Herr Zumbrunnen, Aevis Victoria gab jüngst überraschend bekannt, dass Sie neue strategische Aktionäre für Swiss Medical Network suchen. Warum?
Wir begannen, mit dem Modell Viva neue Versorgungsregionen aufzubauen – im Jurabogen mit dem Réseau de l’Arc, im Tessin mit dem Rete St. Anna, im Mittelland mit dem Aarenetz. Jetzt sehen wir, dass hier ein grosses Potenzial besteht. Und wir möchten den Prozess beschleunigen.
Geht es also um Kapital?
Nein, es geht um strategische Partner. Nehmen Sie das Beispiel der Krankenkasse Visana: Ohne sie wäre es uns nicht möglich gewesen, ein Produkt wie Viva Health anzubieten. Oder das Beispiel des KSA, das sich bei Swiss Medical Network engagiert hat: Das Kantonsspital Aarau ermöglicht uns, hochspezialisierte Medizin in das Aarenetz-Angebot zu integrieren. Nun sind wir auf der Suche nach derartigen Partnerschaften in verschiedenen Regionen.
Fabrice Zumbrunnen ist seit Mai 2024 CEO von Aevis Victoria – also dem Mutterhaus der Spital- und Klinikkette Swiss Medical Network. Zu Aevis Victoria gehören ferner zwei Hotelunternehmen, die Spital-Immobilienfirma Infracore und die Better-Aging-Marke Nescens. Von 2017 bis 2023 war Fabrice Zumbrunnen Konzernchef der Migros.
Haben Sie konkrete Vorstellungen, was ideale «Strategic Shareholders» mitbringen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Vielleicht sind es medizinische Spezialisierungen oder IT-Kompetenzen im Feld der integrierten Versorgung. Ideale Partner können Spitäler sein, aber auch Gesundheitszentren oder sogar Apotheken. Als neue Aktionäre stellen wir uns Institutionen vor, die einen konkreten Beitrag leisten können und die natürlich unsere Ambitionen und unsere Überzeugungen teilen – immer mit einer mittel- bis langfristigen Perspektive. Denn Sie können nicht in drei Jahren das Gesundheitssystem transformieren.
Auch ausländische Unternehmen?
Das hängt von der Expertise ab. Wenn beispielsweise ein Partner viel Erfahrung mit Capitation-Modellen oder in der integrierten Versorgung hat – dann warum nicht? Aber es gibt relativ wenige, die so etwas mitbringen. Und sicherlich müsste ein echtes Verständnis für die Besonderheiten der Branche in der Schweiz vorhanden sein.
Offensichtlich ist es sogar denkbar, dass Swiss Medical Network am Ende einen neuen Mehrheitsaktionär bekommt und Aevis Victoria die Führung abgibt.
Im Prinzip schon. Aber es ist mir wichtig zu betonen, dass wir voll engagiert bleiben und dass wir weiterhin eine strategische Rolle spielen möchten. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Vision Viva ein sehr hohes Potenzial hat. Wir werden weiterhin einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
«Das Gesamtprojekt wird grösser, als wir uns das am Anfang vorgestellt hatten. Darum suchen wir jetzt starke Kooperationen.»
Aber wenn wir offen für neue Beteiligungen sind, müssen wir auch offen sein für alle Ambitionen der möglichen Partner. Nur aus diesem Grund schliessen wir eine Mehrheitsbeteiligung nicht vollständig aus. Doch so etwas käme nur infrage, wenn sich damit eine deutlich bessere Lösung als heute abzeichnet.
Schon heute sind Visana (11,1 Prozent) und das Kantonsspital Aarau (3,7 Prozent) bei Swiss Medical Network mit strategischen Beteiligungen an Bord. Könnten auch sie das Engagement ausbauen?
Visana ist voll dabei, setzt sich stark ein, und wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. Dass andere versuchen, unser Modell zu kopieren, ist ja auch eine Art von Anerkennung dafür, dass wir gemeinsam den Markt bewegt haben. Das Beispiel des KSA zeigt wiederum, wie man mit einzelnen Spitälern zusammenarbeiten kann, um ideale Versorgungsregionen zu verwirklichen. Entsprechend verspüren wir jetzt ein grosses Interesse bei einigen regionalen Spitälern.
