Berner Psychiatrie-Chefarzt «zieht sich zurück»

Thomas Reisch, Chefarzt im Psychiatriezentrum Münsingen, gibt vorübergehend seine Funktionen auf. Seine Rolle in der «Kirschblüten»-Angelegenheit wird untersucht.

, 23. Februar 2022 um 12:43
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«Nein, es ist keine Freistellung»: Das betonte Jean-Marc Lüthi gegenüber dem «Regionaljournal» von Radio SRF. Der Verwaltungsratspräsident des Psychiatriezentrums Münsingen (PZM) versichert, dass sein Gremium nach wie vor voll hinter Thomas Reisch stehe. Reischs Rückzug sei ein «ganz normaler Prozess», eine Freistellung hingegen wäre – wie man wisse – «das Vorzimmer der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, erklärte Lüthi.

Mitglieder einer sektenähnlichen Gruppe im PZM angestellt

Thomas Reisch ist der ärztliche Direktor und Chefarzt der Klinik für Depression und Angst. Letzte Woche ist publik geworden, dass an der Klinik drei Mitglieder der Solothurner Kirschblütengemeinschaft angestellt waren. Die Kirschblütler propagieren die Psychotherapie mit Drogen, die Bigamie und verteidigen den Inzest. Ausserdem ist Thomas Reisch privat mit der sektenähnlichen Gruppierung verbandelt. Er hat eine Beziehung zu einem Mitglied der Gemeinschaft. Medinside berichtete hier darüber.
Vor einigen Tagen verteidigte sich das PZM noch vehement: Von allem hätten die Klinikverantwortlichen gewusst und es sei bei den fraglichen Anstellungen nie zu Fehlverhalten, zu rechtlichen Verstössen oder Beanstandungen gekommen.

Butzke und Spicher übernehmen

Doch nun will der Verwaltungsrat die ganze Sache trotzdem von externer und unabhängiger Seite untersuchen lassen. Thomas Reisch sei selbst ebenfalls sehr daran interessiert, dass die Abläufe rund um diese Anstellungen unabhängig überprüft würden.
Die Leitung der Klinik für Depression und Angst übernimmt zwischenzeitlich Ingo Butzke, Chefarzt der Klinik für Psychose und Abhängigkeit. Die ärztliche Direktion führt PZM-Direktor Ivo Spicher.

Längere Abklärungen nötig

Reisch hält fest, dass er nicht Mitglied der Kirschblütengemeinschaft sei. Die externe Untersuchung soll klären, ob oder inwiefern bei den Anstellungen der drei Angehörigen der Kirschblütengemeinschaft Fehler passiert seien. Da die Anstellungen teilweise mehrere Jahre zurückliegen, dürften die Abklärungen einige Zeit beanspruchen. Sollte sich dabei zeigen, dass in der Vergangenheit Fehler passiert sind, wird das PZM entsprechende Konsequenzen ziehen, verspricht der Verwaltungsrat.
Neben den nun gestarteten Abklärungen des externen Expertengremiums ist beim Kanton Bern wegen der umstrittenen Anstellungen auch eine Aufsichtsbeschwerde und eine Motion im Grossen Rat hängig.
Für die Untersuchung hat der Verwaltungsrat folgende Personen beauftragt:
  • Erich Seifritz, ordentlicher Professor für Psychiatrie an der Universität Zürich, Direktor und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
  • Wolfram Kawohl, Ärztlicher Direktor Clienia Schlössli, Vizepräsident Schweizerische Vereinigung Psychiatrischer Chefärztinnen und Chefärzte.
  • David Rosenthal Marc Ph. Prinz von der Anwaltskanzlei Vischer in Zürich, spezialisiert auf Arbeitsrecht.
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