Der diesjährige Weg zum Arztdiplom: «Unfair und zu wenig durchdacht»

Statt einem «Postenlauf» mit Situationen aus dem medizinischen Alltag soll dieses Jahr ein Praktikum zum Arztdiplom führen. Dieser Entscheid erhitzt die Gemüter weiterhin.

, 18. Juni 2020 um 12:29
image
  • ausbildung
  • spital
  • ärzte
  • praxis
Alain Berset will die über 1'2000 Absolventinnen und Absolventen der diesjährigen Prüfung in Humanmedizin zu einem sechswöchigen Praktikum antraben lassen. Die Verantwortlichen beim Bund haben die vorgesehene praktische Prüfung für das Staatsexamen infolge der Corona-Pandemie gestrichen.
Dieser Entscheid führte zu Kopfschütteln in der Branche. So ist die oberste Medizinprüferin bereits aus der Eidgenössischen Prüfungskommission zurückgetreten. Eine Konsequenz aus diesem Entscheid, wie Viviane Hess vom Unispital Basel sagt. Die Kommission hatte vorgeschlagen, die klinische Prüfung vollständig ausfallen zu lassen oder Ersatzprüfungen in anderer Form durchzuführen.

Wollen in die Entscheide eingebunden werden

Nun schalten sich auch die Vertreter der nächsten Ärztegeneration in die Debatte ein. Mit einem Brief, der Medinside vorliegt, intervenieren der Verband der Assistenz- und Oberärzte, die Vereinigung Swiss Medical Students (Swimsa) und das Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (Siwf) direkt bei Gesundheitsminister Alain Berset. 
Der Entscheid habe «massive und direkte Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung», steht im vier Seiten langen Brief zu lesen. Die drei Institutionen bezeichnen es als «unverständlich», dass sie «in keiner Weise in die Entscheidungsfindung involviert worden sind.»

Mehraufwand und viele offene Fragen

Konkret wird etwa die Vergleichbarkeit und damit die Fairness des Praktikums bemängelt, das je nach Fachrichtung und Grösse der Weiterbildungsstätte in «völlig unterschiedlichem Rahmen» absolviert werde. Auch die Abhängigkeit eines Vorgesetzten sei hier definitiv anders als in einer Prüfungssituation vor einem Expertengremium.
Der Vsao, die Swimsa und das Siwf kritisieren zudem die erhöhte Belastung der Assistenzärzteschaft, die sowieso schon «(zu) gross» sei. Auch der zeitliche Mehraufwand und die zusätzliche Bürokratie für die bereits überlasteten Weiterbildner werden im Brief in Frage gestellt. Wer entschädigt diese Aufgaben oder was passiert bei einem allfälligen Rekurs, lauten die vielen offenen Punkte. Und wer haftet bei einem Fehler, den ein noch nicht «fertiger» Assistenzarzt begeht?

Bund müsste diese Lösung stoppen

Die Lösung mit dem Praktikum zu Beginn der Assistenzarzt-Zeit führe ferner zu zahlreichen Ausnahme- und Einzelregelungen, da nicht alle Absolvierenden unmittelbar nach der eidgenössischen Prüfung ihre Weiterbildung starten. Auch das ist laut den drei Ärzteverbänden weder übersichtlich noch dient es der Vergleichbarkeit und Fairness. Die Praktika sollten darüber hinaus bereits vor dem Vorliegen des Ergebnisses der Prüfung absolviert werden können, wird gefordert.
«Als Fazit müssen wir leider in aller Deutlichkeit feststellen, dass die gewählte Form des praktischen Nachweises sowohl für die Absolvierenden als auch für die direkt betroffenen Weiterbildnerinnen und -bildner unfair und zu wenig durchdacht ist», steht im Brief weiter zu lesen. Grundsätzlich müsste diese Lösung gestoppt werden und umgehend mit allen Beteiligten eine vernünftige, praktikable Alternative gesucht werden, schreiben die Verantwortlichen der drei Verbände. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Vier Institutionen, ein Zentrum – ein neues Ausbildungsmodell

Simuliertes Krankenhaus, realitätsnahe Lehre, interprofessionelle Zusammenarbeit: In Lausanne starten das CHUV, die Universität, die Fachochschule HESAV und die Privatklinik La Source ein Zentrum für klinische Kompetenz.

image

Uni Genf überarbeitet Medizinstudium

Die medizinische Fakultät der Genfer Universität leitet mehrere Reformen in der Lehre ein. Sie reagiert damit auf neue Herausforderungen – von der Künstlichen Intelligenz bis zur Sinnkrise des Arztberufs.

image

Pharmagelder 2024: Zuwendungen an Schweizer Ärzte steigen leicht

2024 erhielten Ärzte, Spitäler und Fachgesellschaften zusammen 262 Millionen Franken – 16 Millionen mehr als im Jahr davor.

image

Auf dem richtigen Weg

Der Markt für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) befindet sich in einer Phase tiefgreifender Transformation. Die aktuellen Trends und Herausforderungen der Branche sowie die Erwartungen der Kliniken beleuchtet Dirk Müller, Director Product Management CIS4U bei Dedalus HealthCare.

image

Lehre mit Herz und KI: Der SGAIM Teaching Award 2025 geht nach St. Gallen

Simone Krähenmann zeigt, wie moderne Medizinlehre digitale Tools nutzen kann – doch zentral bleiben nahbare Ausbildner mit Begeisterung. Dafür wird sie mit dem SGAIM Teaching Award 2025 geehrt.

image

KI-Power mit Medinside: Online-Kurs zu Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen

Entdecken Sie neue Chancen – mit unserer Schulung zur Künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen. In 2 x 90 Minuten zeigen wir Ihnen, wie Sie KI sicher und effektiv einsetzen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.