Das Ziel ist klar: Swiss Medical Network will das Modell Viva in allen Landesgegenden anbieten, wo Sie aktiv sind. Welche Region nehmen Sie als nächstes ins Visier?
Das möchten wir lieber erst kommunizieren, wenn alle Partner an Bord sind.
Bekannt ist, dass Anfang 2027 ein weiterer Start erfolgen soll.
Ja, es kommen neue Regionen hinzu. Aber wir möchten keine Verwirrung stiften: Momentan steht das Aarenetz beziehungsweise das Mittelland als nächste Region im Zentrum – jetzt läuft diese Kampagne. Wir brauchen ein bisschen Zeit, um jeweils die folgenden Schritte richtig vorzubereiten. Aber klar ist: Das Gesamtprojekt wird grösser, als wir uns das am Anfang vorgestellt hatten. Darum suchen wir jetzt starke Kooperationen, um den ganzen Prozess zu beschleunigen. Das ist wirklich die Idee.
Was ist die grosse Vision? Welch ein Unternehmen wird Swiss Medical Network in fünf Jahren sein? Sie stellen derzeit Viva Health ins Zentrum. Aber es gibt doch auch einen Graben zwischen dieser Grundversorgungs-Idee und dem Privatklinik-Anspruch, der ebenfalls zu Swiss Medical Network gehört. Was passiert denn damit?
Das unterschätzen viele: Viva Health bietet ein grosses Potenzial für die gesamte Gruppe. Dank den Erkenntnissen beim Réseau de l’Arc konnten wir viele interne Prozesse anpassen. Die ganze Organisation hat davon profitiert. Die integrierte Versorgung wird immer zentraler für alle traditionellen Angebote – etwa wegen der stärkeren Ambulantisierung; oder wegen des Drucks, umfassende Angebote für den gesamten «Patient Journey» einzurichten – von der Prävention und bis hin zur Rehabilitation.
Gibt es bei Ihren Privatkliniken sonst noch neue Pläne?
Wir haben dort einige Bereiche, wo wir speziell stark sind, etwa in der Orthopädie und der Onkologie: Dort wollen wir weiter ausbauen. Wir möchten auch in der Gesamtgruppe diese Kompetenzen stärken. Und zentral bleibt, dass diese Kliniken für die Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen, einerseits mit einem Nahversorgungs-Angebot, andererseits mit gewissen Spezialitäten.
Zu Aevis Victoria gehört zudem Infracore, eine Holding, die auf die Errichtung und Verwaltung von Gesundheitsimmobilien spezialisiert ist. Auch dafür suchen Sie neue Aktionäre. Warum? In diesem Bereich bietet der Markt wirklich spannende Chancen. Dafür werden wir mehr Kapital brauchen. Das ist das Thema. Bei der Spital- und Gesundheitsinfrastruktur gibt es viel Bedarf, und dieser Bedarf muss neu finanziert werden. Grosse Investitionen sind gefragt. Wir wurden dafür auch schon ganz konkret kontaktiert. Denn wir kennen die Erwartungen und Spielregeln für Investoren im Bereich der Gesundheits-Immobilien – aus unserer Sicht sind wir die einzigen, die das im Schweizer Markt anbieten können: Investoren, die ein Verständnis für die Branche haben und Erfahrung mit Kliniken, mit regionalen Spitälern, mit öffentlichen Spitälern aufweisen können, sind selten.
Und dafür ist es jetzt sogar denkbar, dass Sie Infracore an die Börse bringen.
Es ist möglich. Auch hier prüfen wir mehrere Optionen – der Börsengang ist eine davon.
Sie haben doch schon einen wichtigen Player an Bord: Die US-Spital-Holding
Medical Properties Trust ist zu 9 Prozent an Aevis Victoria beteiligt. Wäre das nicht der ideale Konzern, um sich stärker zu engagieren?
MPT bleibt voll engagiert. Aber das schliesst doch nicht aus, dass wir andere Partner ins Boot holen – und mit diesen Firmen neue Kompetenzen erhalten.