Einsatz von Robotik in der Medizin beschäftigt Zürcher Spezialisten

Der Verband Zürcher Spitäler traf sich zur jährlichen Tagung und beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, ob Roboter dem Personalnotstand entgegenwirken können.

, 14. November 2022 um 08:22
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Claudia Ulshöfer, stellvertretende Leiterin Unternehmensentwicklung Gesundheitszentren für das Alter Stadt Zürich, sprach über die Erfahrungen mit «Leo». | ejo
Da-Vinci, Robbe Paro, Pepper oder Robears – Roboter übernehmen auch in der Medizin immer mehr Aufgaben: Während die Robbe Paro zu therapeutischen Zwecken bei Senioren eingesetzt wird, mischte sich Pepper als Unterhalter in Pflege- und Altenheimen unter die Menschen. Der humanoide Roboter sorgte 2018 für Aufsehen, weil er die Mimik und Gestik von Menschen analysieren und entsprechend auf die Emotionszustände reagieren kann.
Durchsetzen konnte sich Pepper aber nicht: Die französisch-japanischen Hersteller stoppten dessen Produktion wegen fehlender Nachfrage im letzten Jahr. Ebenso eingstellt wurde die Produktion des in Japan entwickelten Roboter-Bärs, Robears, der Menschen aus dem Bett in einen Rollstuhle heben konnte und die Pflege hätte entlasten sollen.

Viel Lob für «Da-Vinci»

Erfolgreicher ist der Einsatz des US-amerikanischen Operationssystems Da-Vinci. In der Schweiz arbeiten inzwischen zahlreiche Spitäler mit dem Operationsroboter: So führte zum Beispiel das Kantonsspital Aarau (KSA) als erstes Spital in der Schweiz damit eine Blasen- und Enddarmentfernung durch; ebenso Premiere feierten Chirurgen am Unispital Zürich (USZ) als sie einen Tumor der Bauchspeicheldrüse minimalinvasiv mit dem Roboter entfernten.
Einsicht in diese Operation erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der VZK-Tagung (Verband Zürcher Krankenhäuser) im Kongresshaus in Zürich. Dort beschäftigten sich Zürcher Spezialistinnen und Spezialisten am jährlichen Event mit dem Thema «Mensch – Robotik – Medizin: mehr Qualität, verbesserte Wirtschaftlichkeit, weniger Fachkräftemangel?».
Ein Vergleich mit herkömmlichen Operationsmethoden in der Bauch-Chirurgie zeigte eindrücklich auf, wie präzise das schädliche Gewebe mit dem Operationsroboter entfernt werden konnte, ganz zu schweigen von der Präzision der Naht.
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Matthias Turina, Leiter Kolorektale Chirurgie und Proktologie, Stv. Klinikdirektor, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsspital Zürich, über die drei guten Gründe, um als Chirurg mit einem Roboter zu arbeiten. | ejo
Matthias Turina, Leiter Kolorektale Chirurgie und Proktologie, Stv. Klinikdirektor, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsspital Zürich, bezeichnete diese erste Operation in seinem Referat als «einen faszinierenden Moment». Die bessere Händigkeit, die bessere Darstellung der Anatomie und die Vereinfachung in der Chirurgie seien drei Gründe, die für den Operationsroboter sprechen würden.
Vorteile hat die OP-Methode mit Da-Vinci auch für den Patienten: Der Eingriff ist unter anderem blutarm, meist kann der Tumor vollständig entfernt werden, es kommt zu weniger Komplikationen und der Spitalaufenthalt ist kürzer.

Hohe Anschaffungskosten

Rund zwei Millionen kostet ein gesamtes Da-Vinci-Operationssystem. Die Anwendung müsse erlernt und routiniert sein, so Turina, und es brauche jemanden, der diese Technik vermittle. Ein Gerät anzuschaffen, reiche nicht.
Damit sprach er Themen an, die 2019 zu Diskussionen führten. Diese Op-Roboter seien unnötig und teuer hiess es. Mangle es an Routine, seien diese Operationsroboter sogar gefährlich, so die Kritiker.

Job auf dem Spiel?

Diese Bedenken scheinen verflogen zu sein, genauso wie die Angst, den Job wegen eines Roboters zu verlieren. «Endlich geht es los», freute sich Turina auf der Bühne. «Unser Beruf war über Jahre hinweg analog, während alles andere digitalisiert wurde.»
Etwa 70 bis 80 robotische Darmkrebsresektionen führt das USZ jährlich durch. Dass der OP-Roboter den Menschen ersetze, davon sei man aber noch weit davon entfernt.

Leo konnte nicht so recht

Zukunftsmusik ist der Einsatz von Robotern in der Pflege. Diese werden zwar angesichts des Pflegenotstandes in die Diskussion miteinbezogen. Doch auch wenn weltweit über 100 Roboter in der Entwicklung sind, die Pflegefachpersonen beim Betreuen von älteren oder erkrankten Menschen unterstützen sollen, ist deren Einsatz (noch) nicht praktikabel.
Ein Exemplar kam bei den Gesundheitszentren für das Alter Stadt Zürich testweise in den Einsatz: Von Oktober 2021 bis April 2022 mischte sich Leo unter die Zürcher Senioren. Laut Claudia Ulshöfer, stellvertretende Leiterin Unternehmensentwicklung, reagierten Bewohner und Angehörige positiv auf den kurligen Mitarbeiter.
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Claudia Ulshöfer, Stv. Leiterin Unternehmensentwicklung Gesundheitszentren für das Alter Stadt Zürich, präsentierte Leo. | ejo
Etwas weniger Spass hatten die Mitarbeitenden damit. Wie Ulshöfer ausführte, sorgte Leo für einen «hohen Initalaufwand.» Und obwohl er gewisse Aufgaben erledigen konnte; «Entlastung hat er nicht gebracht», so Ulshöfer.
Es wundert nicht, dass Leo zurück in die Werkstatt musste, wo derzeit weiter an ihm getüftelt wird. Vom Tisch sei der Einsatz von Robotern aber nicht. «Wir warten noch ein bisschen. Je nach Entwicklung kann man sich überlegen, für was man ihn braucht.»

