Unnötige Knieoperationen: SAMW macht Druck

Laut einer neuen Studie bestehen in der Schweiz immer noch erhebliche Fehlanreize: Sie verhindern konservativere – und günstigere – Methoden.

, 7. Juli 2017 um 10:12
image
  • choosing wisely
  • orthopädie
  • gesundheitskosten
  • forschung
Jetzt wenden sich auch Schweizer Forscher zunehmend laut gegen überflüssige Knieoperationen: «Bei altersbedingten Meniskusschädigungen bringen chirurgische Eingriffe am Knie mittels Arthroskopie im Vergleich zur nicht-operativen Behandlung keinen Zusatznutzen» – so lautet der Eingangssatz einer Stellungnahme, welche die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften heute veröffentlicht hat.
Basis des Aufrufs ist eine Studie, welche unter der Leitung von Leander Muheim vom Institut für Hausarztmedizin entstand; mit dabei waren aber auch Forscher von Helsana. Mit Daten des Versicherers untersuchte das Team, wie sich die Zahl der arthroskopischen Knieeingriffe bei über 40jährigen Patienten entwickelt hatte – in einem Vergleich der Jahre 2012 und 2015.


Dabei fokussierten Muheim, Oliver Senn, Mathias Früh et al. auf Patienten ohne unfallbedingte Meniskusschädigungen.

  • Im Jahr 2012 wurden also 649'000 Personen erfasst – bei ihnen kam es zu 2’520 arthroskopischen Eingriffen am Knie.
  • Im Jahr 2015 wurden bei 648'000 Personen 2'282 Eingriffe durchgeführt. Bei Menschen über 64 gingen die Operationszahlen um rund 18 Prozent zurück. In der zahlenmässig bedeutendsten Gruppe der 40- bis 64-jährigen ergab sich hingegen keine signifikante Änderung der Operationszahlen von 2012 gegenüber 2015.

«Entsprechend hoch ist das Potential unangemessener arthroskopischer Eingriffe am Knie in der Schweiz», urteilen die Autoren.
Ein Hinweis dafür: Die Operationen kamen häufiger bei zusatzversicherten Patienten vor – und seltener bei Patienten mit hoher Franchise. Das Forscherteam folgert also, dass das Vergütungssystem in der Schweiz für Ärzte finanzielle Anreize setzt zur Durchführung einer Operation. Gleichzeitig erscheinen die Anreize für eine konservative Therapie allzu begrenzt.


Das konkrete Ergebnis ist also, dass die Zahl der Eingriffe offenbar nur teilweise medizinisch bedingt sein dürfte. Ausgangspunkt – und durch Muheim et al. nicht direkt thematisiert – eine die recht kategorische Einstellung: nämlich dass arthroskopische Eingriffe bei Abnutzungs-Erscheinungen am Knie keinen Vorteil bringen im Vergleich zu konservativeren Methoden. Die Autoren von Hausarztmedizin-Institut und Helsana zitieren dazu ein knappes Dutzend Studien aus den Jahren 2002 bis 2016, von denen allenfalls eine einen nachhaltigen Nutzen der Kniespiegelung in diesen Fällen zu untermauern schien. 
Im «British Medical Journal» kam ferner Mitte Mai ein Expertenpanel zu einem ähnlichen Schluss: «Wir machen die starke Empfehlung gegen den Einsatz von Arthroskopien bei fast allen Patienten mit degenerativen Knie-Erkrankungen, basierend auf systematischen Überprüfungen», schrieben sie. Und dann: «Es ist unwahrscheinlich, dass weitere Forschung diese Empfehlung abändern wird.»
Für die SAMW bedeuten diese Ergebnisse, dass sie Ärzte und Patienten noch stärker als bisher für die «Smarter Medicine»-Initiative sensibilisieren will. 

Der Überblick: In welchen Gegenden und Kantonen wird die arthroskopische Meniskektomie am Knie wie häufig durchgeführt?

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Transatlantische Orthopädie: Schulthess Klinik vertieft Partnerschaft mit HSS

Das Hospital for Special Surgery in New York und die Zürcher Orthopäedie-Klinik wollen bei Nachwuchsförderung und Outcome-Forschung enger zusammenarbeiten.

image

Prof. Dr. med. Christoph Albers verstärkt die Orthopädie der Lindenhofgruppe am Sonnenhof

Der ausgewiesene Experte legt seine Schwerpunkte in der Wirbelsäulen-Chirurgie (SGNC und SO), der Spezialisierten Traumatologie (SGC und SO) sowie der Interventionellen Schmerztherapie (SSIPM).

image

Spital Muri baut Orthopädie aus – Christian Hank übernimmt Chefarzt-Posten

Im Mai 2026 übernimmt Christian Hank die Leitung der neuen Orthopädie- und Traumatologie-Klinik des Spitals Muri.

image

Swiss Bridge Award 2025 geht an Krebsforschende aus Zürich und Berlin

Andreas Moor (ETH Zürich) und Inmaculada Martínez Reyes (DKFZ/Charité Berlin) erhalten je 250’000 Franken für ihre Arbeiten an zielgerichteten Krebstherapien – von «smarten» Proteinmolekülen bis zu personalisierten Immunzellen.

image

USZ, CHUV und USB gehören zu Europas forschungsstärksten Spitälern

Seit der Jahrtausendwende haben sich die Patentanmeldungen europäischer Kliniken verdreifacht. Schweizer Häuser spielen vorne mit.

image

Empa-Forschende entwickeln selbsthaftende künstliche Hornhaut

Forschende der Empa und der Universität Zürich haben eine künstliche Hornhaut entwickelt, die künftig Spendergewebe ersetzen könnte.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.