Ende Jahr müssen die Belegärzte raus

Die Münsinger Belegärzte fallen zwischen Stuhl und Bank: In sieben Monaten haben sie keine Praxis mehr.

, 10. Mai 2023 um 07:09
image
Das Wartezimmer der Frauenpraxis im Spital Münsigen: Spätestens bis Ende Jahr muss es geräumt sein. | Website
«Liebe Patientinnen. Wir bedauern die Schliessung des Spital Münsingen sehr. Momentan haben wir keine näheren Informationen.» Diese Mitteilung steht auf der Website der Frauenpraxis, die im 2. Stock im Altbau des Spitals Münsingen eingemietet ist.

Ungewisse Zukunft

Wie es weitergeht mit den drei Ärztinnen, den zwei Hebammen und den vier medizinischen Praxis-Angestellten ist für die Betroffenen nicht klar.
Für die Insel-Gruppe hingegen schon. «Wir haben sie am 24. April darüber informiert», heisst es bei der Pressestelle.

Ende Jahr ist endgültig Schluss

Der Inhalt dieser Information: Die Praxen und Belegärzte müssen zwar nicht schon in gut einem Monat, wenn das Spital schliesst, raus. Aber spätestens Ende Jahr ist Schluss. Betroffen sind fünf Belegarztpraxen mit gut zwanzig Belegärztinnen und Belegärzten aus den Fachgebieten Gynäkologie, HNO, Orthopädie und Neurochirurgie.
Die zwei Praxen mit ambulanten Spitalangeboten im Bereich Kardiologie und Gastroenterologie will die Insel ebenfalls nur noch bis Ende Jahr weiterführen.

Hoffen auf ein neues Spital?

Mit diesem Kündigungstermin fallen die Belegärzte nun buchstäblich zwischen Stuhl und Bank. Sie müssen sich fragen: Sollen sie in Münsingen aufgeben und an einem anderen Standort arbeiten? Oder sollen sie sich auf ein Abenteuer einlassen und darauf hoffen, dass das Spital Münsingen dereinst von ihnen, den Belegärzten, eigenständig weiter betrieben werden kann?
Die Insel hat rigoros und unmissverständlich dafür gesorgt, dass diese Option wohl kaum in Frage kommt. Denn die von den Belegärzten sofort gegründete neue Betriebsgesellschaft wurde im Pokerspiel ums Personal ausgebremst, wie Medinside hier berichtete.

In einem Jahr - vielleicht...

Zwar ist die Insel durchaus interessiert daran, das Spitalgebäude zu verkaufen. Aber: Zuerst wird das Spital geschlossen und das Personal abgezogen. Dann erst wird über einen Verkauf diskutiert.
Und zwar will sich die Insel ein Jahr Zeit lassen, bis sie sich allenfalls dazu entscheidet, den Grund und Boden des Spitals der Gemeinde Münsingen oder dem neu gegründeten Spital-Betriebsunternehmen zu verkaufen.

Kein Übergangsangebot

Die Insel-Verantwortlichen sind bei den Verhandlungen am längeren Hebel. Die Praxen und Belegärzte nutzen nämlich derzeit zum Teil die Infrastruktur des Spitals. Nach der Schliessung dürfen sie diese noch ein halbes Jahr weiter nutzen. Dann ist fertig.
Ein Übergangsangebot der Insel gibt es nicht, wie die Pressestelle gegenüber Medinside bestätigt. Die Insel will in Münsingen einen klaren Schlussstrich ziehen.

Ein Arzt spricht Klartext

Wenn der derzeit noch tätige Münsinger Arzt Stefan Graf über dieses Vorgehen der Insel spricht, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Er ist Leitender Arzt Anästhesie und ist Ende Juni seine Stelle los. «Für mich nicht schlimm, da ich in einigen Monaten pensioniert werde», sagte er gegenüber Medinside. «Für meine Kollegen und Kolleginnen aber schon.»
Er übt harsche Kritik an der Insel-Leitung: Sie verschleudere einige Millionen Franken, weil der Sozialplan und die juristische Auseinandersetzung mit den Belegärzten viel kosten würden. Provokativ fragt er: «Oder wird eine Praxis mit Zehn-Jahres-Vertrag Ende Jahr geräuschlos verschwinden, weil die Direktion das gerne hätte?»

Die Tiefenau-Schliessung kostet nochmals

Ende Jahr kämen mit der Schliessung des Tiefenauspitals zusätzliche Kosten hinzu, prophezeit er. Und der zuständige Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg schaue nur zu.
  • spital münsingen
  • ärzte
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

«Schauen Sie genau, wen Sie heiraten – das meine ich ernst.»

Seilschaften, starre Regeln und intransparente Gehälter bremsen Frauen auf dem Weg zur Chefarztposition. Rückhalt daheim ist entscheidend – und Teilzeit ist problematisch: Das sagt Susanne Renaud, Chefärztin Neurologie am Spital Neuenburg.

image

«Als Arzt nach Deutschland – warum nicht?»

Für Schweizer Assistenzärzte kann die Arbeit an einem deutschen Krankenhaus interessant sein. Die Nachfrage steige, sagt Martin Werner von DocsGoSwiss im Kurzinterview.

image

Zwei neue Ärztinnen in Hasliberg

Ab 1. Mai 2025 verstärken Dr. med. Stefanie Zahner-Ulrich und Dr. med. (SRB) Sonja Krcum Cvitic das Team der Rehaklinik Hasliberg. Mit ihren fundierten Erfahrungen in Allgemeiner Innerer Medizin bzw. Physikalische Medizin und Rehabilitation erweitern sie gezielt die medizinische Kompetenz der Klinik

image

Forschung und Praxis: Synergien für die Zukunft

Dr. Patrascu erklärt im Interview die Verbindung von Forschung und Praxis an der UFL. Er beschreibt die Vorteile des berufsbegleitenden Doktoratsprogramms in Medizinischen Wissenschaften und zeigt, wie die UFL durch praxisnahe Forschung und individuelle Betreuung Karrierechancen fördert.

image

Münchner Arzt vor Gericht wegen Sex während Darmspiegelung

Ein Arzt soll während Koloskopien 19 Patientinnen sexuell missbraucht haben. Er sagt, die Vorwürfe seien erfunden und eine Intrige.

image

Pflege- und Ärztemangel: Rekordwerte bei offenen Stellen

Die Gesundheitsbranche bleibt führend bei der Suche nach Fachkräften. Laut dem neuen Jobradar steigen die Vakanzen in mehreren Berufen wieder – entgegen dem allgemeinen Trend auf dem Arbeitsmarkt.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.