«Pflegeroboter gibt es nicht»

Eine klare Haltung zum Thema Robotik in der Pflege hatte Kuno Betschart, Geschäftsführer SBK Sektion Zürich, Glarus und Schaffhausen. Sein Referat startete er damit, das Publikum nochmals auf die Tatsache hinzuweisen, dass monatlich 300 Pflegende den Beruf verlassen.
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Kuno Betschart Geschäftsführer, SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer) Sektion ZH/GL/SHH, sieht den Einsatz von Robotern in der Pflege kritisch. | ejo
«Pflegeroboter gibt es im eigentlichen Sinn nicht und wird es auch niemals geben», so Betschart. «Diese technischen Artefakte haben keine Gefühle. Sie können den menschlichen Kontakt nicht ersetzen.»
Und diesen brauche es für den Pflegeberuf. Man wisse aus der Forschung, dass Menschen mit Demenz als Beispiel sehr wohl zwischen Menschen oder Künstlicher Intelligenz unterscheiden können. Als Assistenzsystem könne er sich diese vorstellen. Roboter seien deshalb nur bedingt ein Ausweg aus dem Dilemma mit dem Fachkräftemangel.

Sichtweisen aus der Politik

Der Personalnotstand ist ein grosses Thema in der Politik. Man blicke auf eine ausserordentliche Situation, sagte Natalie Rickli, Vorsteherin der Gesundheitsdirektion und Regierungsrätin Kanton Zürich, an der VZK-Tagung.
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Natalie Rickli, Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, Regierungsrätin Kanton Zürich. | ejo
Die Politik versuche, mit attraktiveren Anstellungsbedingungen Weichen zu stellen. Für einen Erfolg brauche es aber eine Vielzahl an Akteuren, so Rickli, wie etwa beim Weltrekordversuch der Rätischen Bahn. Neue innovative Ideen seien gefragt, gerade in Bezug auf den Fachkräftemangel.
Über das Thema Kosten-Nutzen-Verhältnis betreffend den Einsatz von Robotern im Gesundheitsbereich sprach Regine Sauter.
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Regine Sauter Nationalrätin (FDP, Zürich), Mitglied Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit, Präsidentin des Spitalverbands Hplus. | ejo
Die frisch gewählte Präsidentin des Spitalverbands Hplus zeigte die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen auf. Der entscheidende Punkt sei: welche Massnahmen akzeptieren die Prämienzahler überhaupt, um die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen? Eine Erhebung aus dem Gesundheitsmonitor zeigte «eigentlich sehr wenig bis nichts».
Faktoren wie der Fachkräftemangel oder die Lücken in der Ärzteschaft seien ebenso wichtige Punkte in der Diskussion über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Dass der Einsatz von Robotik in der Kinder-Reha entlasten kann, davon hatte sich Sauter bei einem Besuch in einer Klinik überzeugen lassen können. Überzeugt von der Präsizion zeiget sie sich auch vom Operationsroboter Da-Vinci.

Wer übernimmt die Verantwortung?

Risiken und Herausforderungen sieht Sauter in der Akzeptanz, in der rechtlichen Regulierung und dem Datenschutz von solchen Geräten. Was, sollte ein Roboter einen Fehler machen, so Sauter. «Wem wird die Verantwortung zugeschrieben?»
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Podiumsdiskussion mit allen Referenten (v.l.): Daniel Strassberg, Kuno Beschart, Matthias Turina, Regine Sauter, Robert Riner, Claudia Ulshöfer und Maritina Spiess.
Der Einsatz von Robtik in der Medizin wird in vielerlei Hinsicht ein Thema bleiben und für Diskussionen sorgen. Können Roboter menschliche Bedürfnisse befriedigen? Diese Frage wird mit Sicherheit im Zentrum aller Diskussionspunkte stehen bleiben.

Bildergalerie:

VZK-Tagung moderiert durch Daniela Lager, SRF-Puls.



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Daniela Lager moderierte den Anlass.


Die Referenten:


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Christian Schär, Präsident VZK (links im Bild); Daniela Lager, SRF-Puls-Moderatorin; Natalie Rickli, Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, Regierungsrätin Kanton Zürich; Martina Spiess, Research Associate, Institut für Ergotherapie, ZHAW; Matthias Turina, Stv. Klinikdirektor, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie USZ; Robert Riner, Professur für Sensomotorische System Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie ETH Zürich und Universitätsklinik Balgrist; Claudia Ulshöfer, Stv. Leiterin Unternehmensentwicklung Gesundheitszentren für das Alter Stadt Zürich; Daniel Strassberg, Lehrbeauftragter Philosophie an der Medizinischen Fakultät der Uni Zürich, Autor und Psychoanalytiker; Kuno Betschart, SBK, Geschäftsführer Sektion ZH/GL/SHH und Regine Sauter, Nationalrätin (FDP, Zürich), Mitglied Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit.



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