Auch in der Schweiz platzen viele Notfallstationen aus allen Nähten. Die Wartezimmer sind voll – auch wegen Bagatellfällen. Dabei stellt sich die Frage, wie sich eine Notfallaufnahme am effizientesten organisieren lässt.
David Chen,
Assistenzprofessor für Medizin am
Stanford Institute for Economic Policy Research, hat dazu eine klare Antwort. Der Mediziner hat in einer gross angelegten Studie zwei Modelle genauer untersucht:
- Praxisassistentinnen oder Pflegefachleute weisen die Patienten den behandelnden Ärzten zu (Pflegeverwaltung-System)
- Ärzte bestimmen untereinander, welcher Patient als nächster an der Reihe ist (selbstverwaltetes System)
Das Fazit nach der Untersuchung von 380'000 Fällen in einer Notaufnahme: Das von Ärzten verwaltete System arbeitet effizienter als das Pflegeverwaltung-System. Die Wartezeiten sanken um 11 bis 15 Prozent.
Verzögerte Entlassungen gleich weniger Arbeit
Die zentrale Rolle spiele das
Moral-Hazard-Phänomen. Dieses besagt unter anderem, dass Menschen im Team ihr Engagement absenken, um verstärkt vom Einsatz der anderen Mitglieder zu profitieren.
Konkret heisst das für Chen: Ärzte kommen untereinander gar nicht erst in Versuchung, zu «trödeln» und so den nächsten Patienten zeitlich hinauszuzögern. Das Moral-Hazard-Verhalten nimmt laut Studie zu, je mehr Patienten im Wartezimmer sitzen.
Gegenseitige «Beobachtung» hilft
Die gegenseitige Überwachung erhöht der Stanford-Analyse zufolge die Produktivität. Aber weshalb? Reduziert wird die Neigung zur lockeren Einstellung, weil Ärzte untereinander besser «informiert» sind. Anders ausgedrückt heisst das: Es ist für Notfallstationen effizienter, wenn sich zwei Ärzte gegenseitig «beobachten», um zu sehen, wieviel der andere wirklich zu tun hat.
Beim System, wo zum Beispiel Pflegefachleuten die Triage vornehmen, ist dies weniger möglich: Die Entscheidungsträger befinden sich oftmals in einem anderen Raum – und kein Arzt weiss genau, womit der andere gerade beschäftigt ist. Es sei deshalb schwieriger, die effektive Arbeitsbelastung des Arztes zu beobachten, so der Mediziner, der auch Mitglied der Fakultät der Stanford Health Policy ist.
Für seine jetzt im
«Journal of Political Economy» erschienene Studie
(kostenpflichtig) hat
David Chen während sechs Jahren eine grosse akademische Notaufnahme mit über 380’000 Fällen analysiert. Dabei bezog er die Aufenthaltsdauer, den einzelnen Beitrag des Arztes sowie Patientendaten (Schmerzniveau, Vitalfunktionen, Notfall-Severity Index etc.) mit ein.