Schön sein bis ins Alter: Die Nachfrage nach ästhetischen Behandlungen steigt. Für Kosmetikinstitute, Ärztinnen sowie Pflegefachpersonen stellen sich dabei praktische Fragen: Wer darf welche Behandlungen selbständig durchführen? Welche Behandlungen dürfen delegiert werden? Und wo drohen empfindliche Strafen?
Die Autorinnen:
Anne-Catherine Cardinaux ist Rechtsanwältin bei der Anwaltskanzlei Walder Wyss mit Schwerpunkt Health Care und Life Sciences. Sie berät Mandanten in regulatorischen Fragen rund um Arzneimittel, Medizinprodukte, Digital Health und Telemedizin – insbesondere im Zusammenhang mit Forschung, Zulassung und Vermarktung. Zudem unterstützt sie bei Fragen der Compliance und begleitet Verfahren vor Aufsichtsbehörden. Ihre Arbeit umfasst auch die Vertragsgestaltung in komplexen regulatorischen Zusammenhängen.
Tamara Zeiter ist Rechtsanwältin bei der Anwaltskanzlei Walder Wyss mit Schwerpunkt Health Care und Life Sciences. Sie berät zu regulatorischen Fragestellungen auf dem gesamten Gebiet des Gesundheits- und Pharmarechts und vertritt Klientinnen in Gerichtsverfahren und vor Verwaltungsbehörden.
Drei Regulierungs-Szenarien kompakt erklärt
1. Ästhetisch-medizinische Eingriffe in eigener fachlicher Verantwortung durch Ärztinnen
Als medizinischer Eingriff qualifiziert im klinischen Sprachgebrauch jede invasive Massnahme, bei der in den Körper oder seine natürlichen Barrieren eingegriffen wird. Jede Blutentnahme ohne Einwilligung der Patientin ist ein strafrechtlich relevanter Eingriff.
Regulatorisch ist deshalb das Schutzbedürfnis von Patientinnen bei elektiven ästhetisch-medizinischen Eingriffen der Schönheitsindustrie entsprechend gross. Derartige Eingriffe in eigener fachlicher Verantwortung sind grundsätzlich Ärztinnen vorbehalten und erfordern neben einem eidgenössischen (anerkannten) Arztdiplom auch einen fachärztlichen (anerkannten) Weiterbildungstitel sowie eine kantonale Berufsausübungsbewilligung.
In der Praxis sind folgende ästhetisch-medizinischen Behandlungen ausschliesslich Ärztinnen mit entsprechender Berufsausübungsbewilligung vorbehalten:
- Botulinumtoxin- (Botox®) Behandlungen,
- Fadenlifting,
- PRP (Platelet-Rich Plasma oder auch «Vampirlifting» genannt) und
- Injektionslipolyse («Fett-weg-Spritze»).
2. Delegierbare ästhetische Behandlungen an qualifizierte Pflegefachpersonen unter direkter ärztlicher Aufsicht
Gewisse ästhetisch-medizinische Behandlungen, die nicht zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit gehören, können unter direkter ärztlicher Aufsicht und Verantwortung an qualifizierte Pflegefachpersonen delegiert werden. Im Rahmen ihrer delegationsbedingten Sorgfaltspflichten hat die delegierende Ärztin dann dafür zu sorgen, dass sie die mit der ästhetischen Behandlung betraute Pflegefachperson sorgfältig auswählt, instruiertund überwacht.
Dabei ist zwischen der Delegation invasiver und nicht-invasiver Eingriffe zu unterscheiden:
- Invasive Eingriffe (z. B. Laser und langanhaltende Hyaluronsäure-Injektionen) darf eine qualifizierte Pflegefachperson nur bei physischer Präsenz der überwachenden und verantwortlichen Ärztin übernehmen, wobei die Ärztin in der Lage sein muss, bei Bedarf sofort einzugreifen. Dies bedingt, dass die verantwortliche Ärztin in derselben Praxis oder Institution arbeitet, wobei eine räumliche Trennung nur in geringem Umfang erlaubt ist.
- Nicht-invasive Eingriffe darf eine Pflegefachperson hingegen auch bei blosser «Fernüberwachung» ausführen, d.h. eine physische Anwesenheit der überwachenden Ärztin ist nicht erforderlich.
Unabhängig davon, ob es sich um einen invasiven oder nicht-invasiven Eingriff handelt, bleibt die delegierende Ärztin für die Indikation/Kontraindikation, Instruktion und Nachsorge gesamtverantwortlich.
