Durchbeissen! Wo sich der ärztliche Ethos selber widerspricht

Auch dies wäre zu beachten bei der Infektionskontrolle: Offenbar neigt das medizinische Personal besonders stark dazu, selber krank zur Arbeit zu erscheinen.

, 8. Juli 2015 um 06:00
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Die Daten stammen aus den USA – sie wurden jetzt veröffentlicht in JAMA Pediatrics –, aber man kann ahnen, dass die Tendenz auch hierzulande gilt. 
Danach erscheinen Ärzte und Pflegepersonal überaus häufig zur Arbeit, obwohl sie krank sind. Und zwar tun sie dies selbst bei Krankheiten, von denen sie wissen, dass sie ansteckend sind oder sonstwie ein Risiko für ihre Patienten bergen.
Basis dieser Feststellungen ist eine Erhebung bei über 500 klinischen Angestellten, wovon etwa die Hälfte Ärzte waren und die andere Hälfte zum Pflegepersonal gehörten. 

Mit Diarrhoe zur Behandlung

95 Prozent dieser Gesundheitsprofis gaben an, dass es nach ihrer Einschätzung für die Patienten Risiken berge, wenn sie selber in erkranktem Zustand arbeiten. Doch 83 Prozent derselben Befragten sagten aus, im letzten Jahr mindestens einmal krank zur Arbeit erschienen zu sein.
Dabei gaben Mehrheiten oder grosse Minderheiten der Mediziner offen zu, auch mit Infektionen gearbeitet zu haben – etwa mit Diarrhoe und Atemwegserkrankungen.
Die von Forschern der University of Pennsylvania, Philadelphia, durchgeführte Erhebung liefert denn auch Indizien für die Ursachen: Weshalb gingen sie trotzdem zur Arbeit? Am häufigsten nannten die Befragten:

  • Probleme, einen Ersatz zu finden (65 Prozent der Fälle);
  • starke kulturelle Normen, die verlangen, dass man arbeitet, solange man nicht nennenswert krank ist (61 Prozent);
  • Unklarheit, wann die Grenze erreicht ist, über der man allzu krank für die Arbeit ist (57 Prozent).



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