Berühmter italienischer Chirurg steht vor Gericht

2011 führte Paolo Macchiarini am Karolinska-Institut in Stockholm die weltweit erste Transplantation einer künstlichen Luftröhre durch. Nun wird er der schweren Körperverletzung beschuldigt.

, 28. April 2022 um 14:38
image
  • chirurgie
  • gericht
  • ärzte
  • transplantationen
Er sorgte mit einer angeblich bahnbrechenden Operationsmethode für Furore – sein Verfahren wurde als Durchbruch in der regenerativen Medizin gepriesen: Paolo Macchiarini, ein prominenter italienischer Chirurg, hatte am Karolinska-Institut in Stockholm mehreren Personen eine künstliche Luftröhre transplantiert – das war im Jahr 2014.
Nun steht der heute 63-Jährige in Schweden vor Gericht. Er wird der schweren Körperverletzung in drei Fällen, verursacht durch ein gefährliches experimentelles Verfahren, beschuldigt, wie verschiedene Medien berichtet haben. 

«Schwere Verletzungen»  

Konkret wirft die Staatsanwaltschaft dem Chirurgen vor, dass er bei seinen Operationen «Wissenschaft und Erfahrung» völlig missachtet und damit seinen Patienten «schwere Verletzungen» und «grosses Leid» zugefügt habe. Der Prozess wird voraussichtlich bis Ende Mai dauern.

Mit Stammzellen besiedeltes Luftröhrengerüst

Die Methode von Macchiarini funktionierte so: Ein synthetisches Luftröhrengerüst wurde mit Stammzellen besiedelt. In einem speziellen Bioreaktor soll innert 36 Stunden ein passendes Labororgan herangewachsen sein, das der Chirurg seinen Patienten schliesslich verpflanzt hatte.

Bis 2017 starben sieben seiner Patienten 

Macchiarini behandelte im Zeitraum von 2011 bis 2014 drei Patienten in Schweden und fünf in Russland. Nur einer der acht Patienten überlebte den Eingriff – seine künstliche Luftröhre wurde 2014 wieder entfernt.
Die Karolinska-Universitätsklinik bestätigte damals den Tod der drei Patienten und setzte 2013 alle Transplantationen aus, wie in einem Bericht der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» zu lesen ist. Macchiarinis Vertrag als Chirurg am Karolinska-Institut wurde nicht verlängert – es begannen polizeiliche Ermittlungen.
Kollegen warfen ihm später vor, die Risiken des Verfahrens verharmlost zu haben. Die Fachzeitschrift «The Lancet», die mehrere seiner Arbeiten veröffentlicht hatte, lobte ihn anfangs als einen Chirurgen, der Grenzen durchbricht. 2018 aber zog die Fachzeitschrift in einem ungewöhnlichen Schritt zwei Artikel von ihm aus den Jahren 2011 und 2012 zurück. 

Das sagte Macchiarinis Anwalt 

Der in Basel geborene italienische Chirurg versicherte, dass es sich bei den Operationen nicht um Experimente gehandelt habe. «Seine einzige Motivation war es, die Patienten zu behandeln», sagte sein Anwalt Björn Hurtig vor dem Gericht in Schweden.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Einstimmig: Zürich soll Medizin-Studienplätze massiv ausbauen

Der Kantonsrat beauftragt die Regierung, zu berechnen, wie 500 zusätzliche Plätze geschaffen werden könnten.

image

Arzt des Spitals Muri freigesprochen

Ein Patient starb nach einer Leberbiopsie. Der Arzt habe nicht fahrlässig gehandelt, urteilte das Gericht.

image

Kein Geld und keine Zusammenarbeit mehr mit Tabakindustrie

Deutsche Ärzte wollen sich nicht mehr von Tabakherstellern beeinflussen lassen. Sie haben deshalb einen neuen Kodex vereinbart.

image

Britischer Arzt wollte mit falscher Covid-Impfung morden

Ein Arzt ist zu mehr als 31 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wollte den Partner seiner Mutter mit einer Gift-Injektion umbringen.

image

Bilden Sie sich mit aktuellem Wissen in der Suizidprävention weiter

Ziel des neuen CAS Suizidprävention am Departement Gesundheit der ZHAW ist es, Suizidgedanken frühzeitig zu erkennen und Interventionen einzuleiten. Teilnehmende lernen dies in interprofessioneller Weiterbildung mit Fachpersonen aus Gesundheits-, Bildungs- und Sozialberufen.

image

Ehemaliger HUG-Chefarzt und Covid-Experte wechselt zu Privatspital

Jérôme Pugin wurde in Genf bekannt als Intensivmediziner und Symbolfigur im Kampf gegen Covid. Nun wird er medizinischer Direktor des Hôpital de La Tour.

Vom gleichen Autor

image

«Ich brauchte nach der Pause mindestens drei Jahre»

Daniela Fürer arbeitete rund eineinhalb Jahre als Intensivpflegefachfrau, dann wurde sie Mutter und machte eine lange Pause – bis zum Wiedereinstieg.

image

Quereinstieg Pflege: Hunger auf beruflichen Neubeginn

Der Rucksack von Annette Gallmann und Peter Kienzle ist gefüllt mit allerhand Arbeits- und Lebenserfahrung. Die 47-jährige Gastronomin und der 52-jährige Art Director machen die Ausbildung HF Pflege.

image

Hat das Stethoskop auf Arztfotos seine Berechtigung?

Ärztinnen und Ärzte werden fast immer mit einem Stethoskop um den Hals abgelichtet. Braucht’s das? Und: Ist das medizinische Diagnoseinstrument überhaupt noch zeitgemäss?