3. Kosmetische (nicht medizinische) Behandlungen in eigener fachlicher Verantwortung durch Kosmetikerinnen
Die Palette an kosmetischen Behandlungen ist immens und reicht von oberflächlichen Anwendungen wie Mikrodermabrasion bis hin zu Laserbehandlungen in Form von nichtionisierender Strahlung.
Oberflächliche Anwendungen wie Mikrodermabrasion, Microneedling bis 0,5 mm Tiefe oder kurzzeitige Hyaluronsäureprodukte (<30 Tage Resorption) dürfen Kosmetikerinnen selbständig durchführen – unter Einhaltung der Hygienestandards, Dokumentationspflichten und Meldepflichten (!) schwerwiegender Zwischenfälle an Swissmedic.
Demgegenüber gilt für folgende Behandlungen mit nichtionisierender Strahlung (Laser, Licht) seit Juni 2024 für Kosmetikerinnen eine Pflicht zum Sachkundenachweis gemäss Anhang 2 Ziffer 1 der Verordnung V-NISSG:
- Akne,
- Cellulite und Fettpolster,
- Couperose, Blutschwämmchen, Spinnennävi (kleiner als 3mm, nicht in Augennähe),
- Falten,
- Nagelpilz,
- Narben,
- Postinflammatorische Hyperpigmentierung,
- Striae,
- Entfernung von Haaren, von Permanent-Make-up mittels nichtablativem Laser (nicht in Augennähe) und von Tätowierungen (nicht in Augennähe) sowie
- Akupunktur mittels Laser.
Hingegen sind folgende exemplarische kosmetische Behandlungen mit nichtionisierender Strahlung Ärztinnen oder ihrem direkt unterwiesenem Praxispersonal gemäss Anhang 2 Ziffer 2 Verordnung V-NISSG vorbehalten, wobei diese hierfür – im Unterschied zu Kosmetikerinnen – keinen Sachkundenachweis benötigen:
- Altersflecken,
- Dermatitis,
- Ekzeme,
- Melasma,
- Psoriasis,
- Varizen und Besenreiser,
- Warzen sowie
- Entfernung von Permanent-Make-Up und Tätowierungen in Augennähe.
Regulatorische Besonderheiten für die ärztliche Tätigkeit in ambulanten Kosmetikinstituten
In den meisten Kantonen benötigt die Führung einer ambulanten ärztlichen Einrichtung eine Betriebsbewilligung. Wo eine solche erforderlich ist, bleibt von Kosmetikerinnen geführten Kosmetikinstituten die Konstituierung als ambulante ärztliche Einrichtung verwehrt.
Selbst Kosmetikinstituten mit angestelltem ärztlichem Personal werden keine Bewilligungen zur Führung einer ambulanten ärztlichen Einrichtung ausgestellt. Mit anderen Worten ist es Ärztinnen in Kantonen mit Betriebsbewilligungserfordernis nicht erlaubt, im Namen und auf Rechnung des Kosmetikinstituts (z.B. in Form einer AG oder GmbH) ästhetisch-medizinische bzw. kosmetische Leistungen zu erbringen, ausser sie würden sich als ambulante ärztliche Einrichtung konstituieren, geführt unter der fachverantwortlichen Leitung einer Ärztin.
Erfolgt die ärztliche Tätigkeit in einem Kosmetikinstitut auf Stunden- oder Tagesbasis, muss diese deshalb im Namen und auf Rechnung der Ärztin ausgeführt werden. Der Name der verantwortlichen Ärztin ist zudem auf der Webseite, in sämtlichen Werbemitteln und in Patientenverträgen explizit zu nennen.
Neben der Berufsausübungsbewilligung muss die Praxistätigkeit an diesem Ort sodann auch bei der kantonalen Gesundheitsdirektion gemeldet werden, sobald sie regelmässig (auch wenige Stunden pro Woche) erfolgt.
Sämtliche berufliche Pflichten wie Dokumentation, Lagerung und Bewirtschaftung der Heilmittel, Abrechnung, Haftung sowie Wahrung der Patientenrechte und des Berufsgeheimnisses sind von der Ärztin dabei einzuhalten. Zudem muss eine Präsenzliste geführt werden, damit nachvollzogen werden kann, ob und inwiefern die Ärztin ihre Verantwortung und ärztliche Präsenz wahrnimmt.
Praxisbeispiele aus dem Alltag
Fall 1: Botox im Kosmetikstudio – verboten, auch bei Arztnähe
Ein Beauty-Institut bietet «sanfte Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin» an. Die Ärztin kommt einmal pro Woche vorbei, fehlt aber auf der Homepage als Verantwortliche.
Ergebnis: Botulinumtoxin darf ausschliesslich von Ärztinnen injiziert werden. Die Ärztin hätte den Standort als Zweitpraxis melden und transparent abwickeln müssen. Dies qualifiziert als Verstoss gegen die kantonale Gesundheitsgesetzgebung und wird bei Vorsatz mit Busse bis zu 50'000 Franken und bei Fahrlässigkeit mit Busse bis 5'000 Franken bestraft.
Fall 2: Laser-Haarentfernung ohne Sachkundenachweis
Ein Kosmetikstudio wirbt mit Laser- und IPL-Behandlungen, ohne dass die behandelnde Kosmetikerin über einen entsprechenden Sachkundenachweis verfügt.
Ergebnis: Dies qualifiziert als Verstoss gegen das Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdung durch nichtionisierende Strahlung und Schall (NISSG) und wird bei Vorsatz mit Busse bis zu 40'000 Franken und bei Fahrlässigkeit mit Busse bis zu 20'000 Franken bestraft.
Fall 3: Kurz vs. langanhaltende Hyaluronsäure
Eine Kosmetikerin wendet Filler an, darunter langzeitwirkende Produkte wie Juvéderm® oder Restylane®.
Ergebnis: Die Kosmetikerin darf nur kurzfristige Produkte (<30 Tage) anwenden. Eine unzulässige Anwendung kann als unbewilligte Berufsausübung geahndet werden und stellt einen Verstoss gegen die kantonale Gesundheitsgesetzgebung dar. Dies qualifiziert als Verstoss gegen die kantonale Gesundheitsgesetzgebung und wird bei Vorsatz mit Busse bis zu 50'000 Franken und bei Fahrlässigkeit mit Busse bis 5'000 Franken bestraft.
Bei sämtlichen dieser Praxisbeispiele drohen zudem im Falle von Komplikationen Strafverfahren wegen Körperverletzung sowie Haftungsprozesse. Darüber hinaus kann die Betriebshaftpflichtversicherung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit die Leistung ganz oder teilweise verweigern, da die allermeisten Policen solche Fälle ausschliessen.
Do’s und Don’ts für die Praxis
Zusammenfassend ergeben sich daraus folgende Do’s:
- Vor der Aufnahme neuer Behandlungen immer die massgeblichen Kantonsleitfäden und gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere die V-NISSG) prüfen.
- Tätigkeit von Ärztinnen und Kosmetikerinnen vertraglich regeln (insbesondere hinsichtlich Verantwortung, Präsenz, Abrechnung und Notfallorganisation).
- Transparente Werbung für kosmetisches Angebot (keine «versteckten» Arztkooperationen).
- Etablierung von Qualitäts- und Komplikationsmanagement.
- Hingegen sollte auf die folgenden Don’ts verzichtet werden:
- «Ärztin im Hintergrund» – telefonische Erreichbarkeit genügt bei invasiven Eingriffen nie!
- Unklare Titel (keine Scheinqualifikationen oder Masterdiplome).
- Übertragung invasiver Techniken wie Botox, PRP an nicht genügend ausgebildetes nichtmedizinisches Personal ohne Anwesenheit einer Ärztin.
Fazit und Ausblick
Kosmetisch-ästhetische Behandlungen sind keine rechtliche Grauzone. Die regulatorischen Anforderungen sind komplex und Behörden werden aufgrund der gesteigerten Nachfrage immer aufmerksamer. Folglich steigen die Risiken für Institute, Ärzte und Personal.
Eine klare Rollenverteilung und sorgfältige Organisation eröffnen jedoch Handlungsspielräume. So lässt sich die medizinische Qualität sichern – und die ästhetische Praxis attraktiv und rechtskonform gestalten. Ganz nach dem Motto: Machen auch Sie Ihre Praxis (juristisch) schön.
- Der «Rechtsfall der Woche» ist ein Partner-Inhalt von Walder Wyss.
Eine dynamische Präsenz im Markt –
Walder Wyss gehört mit mehr als 300 juristischen Experten und Expertinnen an sechs Standorten in allen Sprachregionen zu den führenden Schweizer Kanzleien für Wirtschaftsrecht. Kontinuierliches Wachstum, Kollegialität, Teamarbeit und Leistungswille haben bei Walder Wyss einen hohen Stellenwert – über alle Bereiche und Funktionen hinweg.