Die Spitex hat ein Qualitätssicherungsproblem

In der Schweiz mangelt es an einheitlichen und geeigneten Kennzahlen, um die Qualität der häuslichen Pflege zu messen. Dies zeigt eine neue Studie der ZHAW.

, 12. März 2021 um 09:09
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Das Thema Qualität bei Spitex-Organisationen hinkt der zunehmenden Bedeutung der häuslichen Pflege «deutlich» hinterher. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der ZHAW in Zusammenarbeit mit den Universitäten Luzern und Basel. Das Gesetz schreibt vor, dass auch die Spitex dem Bund entsprechende Daten liefern muss.
Vor allem bei den Pflegefachleuten in der Praxis fallen die Qualitäts-Indikatoren durch: Während die Public-Health-Fachleute 18 von über 40 untersuchten Grössen als «geeignet» für die Qualitätsmessung bewerteten, waren es bei den Pflegefachleuten nur deren 7.
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«Da das Wissen fehlte, welche Indikatoren überhaupt geeignet sind, um die Qualität zu messen, wurde diese KVG-Vorschrift bislang nicht umgesetzt», sagt Aylin Wagner. (ZHAW)

Praxisperspektive hat bislang zu wenig Gewicht

Die meisten der untersuchten Kennzahlen seien für die befragten Fachleute zwar relevant. «Die durch sie gemessenen Patientenergebnisse können von Spitex-Mitarbeitenden jedoch nicht oder zu wenig beeinflusst werden», sagt Aylin Wagner, Co-Autorin der Studie.
Der Grund für diese mangelnde Beeinflussbarkeit liege in den Rahmenbedingungen der häuslichen Pflege, bei der zahlreiche Akteure beteiligt sind. Externe Faktoren – etwa die Schwierigkeit der Gestaltung einer sicheren Umgebung – erschwerten die Qualitätsmessung und -sicherung durch die Spitex noch zusätzlich.


Wichtiger Pfeiler der Gesundheitsversorgung

Die Studie zeige, wie wichtig es sei, Indikatoren zu evaluieren, kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu ergänzen, sagt Wagner, Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der ZHAW-Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften. Durch die alternde Gesellschaft und die Zunahme chronischer Erkrankung nimmt die häusliche Pflege eine immer wichtigere Rolle ein.
Es fehle in der ganzen Schweiz aber derzeit etwa an Qualitäts-Kennzahlen, die nicht primär die Patientenergebnisse, sondern die Prozesse pflegerischer Leistungen messen. Die bestehenden Massstäbe seien für stationäre und besser kontrollierbare Settings entwickelt worden – und werden bislang ausschliesslich für das interne Qualitätsmanagement verwendet.

Es braucht zusätzliche Indikatoren

Ausserdem sei bisher nicht nur die Patientenperspektive, sondern auch die Praxissicht der Fachleute aus der häuslichen Pflege in der Entwicklung der Indikatoren zu wenig berücksichtigt worden, so Wagner. Die Pflege im häuslichen Bereich wird zum Grossteil von gemeinnützigen Spitex-Organisationen geleistet.
Für die künftige Entwicklung der Indikatoren ist es laut der Wissenschaftlerin zentral, dass Spitex-Fachpersonen miteinbezogen werden. Sinnvoll wären zudem auch Kennzahlen, welche die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Spitex-Pflegenden, Hausärzten und Therapeuten messen. 
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