrage des
Marburger Bundes, also des Verbandes der angestellten Ärzte in Deutschland; dabei wurden rund angestellte 6'200 Mediziner befragt.
Insgesamt bringen die Ergebnisse doch ans Licht, dass die Stimmung in den deutschen Kliniken und Spitälern trübe sein muss: Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) stuft die eigenen Arbeitsbedingungen als «mittelmässig» ein, 19 Prozent als «schlecht» und 5 Prozent sogar als «sehr schlecht». Bleiben also 30 Prozent, die ihre Lage zumindest als gut oder sehr gut beurteilen.
Dazu passt, dass jeder fünfte Befragte sich mit dem Gedanken trägt, die ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben. Als Hauptgründe für solche Absprung-Ideen werden genannt: hohe Arbeitsbelastung, ökonomischer Druck, Personaleinsparungen und die ausufernde Bürokratie.
Höchste Priorität: Bürokratieabbau
Jeder vierte Arzt im Krankenhaus verbringt inzwischen mehr als 3 Stunden pro Tag mit Verwaltungstätigkeiten, die über rein ärztliche Aufgaben hinausgehen. Ein Drittel schätzt den täglichen Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten auf 1 bis 2 Stunden, ein weiteres Drittel veranschlagt ihn mit 2 bis 3 Stunden. Die Lage ist bekanntlich in der Schweiz kaum besser – eine kleine
Untersuchung an der CHUV kam ja unlängst zum Schluss, dass die Assistenzärzte dreimal so lange vor dem Computer wie vor den Patienten sitzen. Konkret waren es 1,7 Stunden beim Patienten, aber 5,2 Stunden an elektronischen Geräten wie Computer oder Tablet.
Die Gross-Erhebung des Marburger Bundes stellt denn auch klar, dass der Abbau von Bürokratie hat für die meisten Ärzte hohe Priorität hat: 70 Prozent nannten das Ziel der Entbürokratisierung «sehr wichtig» (44 Prozent) oder sogar «am wichtigsten» (26 Prozent).
Viel Arbeit ist gut, zuviel nicht
Auch wenn die Zahlen nicht direkt übertragbar sind, so könnte die deutsche Erhebung doch auch Hinweise für die Debatte um die Arbeitszeiten in den Spitälern ergeben. Jedenfalls zeigt sich, dass eine sehr klare Mehrheit der deutschen Klinikärzte Arbeitszeiten im Rahmen von 40 bis 48 Stunden vorziehen würde. Weniger unterstützt wird also die These, dass eine neue Generation X oder Y massiv auf Teilzeitlösungen drängt – aber auch nicht die Gegenthese, dass die Vielarbeit zur Grundeinstellung des Mediziners gehört.
Die tatsächliche Wochenarbeitszeit liegt aber wesentlich höher: Vier von zehn Ärzten sind über 49 Stunden pro Woche im Einsatz (49 bis 59 Stunden), jeder fünfte hat sogar eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden (inklusive Überstunden).
Das Bürokratie-Problem in der Grafikfilm-Darstellung: