«Das ist ein Reingrätschen in den privaten Versicherungsmarkt»

Gilt das Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit auch für freiwillige Zusatzversicherungen?

, 20. September 2022 um 08:27
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«Man sollte eine Grenze ziehen zwischen Privatversicherung und obligatorischer Krankenversicherung», sagt SVP-Ständerat Alex Kuprecht in der Ratsdebatte. | Screenshot
Mit einem neuen Bundesgesetz soll die Tätigkeit von Vermittlern von Krankenversicherungen reguliert werden.
Umstritten ist mitunter die Frage, ob das nur die soziale Krankenversicherung oder auch die freiwillige Krankenzusatzversicherung betreffen soll. Oder juristisch ausgedrückt: Ob bloss das Krankenaufsichtsversicherungsgesetz (KVAG) oder auch das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) tangiert ist. Eine Mehrheit im Ständerat will, dass auch die Vermittlung der Zusatzversicherungen reguliert werden soll.

«Es braucht unterschiedliche Regeln»

Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann warnte jedoch davor, auch die freiwilligen Zusatzversicherungen der Regulierung zu unterwerfen. «Grundversicherungsbereich und Zusatzversicherungsbereich sind nun wirklich komplett anders geregelt, und - das wissen wir alle - auch die Aufsicht ist eine andere», sagt er. Also brauche es auch unterschiedliche Regeln: «Beim einen haben wir einen sehr eingeschränkten Wettbewerb, (...) beim Zusatzversicherungsbereich gibt es noch einige Freiheiten, über die sich auch die Anbieter entsprechend ausdifferenzieren können.»

«Das ist ein erstes Reingrätschen»

Der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht , der selber als Generalagent der Basler über eine langjährige Erfahrung im Versicherungsgeschäft verfügt, äussert die Befürchtung, dass früher oder später der Bund auch bei anderen Versicherungen regulativ eingreifen werde, wenn hier ein Präjudiz geschaffen werde.
«Das ist ein erstes Reingrätschen in den privaten Versicherungsmarkt, den Markt für freiwillige Versicherungen», sagt der Schwyzer mit 44 Berufserfahrung in diesem Bereich. «Ich bin überzeugt: Diejenigen, die das möchten, werden die Versuche nicht bleiben lassen, auch in anderen Bereichen der privaten Versicherungswirtschaft einzugreifen.» Laut Kuprecht sollte man eine Grenze zwischen Privatversicherung und obligatorischer Krankenversicherung ziehen. «Dort sind Sie zwangsversichert, bei der Privatversicherung sind Sie nicht zwangsversichert.»
Laut dem Urner FDP-Ständerat Josef Dittli, der seine Interessenbindung als Curafutura-Präsident offenlegte, geht es um die Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer Vereinbarung, die die Versicherer abgeschlossen hätten. Und es gehe auch darum, Sanktionen ergreifen zu können, wenn sich ein Versicherer nicht an die Erklärung halte - unabhängig vom KVG oder VAG.
Mit dem Kommissionssprecher Erich Ettlin, Mitte-Ständerat aus Obwalden, mag man sich zudem fragen, was dann noch die Wirkung der Vorlage sei, wenn für die Zusatzversicherung trotzdem noch Telefonanrufe getätigt werden könnten und diese nicht geregelt seien. «Die Leute würden es nicht verstehen, sie machen diesen Unterschied vermutlich nicht.»

Was bisher geschah

Angefangen hatte alles mit den unerwünschte Telefonanrufen von Vermittlern von Krankenversicherungen. Für viele Schweizerinnen und Schweizern scheinen solche Kaltakquisen ein grosses Ärgernis zu sein. Die Rede ist mitunter - völlig deplaziert - von Telefonterror. Für Ärger sorgen mitunter auch die an die Vermittlerinnen und Vermittler ausbezahlten Provisionen - dies schon eher zu Recht.
Der Gesetzgeber war ursprünglich der Meinung, es den Krankenversicherern zu überlassen, diese beiden Problemfelder zu regeln. Schon 2015 hatten das die beiden Dachverbände getan. Nur mit dem Problem, dass sich nicht alle Krankenversicherer daran hielten.
Wegen dieser unbefriedigenden Situation ermächtigten im Herbst 2017 beide Räte mit einer Motion den Bundesrat, die Entschädigung der Vermittlertätigkeit in der Krankenversicherung zu regulieren. Darauf kündigten die Versicherungsverbände an, gemeinsam eine neue Vereinbarung für die Grundversicherung und für die Zusatzversicherung auszuarbeiten. Worauf die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) wieder eine Motion einreichte und den Bundesrat beauftragte, gewisse Punkte der Branchenvereinbarung verbindlich zu erklären.
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