Es ist ein häufig beklagtes Phänomen in jüngster Zeit: Europa verliert gegenüber den USA und China an Boden. So war es bei der Digitalisierung, so ist es bei der Künstlichen Intelligenz, bei der Robotik, bei den Elektroautos, bei der Rüstung.
Dasselbe zeichnet sich nun aber auch in der Onkologie-Forschung ab: Der alte Kontinent ist zu schwerfällig, um noch mitzuhalten.
Dies ist eine Hauptaussage einer Studie des Europäischen Patentamtes. Der Titel klingt ja noch zuversichtlich: «Europäische Startups an der Spitze im Kampf gegen Krebs», meldete die Behörde in dieser Woche. Doch wer dann die Untersuchung genauer las, stiess vor allem auf einen Abwärtstrend.
Die USA halten mit 43 Prozent den grössten Anteil an neuen Krebspatenten – und dieser Anteil blieb in den letzten Jahren stabil. Derweil sank die Quote von Europa von 18,7 Prozent (Stand 2012) auf 12,4 Prozent (2021). China verzeichnete im gleichen Zeitraum eine Vervierfachung der Patente in onkologischen Technologien.
Europas Absinken ist umso bedenklicher, als der Kontinent in der Pharmaforschung (oder konkret in der Onkologie-Forschung) stets ein starker Player war. Es beherbergt auch heute noch die meisten Krebsforschungs-Startups, nämlich rund 1’500; in den USA liegt die Zahl bei 1’325. Unter den Mitgliedstaaten des Europäischen Patentamtes steht dabei Grossbritannien mit 290 Startups an der Spitze, gefolgt von den EU-Ländern Frankreich (246 Startups) und Deutschland (208) sowie der Schweiz (151).
Doch während in den USA fast 40 Prozent solcher Unternehmen die späte Wachstumsphase erreichen, schaffen dies in Europa nur 24 Prozent. Zudem erreichen US-Onkologie-Startups fast doppelt so viele Patente wie europäische.
«Europas dynamische Onkologie-Startups sind ein Lichtblick, aber sie brauchen Investitionen und Unterstützung, um ihre Erfindungen auszubauen.» — António Campinos, Präsident EPA.
Zwischen 2015 und 2021 verzeichneten insbesondere zukunftsträchtige Technologien wie Zellimmuntherapie (+37,8 Prozent), Gentherapie (+31,0 Prozent), Bildanalyse (+19,6 Prozent) und Flüssigbiopsien (+17,2 Prozent) hohe Wachstumsraten. Und gerade in diesen Bereichen droht Europa zweitrangig zu werden: Der europäische Anteil an neuen Patenten bei den Zellimmuntherapien liegt beispielsweise noch bei 9.7 Prozent – also noch tiefer als Europas Gesamtanteil.
Die Daten seien «ein Weckruf für das europäische Onkologie-Innovationssystem», lässt sich EPA-Präsident António Campinos zitieren: «Während sich Technologien zur Krebsbekämpfung schnell weiterentwickeln und in unerwartete Richtungen gehen, muss Europa reagieren, um seinen Wettbewerbsvorteil bei Innovationen im Gesundheitswesen zu wahren und Leben zu retten. Europas dynamische Onkologie-Startups sind ein Lichtblick, aber sie brauchen Investitionen und Unterstützung, um ihre Erfindungen auszubauen.»